Eröffnungsveranstaltung

Dienstag, 11. Mai 2010, Vormittagssitzung

Sächsische Staatsoper Dresden (Semperoper)

(Musikalischer Auftakt: Pablo de Sarasate: Zigeunerweisen für Violine und Orchester)

Prof. Dr. med. habil. Jan SchulzeProf. Dr. med. habil. Jan Schulze, Präsident der Sächsischen Landesärztekammer: Nach diesem fulminanten Auftakt, meine Damen und Herren, sind wir, glaube ich, in die richtige Stimmung versetzt. Jacob Meining, 14-jähriger Schüler, spielte die Zigeunerweisen von Pablo de Sarasate an einem Ort, wo bereits Carl Maria von Weber, Richard Wagner und Richard Strauß wirkten. Vielen Dank für dieses Solo, das er zusammen mit seinem Vater und Mitgliedern der Sächsischen Staatskapelle Dresden als Auftakt spielte.

Sehr verehrte Gäste! Herzlich willkommen in Dresden, herzlich willkommen zum 113. Deutschen Ärztetag! Das Jahr 2010 ist für Deutschland, Sachsen und Dresden das Jahr der zeitgeschichtlichen Jubiläen: 20 Jahre deutsche Einheit, 20 Jahre Sächsische Landesärztekammer sowie 25 Jahre Wiederaufbau dieser prachtvollen Semperoper und fünf Jahre Weihe der einzigartigen Frauenkirche. Vor 17 Jahren, nämlich 1993, fand der 96. Deutsche Ärztetag in Dresden statt. Es war der erste Ärztetag in einem ostdeutschen Bundesland nach der Wiedervereinigung. Einige unter Ihnen waren auch schon damals Gäste dieser Stadt. Sie werden ganz besonders die städtebaulichen Veränderungen und das wiedererwachte Flair der sächsischen Landeshauptstadt bemerken.

Auch deshalb empfinde ich Freude und Stolz, Sie heute erneut zu einem Deutschen Ärztetag in Dresden begrüßen zu dürfen. Die sächsischen Ärzte betrachten es als eine Auszeichnung, dass unsere Metropole wiederholt zum Tagungsort ausgewählt wurde.

Und nun begrüßen Sie mit mir den Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen, Herrn Stanislaw Tillich.

(Beifall)

Mit jugendlicher Energie ist auch heute der Bundesminister für Gesundheit, Herr Dr. Philipp Rösler, zu uns gekommen. Herzlich willkommen, Herr Bundesminister!

(Beifall)

Ebenso herzlich begrüße ich die Sächsische Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz, Frau Christine Clauß. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Liebe Gäste, aus Zeitgründen bitte ich Sie nun darum, den Beifall bis zum Ende der Begrüßung aufzusparen, obwohl jeder der nachfolgend Begrüßten einen eigenen Applaus verdient hätte.

Ein Willkommensgruß geht besonders an die Abgeordneten und Mitglieder des Europäischen Parlaments, des Deutschen Bundestages, aus dem Sächsischen Landtag und aus den Landtagen mehrerer Bundesländer.

Ich begrüße ganz besonders herzlich den Ehrenpräsidenten des 103. Deutschen Ärztetages und Ehrenpräsidenten der Sächsischen Landesärztekammer, meinen Vorgänger im Amt, der den ersten ostdeutschen Ärztetag organisiert und durchgeführt hat, Herrn Professor Heinz Diettrich.

(Beifall)

Sehr herzlich willkommen heiße ich den Präsidenten des Deutschen Ärztetages, Präsident der Bundesärztekammer und Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Herrn Professor Jörg-Dietrich Hoppe.

(Beifall)

Ich begrüße besonders auch den Ehrenpräsidenten der Bundesärztekammer, Herrn Professor Karsten Vilmar.

(Beifall)

Ebenfalls herzlich willkommen heiße ich den Zweiten Bürgermeister der Stadt Dresden, Herrn Detlef Sittel. Er vertritt die Oberbürgermeisterin Helma Orosz.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, Gäste aus 27 Ländern sind zu uns nach Dresden gereist. Das ist bemerkenswert. Stellvertretend für alle begrüße ich vom Weltärztebund dessen Präsidenten, Herrn Dr. Dana Hanson aus Kanada, sowie den Vorstandsvorsitzenden des Weltärztebundes, Herrn Dr. Edward Hill aus den Vereinigten Staaten von Amerika.

(Beifall)

Ein Willkommen auch der Präsidentin des Weltärztinnenbundes, Frau Dr. Atsuko Heshiki aus Japan.

(Beifall)

Ich begrüße die Generalsekretärin des Ständigen Ausschusses der Europäischen Ärzte (CPME), Frau Lisette Tiddens-Engwirda aus den Niederlanden.

(Beifall)

Die Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der deutschen Ärzteschaft, begrüße ich ebenfalls ganz herzlich.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich begrüße die Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Herrn Dr. Andreas Köhler und Herrn Dr. Carl-Heinz Müller, sowie von der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen die stellvertretende Vorsitzende, Frau Dr. Schwäblein-Sprafke.

(Beifall)

Den Präsidenten des Bundesverbands der Freien Berufe, Herrn Ulrich Oesingmann, heiße ich herzlich willkommen.

Ich begrüße die Präsidenten der befreundeten Heilberufekammern sowie die Vertreter der Verbände.

Ich begrüße besonders herzlich meine Kollegen im Vorstand der Bundesärztekammer sowie den Vorstand der Sächsischen Landesärztekammer.

Zuletzt, aber mit besonders viel Enthusiasmus begrüße ich alle Delegierten, Gäste und Medienvertreter des 113. Deutschen Ärztetages in Dresden. Wir freuen uns sehr, dass Sie uns die Ehre geben und heute zugegen sind.

(Beifall)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, würden wir die Geschichte der Stadt Dresden oder Sachsens analysieren wollen und würde ich jetzt versuchen, sie Ihnen auch nur annähernd beschreiben zu wollen, wir hätten Stoff für eine Woche und länger und keine Zeit für unseren Deutschen Ärztetag. Dennoch möchte ich Ihnen in aller Kürze verdeutlichen, an welch bedeutenden politischen, historischen und auch medizinischen Ort der diesjährige Deutsche Ärztetag stattfindet.

Meine sehr geehrten Gäste, was haben Georgius Agricola, Johann Friedrich Böttger, Melitta Bentz und Manfred Baron von Ardenne gemeinsam? – Sie alle wirkten in Sachsen. Und während sich der eine der Mineralogie widmete, der andere vor ungefähr 300 Jahren das erste europäische Hartporzellan herstellte, entwickelte Frau Bentz den allseits bekannten Melitta-Kaffeefilter und der Baron von Ardenne das Fernsehen.

Noch eine Frage: Was sagen Ihnen die Namen Samuel Hahnemann, Georg Bartisch, Georg Schmorl, Karl Friedrich Nietze und Gerhard Leopold? – Auch sie wirkten in Sachsen und es sind national wie international bekannte Ärzte und Forscherpersönlichkeiten. Hahnemann gilt als Begründer der Homöopathie, von Bartisch stammt der „Augendienst“, das erste Lehrbuch der Augenheilkunde in deutscher Sprache, im 17. Jahrhundert geschrieben, nach Schmorl, dem Pathologen und Wirbelsäulenforscher, sind die Schmorlschen Knorpelknötchen der Bandscheibe benannt. Der Urologe Nietze demonstrierte bereits 1877 in Dresden zum ersten Mal eine Blasenspiegelung an einer Leiche mit dem von ihm entwickelten Zystoskop. Und Leopold entwickelte die nach ihm benannten Leopoldschen Handgriffe zur äußeren Untersuchung der Schwangeren. Eine Fortsetzung dieser Liste bedeutender Ärzte und erfolgreicher Forscher bis in die Gegenwart ist unschwer möglich.

Wir Sachsen sind eben „helle, heeflich und gemietlich“ – soll heißen: pfiffig, höflich und sympathisch. Mit diesen Eigenschaften, aber einem ungeliebten Dialekt haben es die Sachsen schon immer weit gebracht. Sie sind gewandt und weltoffen.

Ein altes sächsisches Sprichwort sagt: „Was in Chemnitz erarbeitet wird, wird in Leipzig gehandelt und in Dresden verprasst.“ Das lässt sich nicht ganz leugnen, denn die Zeugnisse der Prunksucht der sächsischen Regenten – Anwesende ausgenommen – können Sie in Dresden bewundern. Zu nennen wären das Schloss, der Zwinger, Alte und Neue Gemäldegalerie, Grünes Gewölbe sowie die im März eröffnete Türckische Cammer, die umfangreichste Sammlung osmanischer Kunst in Deutschland. Die Wettiner beriefen für ihre Sammlungen die damaligen Spitzenkönner der europäischen Kunst- und Kulturszene nach Dresden oder schickten Agenten zu gezielten Ankäufen ins Ausland.

Meine Damen und Herren, der Freistaat Sachsen hat dieses bedeutende kulturhistorische Erbe mit großem materiellen und ideellen Engagement angetreten und sorgsam weiterentwickelt.

Sachsen hat aber auch zwei hochmoderne medizinische Hochschulen, darunter die 400-jährige Alma Mater Lipsensis, und rund 80 sanierte, modern ausgestattete Krankenhäuser und zahlreiche Forschungsinstitute, nicht nur der Biomedizin. Das Universitätsklinikum Dresden trägt den Namen „Carl Gustav Carus“. Carus lebte von 1789 bis 1869. Er war Arzt, Naturphilosoph, Literat, Maler und Zeichner und gilt als Persönlichkeit von universalem Zuschnitt. Er lebte und arbeitete über 50 Jahre in Dresden. Dem Universalgelehrten Carus war 2009 eine ganz besonders umfangreiche Ausstellung im Dresdner Schloss und in der Sempergalerie gewidmet. Carus könnte heute in seiner Universalität helfen, den Inhalt ärztlichen Tuns gegen zunehmende Technisierung und Ökonomisierung zu verteidigen. Er hat gute Argumente geliefert.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie befinden sich auch an den Wurzeln der ärztlichen Selbstverwaltung. Ich möchte an zwei wichtige sächsische Reformpersönlichkeiten erinnern, die zu Recht als die Ahnherren deutscher Berufs- und Standespolitik gelten. Es sind dies Professor Hermann Eberhard Friedrich Richter – er lebte von 1808 bis 1876 –, Lehrstuhlinhaber an der ehemaligen Chirurgisch-Medizinischen Akademie in Dresden, sowie Dr. Hermann Hartmann aus Leipzig, der von 1863 bis 1923 lebte. Beide haben sich um die Gründung des Deutschen Aerztevereinsbundes und des späteren Hartmannbundes hervorragende Verdienste erworben.

Die ärztliche Selbstverwaltung, deren hochrangige Vertreter wir heute hier versammelt haben, ist eine der bedeutendsten politischen Errungenschaften der ärztlichen Profession. Nur durch eine funktionierende ärztliche Selbstverwaltung können die Gesamtinteressen aller Ärzte in Deutschland wirkungsvoll zur Geltung gebracht werden.

(Beifall)

Eine ärztliche Standesvertretung ist unabdingbarer Bestandteil der Demokratie und Hüterin ärztlicher Freiberuflichkeit. Das sage ich mit meinen langjährigen persönlichen Erfahrungen in einem zwangskollektivistischen zentralistischen System mit Einheitspartei.

(Beifall)

Von Sachsen ging 1989 auch der Impuls zur friedlichen und deshalb in der Geschichte einmaligen Revolution aus. Dem zivilen Ungehorsam mit dem Slogan „Wir sind das Volk“ konnte die damalige Staatsmacht auf Dauer nicht standhalten. In den letzten 20 Jahren waren wir Sachsen Protagonisten einer politischen und gesellschaftlichen Veränderung, auf die wir sehr stolz sein können. Denn sie zeugt, wie schon 1945, vom Aufbau- und Veränderungswillen der Menschen in diesem Lande. Ohne diesen Willen wären finanzielle Transfers wahrscheinlich ins Leere gelaufen.

Wir haben bereits Probleme bewältigt oder in Angriff genommen, von denen andere Bundesländer erst im Ansatz betroffen sind. Zu nennen wäre der Wegfall ganzer Industriezweige, der demografische Wandel und der Ärztemangel. Den Ärztemangel spüren und thematisieren wir seit 1999. Den demografischen Wandel erleben wir seit einigen Jahren vor allem in ländlichen Regionen.

Nur durch eine kreative und kooperative Zusammenarbeit der ärztlichen Selbstverwaltung, also Sächsische Landesärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung Sachsen, von Sozialministerium, Krankenhausgesellschaft und Krankenkassen ist es gelungen, frühzeitig wichtige Maßnahmen gegen den Ärztemangel in Sachsen auf den Weg zu bringen. Dadurch konnten wir den Ärztemangel abschwächen, aber bei Weitem nicht beseitigen.

In Sachsen existiert auch das letzte Bündnis Gesundheit 2000. Vor elf Jahren gegründet, kooperieren in diesem Bündnis über 30 Partner, um die gesundheitspolitischen Entwicklungen kritisch zu begleiten, zu kommentieren und notfalls auch zu Demonstrationen aufzurufen. Eine solche übergreifende kooperative Zusammenarbeit sucht ihresgleichen in Deutschland. Vielen Dank an dieser Stelle an alle Beteiligten.

1993 brachten die Delegierten von Dresden aus die strukturierte Qualitätssicherung auf den Weg. Heute beschäftigen wir uns mit der Neuorganisation dieses Bereichs. Zudem sind Themen dazugekommen, auf die wir in der Vergangenheit ganz pragmatische Antworten finden mussten: Rationierung und Priorisierung. Vor 1989 haben die ostdeutschen Ärzte eine Rationierung von medizinischen Leistungen aufgrund von Mangel an Material und Technik vornehmen müssen. Heute beschäftigt sich die Ärzteschaft mit Priorisierung aufgrund der sich zuspitzenden Probleme in der Finanzierung infolge Demografie und medizinischem Fortschritt.

Wir Ärzte sind nicht mehr bereit, die versteckte politisch verursachte Rationierung in Gegenwart und Zukunft an die Patienten weiterzugeben. Wir fordern eine breite gesellschaftliche Diskussion zur Priorisierung medizinischer Leistungen. Herr Gesundheitsminister Dr. Rösler, wir sind der Meinung, dass es ethisch nicht mehr vertretbar ist, diese Diskussion nicht zu führen.

(Beifall)

Die Ärzteschaft jedenfalls ist bereit, eine notwendige fachlich-inhaltliche, gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung konstruktiv zu begleiten. Was wir nicht brauchen, sind Reformen mit Wortungetümen als Namen, die bloße Kostendämpfungsmaßnahmen sind.

Ich wünsche mir deshalb, dass der 113. Deutsche Ärztetag in Dresden wichtige berufspolitische Signale in Bezug auf eine menschliche medizinische Versorgung und gesicherte ärztliche Rahmenbedingungen aussendet und dass der Zusammenhalt der deutschen Ärzteschaft gestärkt wird. Das Programm der Arbeitstagung enthält die brennenden berufs- und gesundheitspolitischen Fragen unserer Zeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine kurzen Ausführungen zu Dresden und Sachsen mögen auch dazu beitragen, dass Sie, die Gäste des 113. Deutschen Ärztetages, wiederkommen, um die Schönheit und Eleganz von „Elbflorenz“ und von Sachsen näher kennenzulernen. Erich Kästner schreibt in seinem Buch „Emil und die Detektive“: „Wenn es zutreffen sollte, dass ich nicht nur weiß, was schlimm und hässlich, sondern auch was schön ist, so verdanke ich diese Gabe dem Glück, in Dresden aufgewachsen zu sein.“ Und Umberto Eco stellt fest: „Die Dresdner fragen einen gar nicht, ob einem die Stadt gefällt. Sie sagen es einem.“

Für die kommenden vier Tage gilt erst einmal: Seien Sie unsere Gäste, genießen Sie diese Stadt, genießen Sie die sächsische Gastfreundschaft. Herzlich willkommen im Florenz des Nordens zum 113. Deutschen Ärztetag!

Vielen Dank.

(Beifall)

© Bundesärztekammer 2010