TOP IV: Medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderung

Donnerstag, 21. Mai 2009, Vormittagssitzung

Dr. Peters, Referent: Verehrte Delegierte, ich danke Ihnen dafür, dass Sie mit einer solchen Beteiligung, auch inneren Beteiligung, sich dieses Tagesordnungspunkts angenommen haben. Das stimmt einen richtig hoffnungsfroh. Ich hoffe, dass wir in den nächsten fünf Jahren auch etwas bewegen. Entscheidend ist ja, dass sich die Situation verbessert.

Ich möchte zunächst ganz kurz etwas zur Kostenerstattungssituation sagen; nur ein paar Gedanken, denn ich will der Entscheidung ja nicht vorgreifen. Wir müssen eine Situation haben, in der geistig oder mehrfach Behinderte, aber auch vergleichbare Patienten nicht den Ausnahmezustand darstellen, sondern regelhaft in der Systematik mit enthalten sind. Man muss auch an die Kämpfe denken, die die Angehörigen führen müssen, wenn sie ihre Kosten erstattet haben wollen. Adorno hat einmal gesagt: Nur da wirst du geliebt, wo du Schwäche zeigen kannst, ohne Stärke zu provozieren. In dem Verhältnis zwischen den großen Kassen und den kleinen Patienten geht manches daneben. Darüber bin ich nicht glücklich.

Noch eine Bemerkung zu den Ausführungen von Herrn Kaplan zum Case Management. Herr Bolay hat es bereits ausgeführt: Diese Einrichtungen verstehen sich ganz klar als komplementäre Einrichtungen. Wir arbeiten mit den Niedergelassenen zusammen. Ich lege größten Wert darauf, dass meine Mitarbeiter die Niedergelassenen schnell informieren. Sie rufen auch an, man bespricht, wer was tut. Keine einzige Heilmittelverschreibung verlässt unser Haus. Das machen nur die Niedergelassenen. Wir beraten nur, ob etwas sinnvoll ist oder nicht. Wir ergänzen sozusagen die Kompetenz der Kolleginnen und Kollegen. Sie können nicht in der ganzen Breite erfassen, was sich in der Diskussion befindet. Ohne Weiterbildung geht es einfach nicht, wenn man es richtig machen möchte. Wir brauchen sogar für diese Zentren eine Zusatzweiterbildung.

Zur Barrierefreiheit möchte ich sagen: Das ist ein wichtiges Thema. Es ist eigentlich bereits gängiges Recht – das weiß ich zumindest aus Rheinland-Pfalz –, dass alle Praxen barrierefrei sein müssen. Das wird aber nicht hundertprozentig umgesetzt. Die Kosten, die dadurch entstehen, sind manchmal nicht tragbar. Wer soll denn bei der finanziellen Situation der Praxen 200 000 Euro für die Installation eines Fahrstuhls bezahlen? Wenn man das möchte, muss man auch nach räsonablen Vergütungsstrukturen suchen, um das entsprechend umzusetzen.

Zu den psychisch Behinderten möchte ich sagen: Ich bitte um Nachsicht, dass wir uns jetzt nur auf zwei andere Gebiete konzentriert haben. Natürlich ist die Situation der psychisch Behinderten ganz wichtig und von beträchtlicher Dimension. Ich glaube, es wäre sinnvoll, das in einem eigenen Tagesordnungspunkt zu beleuchten und zu besprechen, wo dort die Nöte und die Versorgungserfordernisse sind.

Zum Schluss ein Satz zu den Müttern, wobei man die Väter nicht vergessen darf. Ich bin ja auch Vater von drei Kindern, die teilweise nicht unbeträchtlich behindert wären, würden sie nicht so gut behandelt. Ohne die Mütter und Väter geht es nicht. Ich hatte ja auf einer Folie gezeigt, dass etwa 60 Prozent dieser Kinder als Erwachsene noch dort sind, wo sie normalerweise nicht wären. Unsere Jugendlichen verselbstständigen sich, gehen in die Ausbildung, gehen in den eigenen Beruf. Hier aber fehlen oft die Strukturen, denen man sich anvertrauen möchte. Hier gibt es noch Handlungsbedarf. Das sollten wir nicht vergessen.

Wenn die Familien für diese Kinder da sind, ersparen sie unserer Gesellschaft auf der anderen Seite beträchtliche Kosten. Ein Heimplatz ist nicht unter 3 000 Euro zu haben. Deswegen ist es sinnvoll, dass wir eine Regulierung finden, dass diese Menschen, die ihren Beruf nicht ausüben, später bei der Rente entsprechend berücksichtigt werden, wenn sie selber bedürftig werden.

Ich darf mich sehr herzlich bedanken und hoffe, wir werden einiges bewegen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Vizepräsidentin Dr. Goesmann: Herr Kollege Peters, wir danken Ihnen und werden aufgreifen, was Sie uns als Themen für die nächsten Ärztetage mit auf den Weg gegeben haben. – Ich darf jetzt Herrn Professor Seidel bitten, sein Schlusswort zu halten.

© Bundesärztekammer 2009