TOP VIII: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

Freitag, 22. Mai 2009, Vormittagssitzung

Dr. Grundmann, Bremen: Herr Präsident! Herr Bartmann! Meine Damen und Herren! Herr Bartmann, ich muss Ihnen ein Kompliment machen, wie engagiert Sie dieses schwierige Thema vortragen. Dennoch bin ich, wie man neudeutsch sagt, inhaltlich nicht bei Ihnen. Wie Sie wissen, ist bereits am 30. September 2007 in einem Artikel der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ folgender Text unter der Überschrift „Der Murks mit der Gesundheitskarte“ erschienen:

Nächstes Jahr kommt die elektronische Gesundheitskarte. Sie kostet mehr als eine Milliarde Euro – und hat einen Schönheitsfehler: Sie kann nicht mehr als die alte. Für die später folgende Online-Phase wird dann wieder eine neue, zweite Karte erforderlich. Ihre Anwendung ist aber gefährlich und rechtlich nicht geregelt.

Weiterhin sollten wir Ärzte es ablehnen, in der Praxis die Karten für die Krankenkassen zu aktualisieren, wie die Änderung der Anschrift und Ähnliches. Das ist nicht unsere Aufgabe und kostet unsere Zeit.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie als hausärztlicher Internist mit einem hohen Rentneranteil auf ein paar ganz praktische Probleme hinweisen. Es überzeugt das Argument des Bundesgesundheitsministeriums nicht, wenn es behauptet, die E-Card werde den Gebrauch der Karte sicherer machen. Dagegen spricht zum Beispiel die Tatsache, dass die Krankenkassen nicht überprüfen – ich weiß nicht, ob Ihnen das bewusst ist –, ob das eingesandte Foto von dem angeschriebenen Versicherten stammt oder nicht. So wird das Missbrauchspotenzial nicht beseitigt.

Die E-Card löst keines der bestehenden Probleme im Gesundheitswesen, sondern lenkt von diesen ab und behindert uns Ärzte wegen des hohen Zeitaufwands bei der Patientenversorgung und der Fortbildung.

Das Einlesen der neuen Karte dauert viermal so lange wie bisher. Es ist nicht erkennbar, wie die E-Card Wirtschaftlichkeit, Qualität und Transparenz – zum gläsernen Patienten – der medizinischen Behandlung verbessern könnte. Ich möchte Sie darauf hinweisen: Der Datenskandal bei T-Mobile, bei dem 17 Millionen Handynummern, Adressen, Geburtsdaten, auch die Geheimnummern von Politikern gestohlen und im Rotlichtmilieu angeboten wurden, zeigt ebenso wie das Entwenden von 10 000 Kundendaten bei der Berliner Landesbank, dass es keine Datensicherheit gibt.

Für die sensiblen Krankendaten von Patienten, aber auch die von Politikern, gibt es viele Interessenten, die versuchen werden, an diese Informationen zu kommen. Ich denke, darum sollte es eine zentrale Speicherung von Patientendaten nicht geben.

(Beifall)

Ich will Ihnen, Herr Hoppe und Herr Bartmann, ein ganz praktisches Beispiel aus Bremen sagen. In Bremen gibt es neun Krankenhäuser. Von diesen neun Krankenhäusern sind nicht einmal zwei elektronisch miteinander verbunden. Da bleibt es doch unklar, wie bei den aufgezeigten Schwierigkeiten die Vernetzung von 123 000 niedergelassenen Ärzten, 65 000 Zahnärzten, 21 000 Apothekern, 2 200 Krankenhäusern und 250 gesetzlichen Krankenkassen sowie Psychotherapeuten gelingen kann. Wie soll das geschehen?

Zum Schluss noch ganz kurz: Der bürokratische Aufwand, der wegen des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Patienten entsteht, ist sehr hoch. Der Patient muss gegenüber dem Arzt in einem Gespräch seine Einwilligung geben. Diese muss dokumentiert und anschließend an die Krankenkassen weitergeleitet werden. Dann ist der Kreis der zugriffsberechtigten Personen wieder mit dem Arzt zu erörtern und festzulegen.

Dieses Verfahren ist in den Arztpraxen wegen des hohen Zeitaufwands nicht praktikabel und unzumutbar. Die sechsstellige PIN – das wurde auch schon gesagt –, die auch im Notfall noch eingegeben werden soll, wird im Alltag oft vergessen und stellt so insbesondere für ältere und behinderte Patienten ein großes Problem dar.

(Vereinzelt Beifall)

Deshalb haben in Bremen die Vorstände von KV und Ärztekammer im Dezember den Vertrag zur Erprobung der elektronischen Gesundheitskarte gekündigt. Bremen wurde damals keine Testregion.

Meine Damen und Herren, wie schon gesagt, für mich bleibt es dabei wie in Ulm: Auch der 112. Deutsche Ärztetag sollte die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in der bisher vorgelegten Form ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank. – Das Wort hat nun Herr Kollege Bartmann.

© Bundesärztekammer 2009