TOP VIII: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

Freitag, 22. Mai 2009, Vormittagssitzung

Dr. Veelken, Berlin: Einen schönen guten Morgen! Ich erinnere mich noch an die Euphorie – auch am Vorstandstisch – hinsichtlich des Projekts der elektronischen Gesundheitskarte auf dem Ärztetag in Ulm. In diesem Jahr ist in dem Entschließungsantrag schon eine deutliche Zurückhaltung zu spüren. Das halte ich für einen enormen Fortschritt.

(Beifall)

Ich möchte mich ausdrücklich für die kritische bzw. von ehrlicher Besorgnis geprägte Darstellung von Herrn Bartmann bedanken, die ich sehr positiv registriert habe und die wirklich eine Änderung in der Bewertung des E-Card-Projekts auch hier oben am Vorstandstisch zum Ausdruck gebracht hat.

Ich möchte nicht über einzelne Funktionalitäten sprechen, die mit Sicherheit unvermeidbar sind. Man kann ja nicht sagen, dass Patientenstammdaten usw. nicht ausgetauscht oder aktualisiert werden. Ich möchte vielmehr auf die elektronische Gesundheitsakte zu sprechen kommen. Ich möchte die Entwicklung ein Stück weiter zu Ende denken, wenn die ganzen Prüfungen gelaufen sind, wenn alles funktioniert und die Datenschutzbestimmungen endgültig eingehalten werden können, woran ich allerdings meine Zweifel habe.

Die Krankenkassen – und nicht nur sie – werden ein Interesse daran haben, dass die Infrastruktur, die wir hier diskutieren, am Ende auch zur Durchführung der elektronischen Krankenakte benutzt wird. Das Zauberwort heißt hier: Heben von Synergien. Man kann dann die Entwicklung bei den Patienten, die von einem Arzt zum anderen rennen, verfolgen. Da geht es um das sogenannte Doktor-Hopping.

Es wird so sein, dass die Freiwilligkeit am Ende – das hat Herr Dr. Zöllner bereits gesagt – ad absurdum geführt sein wird, weil die Kostenersparnis, wenn die Infrastruktur vorhanden ist und auch funktioniert, genau dazu führen wird, dass die Kostenträger – die Kassen genauso wie andere, die im Gesundheitswesen Geld ausgeben – ebenso argumentieren werden wie die Banken, die heute sagen: Ein Online-Konto ist billiger, als wenn der Kunde zur Bank kommt. So wird es auf die Dauer bei der Gesundheitskarte im weitesten Sinne auch sein.

Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Alle Datenschutzbestimmungen sind erfüllt und kontrolliert, es gibt keine Lücken mehr. Wir alle sind hinsichtlich der Verwaltung und der Sicherung der Daten zufrieden. Wollen wir es dann wirklich haben? Bitte bedenken Sie: Der Zugangsweg zu dieser Datensammlung ist der Heilberufeausweis. Nehmen wir einmal folgenden Fall an: Wir werden krank und suchen uns, obwohl wir uns alle mögen, sehr genau unseren Doktor aus, zu dem wir gehen und dem wir bestimmte Dinge sagen. Dann haben wir eine andere Krankheit, gehen zu einem anderen Doktor und lassen uns auch dort behandeln. Wenn es zur elektronischen Gesundheitsakte kommt, wie ich es eben skizziert habe, kollektivieren wir das Arzt-Patient-Verhältnis. Alles, was der Patient irgendwann einem Arzt gesagt hat, hat er im Zweifelsfall allen Ärzten gesagt.

Ich sage nicht: Das ist der gläserne Patient. Aber es wird den Druck geben, dass die wesentlichen Diagnosen und Behandlungsmethoden in der elektronischen Krankenakte abgelegt sind. Der Zugang zu diesen Daten ist das medizinische Staatsexamen. Ich bin sicher: Das wollen wir alles nicht. Das ist die Kollektivierung dessen, was wir noch vorgestern als unbedingt erhaltenswertes Peer-Verhältnis zwischen dem Arzt und seinen Patienten beschrieben haben. Das geben wir damit auf, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Ich will überhaupt nicht sagen, dass wir das aufgeben wollen, auch die Befürworter nicht; aber der Druck, dass die Entwicklung in diese Richtung geht, wird sich ergeben.

Schließlich noch ein Wort zur Abgabe medizinischer Informationen bei Einstellungsuntersuchungen. Man ist bereits heute verpflichtet, seinem Arbeitgeber zu sagen: Ich habe dieses und jenes. Das ist schon richtig. Ich bin sicher: Wenn man seine Informationen theoretisch auf einer kleinen Chipkarte, auf einem USB-Stick oder zentral dem Arbeitgeber zur Verfügung stellen kann, wird in Zukunft zu einem Einstellungsgespräch die Aufforderung gehören: Geben Sie uns doch mal den Ausdruck. Das können Sie ohne Frage verweigern, aber dann stehen Sie dadurch nur auf Platz 5 oder 10 der Bewerberliste. Das finde ich hochbedenklich. Wir sollten das nicht fördern.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön, Herr Veelken. – Jetzt Herr Kollege Professor Kahlke aus Hamburg.

© Bundesärztekammer 2009