Dr. Veelken, Berlin:
Einen schönen guten Morgen! Ich erinnere mich noch an die Euphorie – auch am
Vorstandstisch – hinsichtlich des Projekts der elektronischen Gesundheitskarte
auf dem Ärztetag in Ulm. In diesem Jahr ist in dem Entschließungsantrag schon
eine deutliche Zurückhaltung zu spüren. Das halte ich für einen enormen
Fortschritt.
(Beifall)
Ich möchte mich ausdrücklich für
die kritische bzw. von ehrlicher Besorgnis geprägte Darstellung von Herrn
Bartmann bedanken, die ich sehr positiv registriert habe und die wirklich eine
Änderung in der Bewertung des E-Card-Projekts auch hier oben am Vorstandstisch
zum Ausdruck gebracht hat.
Ich möchte nicht über einzelne
Funktionalitäten sprechen, die mit Sicherheit unvermeidbar sind. Man kann ja
nicht sagen, dass Patientenstammdaten usw. nicht ausgetauscht oder aktualisiert
werden. Ich möchte vielmehr auf die elektronische Gesundheitsakte zu sprechen
kommen. Ich möchte die Entwicklung ein Stück weiter zu Ende denken, wenn die
ganzen Prüfungen gelaufen sind, wenn alles funktioniert und die
Datenschutzbestimmungen endgültig eingehalten werden können, woran ich
allerdings meine Zweifel habe.
Die Krankenkassen – und nicht nur
sie – werden ein Interesse daran haben, dass die Infrastruktur, die wir hier
diskutieren, am Ende auch zur Durchführung der elektronischen Krankenakte
benutzt wird. Das Zauberwort heißt hier: Heben von Synergien. Man kann dann die
Entwicklung bei den Patienten, die von einem Arzt zum anderen rennen,
verfolgen. Da geht es um das sogenannte Doktor-Hopping.
Es wird so sein, dass die
Freiwilligkeit am Ende – das hat Herr Dr. Zöllner bereits gesagt – ad absurdum
geführt sein wird, weil die Kostenersparnis, wenn die Infrastruktur vorhanden
ist und auch funktioniert, genau dazu führen wird, dass die Kostenträger – die
Kassen genauso wie andere, die im Gesundheitswesen Geld ausgeben – ebenso
argumentieren werden wie die Banken, die heute sagen: Ein Online-Konto ist
billiger, als wenn der Kunde zur Bank kommt. So wird es auf die Dauer bei der
Gesundheitskarte im weitesten Sinne auch sein.
Stellen Sie sich bitte folgende
Situation vor: Alle Datenschutzbestimmungen sind erfüllt und kontrolliert, es
gibt keine Lücken mehr. Wir alle sind hinsichtlich der Verwaltung und der
Sicherung der Daten zufrieden. Wollen wir es dann wirklich haben? Bitte
bedenken Sie: Der Zugangsweg zu dieser Datensammlung ist der Heilberufeausweis.
Nehmen wir einmal folgenden Fall an: Wir werden krank und suchen uns, obwohl
wir uns alle mögen, sehr genau unseren Doktor aus, zu dem wir gehen und dem wir
bestimmte Dinge sagen. Dann haben wir eine andere Krankheit, gehen zu einem
anderen Doktor und lassen uns auch dort behandeln. Wenn es zur elektronischen
Gesundheitsakte kommt, wie ich es eben skizziert habe, kollektivieren wir das
Arzt-Patient-Verhältnis. Alles, was der Patient irgendwann einem Arzt gesagt
hat, hat er im Zweifelsfall allen Ärzten gesagt.
Ich sage nicht: Das ist der
gläserne Patient. Aber es wird den Druck geben, dass die wesentlichen Diagnosen
und Behandlungsmethoden in der elektronischen Krankenakte abgelegt sind. Der
Zugang zu diesen Daten ist das medizinische Staatsexamen. Ich bin sicher: Das
wollen wir alles nicht. Das ist die Kollektivierung dessen, was wir noch vorgestern
als unbedingt erhaltenswertes Peer-Verhältnis zwischen dem Arzt und seinen
Patienten beschrieben haben. Das geben wir damit auf, meine Damen und Herren.
(Beifall)
Ich will überhaupt nicht sagen,
dass wir das aufgeben wollen, auch die Befürworter nicht; aber der Druck, dass
die Entwicklung in diese Richtung geht, wird sich ergeben.
Schließlich noch ein Wort zur
Abgabe medizinischer Informationen bei Einstellungsuntersuchungen. Man ist
bereits heute verpflichtet, seinem Arbeitgeber zu sagen: Ich habe dieses und
jenes. Das ist schon richtig. Ich bin sicher: Wenn man seine Informationen
theoretisch auf einer kleinen Chipkarte, auf einem USB-Stick oder zentral dem
Arbeitgeber zur Verfügung stellen kann, wird in Zukunft zu einem
Einstellungsgespräch die Aufforderung gehören: Geben Sie uns doch mal den
Ausdruck. Das können Sie ohne Frage verweigern, aber dann stehen Sie dadurch
nur auf Platz 5 oder 10 der Bewerberliste. Das finde ich hochbedenklich. Wir
sollten das nicht fördern.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h.
c. Hoppe: Danke schön, Herr Veelken. – Jetzt Herr Kollege Professor Kahlke
aus Hamburg.
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