Prof. Dr. Dr. h. c.
Jörg-Dietrich Hoppe: Meine Damen und Herren, wir kommen zur Verleihung der Paracelsus-Medaille der deutschen
Ärzteschaft. Auf Beschluss des Vorstands der Bundesärztekammer, der auf dem
Deutschen Ärztetag zu verkünden ist, werden jährlich mit der
Paracelsus-Medaille Ärztinnen und Ärzte ausgezeichnet, die sich durch
erfolgreiche berufsständische Arbeit, vorbildliche ärztliche Haltung oder hervorragende
wissenschaftliche Leistungen besondere Verdienste um das Ansehen der
Ärzteschaft erworben haben.
Der Vorstand der Bundesärztekammer
beschloss im Dezember 2009, auf dem
113. Deutschen Ärztetag mit der Paracelsus-Medaille auszuzeichnen: Herrn Professor
Dr. med. Albrecht Encke, Herrn Professor Dr. med. Klaus Hupe, Herrn Dr. med.
Alfred Möhrle und Herrn Professor Dr. med. Eduard Seidler.
Ich bitte die Herren auf die Bühne.
(Beifall)
Die Verleihungsurkunden haben
folgenden Wortlaut:
Der Vorstand der
Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft
hochverdienten Albrecht Encke in
Frankfurt, Prof. Dr. med., Facharzt für Chirurgie, die Paracelsus-Medaille der
deutschen Ärzteschaft.
Die deutschen Ärztinnen und
Ärzte ehren in Albrecht Encke einen Arzt, der sich in seiner langjährigen
klinischen und wissenschaftlichen Tätigkeit sowie mit seinem ehrenamtlichen
Engagement herausragende Verdienste um das deutsche Gesundheitswesen und die
Ärzteschaft erworben hat. Er zählt zu den führenden Vertretern des Faches
Chirurgie in Deutschland und leitete 23 Jahre lang die Klinik für Allgemein-
und Gefäßchirurgie der Universität Frankfurt am Main. Besonders hervorzuheben
ist sein Einsatz für die evidenzbasierte Medizin und eine qualitativ
hochwertige Patientenversorgung. Viele Jahre bekleidete er das Amt des
Präsidenten der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen
Fachgesellschaften (AWMF). Encke hat sich um die ärztliche Versorgung der
Bevölkerung, das Gesundheitswesen, die ärztliche Selbstverwaltung und um das
Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient
gemacht.
Albert Encke wurde am 24. Juni
1935 in Remscheid als ältestes von vier Kindern des Internisten Bernhard Encke
und seiner Ehefrau Margret geboren. Er stammt aus einer Arztfamilie: Sein
Großvater väterlicherseits war Psychiater, Groß- und Urgroßvater
mütterlicherseits praktische Ärzte. Einer seiner Brüder ist Internist. Nach der
Abiturprüfung, die er 1955 in Remscheid ablegte, schrieb er sich für das Fach
Humanmedizin ein. Er studierte in Freiburg, Tübingen, Wien und Köln. Sein
Studium beendete er 1961 mit der Note „sehr gut“. Im gleichen Jahr wurde er an
der Universität zu Köln zum Dr. med. promoviert. Seine Dissertationsarbeit
„Schädelnähte unter normalen und pathologischen Verhältnissen“ entstand an der
dortigen neurochirurgischen Universitätsklinik unter Leitung von Professor
Tönnis.
Nach der Promotion folgte in
den Jahren 1961 und 1962 ein USA-Aufenthalt in New Jersey. Zunächst absolvierte
er durch Vermittlung der Ventnor Foundation ein Rotating Internship im
Muhlenberg Hospital in Plainfield, anschließend arbeitete er sechs Monate als
Staff Physician im Greystone State Hospital in Morristown. Während dieser Zeit
reifte in ihm die Entscheidung, nicht Internist, sondern Chirurg zu werden.
Zurück in Deutschland erhielt er 1964 die Approbation als Arzt und in
Anerkennung seiner Leistungen ein Stipendium der Deutschen
Forschungsgemeinschaft. Diese Förderung ermöglichte ihm ausführliche
Forschungsarbeiten zum Thema Blutgerinnung bei seinem damaligen Tutor Professor
Hanns Gotthard Lasch, Medizinische Klinik der Universität Heidelberg. Ein Jahr
später trat er eine Assistentenstelle an der Chirurgischen Universitätsklinik
Heidelberg an. Die Einrichtung wurde seinerzeit von Professor Fritz Linder
geleitet, der für den jungen Arzt zum klinischen und wissenschaftlichen Lehrer
und – ebenso wie Lasch – zu einem wichtigen Vorbild wurde. Seine
Facharztprüfung legte Encke 1970 ab und erhielt die Venia Legendi für das Fach
Chirurgie. Das Thema seiner Habilitationsschrift lautete: „Disseminierte
intravasale Gerinnung in der Chirurgie“. Im Mai 1971 wurde er zum Oberarzt,
wenig später zum leitenden Oberarzt ernannt. Im Jahr 1974 wurde er außerplanmäßiger
Professor, 1979 schließlich Lehrstuhlinhaber für das Fach Chirurgie an der
Universität in Frankfurt am Main. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2002
leitete er die dortige Klinik für Allgemein- und Gefäßchirurgie. Einen Ruf auf
eine C4-Professur in Düsseldorf 1985 lehnte er ab.
Während seiner Tätigkeit in
Frankfurt hat Encke Maßstäbe gesetzt und die chirurgische Universitätsklinik zu
einem anerkannten Zentrum ausgebaut. Im Jahr 1986 fand unter seiner Leitung die
erste Lebertransplantation in Frankfurt statt. Zu seinen klinischen und
wissenschaftlichen Schwerpunkten zählten neben der Leberchirurgie die
chirurgische Pathophysiologie und Intensivmedizin, Blutgerinnung und
Fibrinolyse sowie die chirurgische Onkologie und Gastroenterologie. Eine regelmäßige
Fort- und Weiterbildung waren für ihn immer eine Selbstverständlichkeit. So
erwarb er unter anderem die Schwerpunktbezeichnungen „Gefäßchirurgie“ und
„Viszeralchirurgie“. Er wirkte außerdem an der Organisation zahlreicher
Fortbildungen mit und fungierte bei vielen Veranstaltungen als Referent. Er
gehörte dem Sektionsvorstand „Chirurgie“ der Akademie für ärztliche Weiter- und
Fortbildung der Landesärztekammer Hessen in Bad Nauheim an.
Encke erkannte schon früh,
dass – angesichts des rasant wachsenden medizinischen Wissens - nicht nur das
lebenslange Lernen, sondern auch das evidenzbasierte Vorgehen für das ärztliche
Handeln unverzichtbar ist. Dieser Einsatz für eine qualitativ hochwertige
Patientenversorgung prägte auch seine Amtszeit als Präsident der Deutschen
Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) in den Jahren 1999/2000. Herausragende
Verdienste hat er sich aber vor allem als Präsident der Arbeitsgemeinschaft der
Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften erworben. In dieser Zeit
hat er Bahnbrechendes geleistet. Zwei Merkmale prägten im Wesentlichen seine
Amtszeit von 2001 bis 2009: sein klares Eintreten für wissenschaftlich
objektivierbare Fakten und sein Bemühen um ein Arbeiten im Konsens. Respekt
verschaffte er sich dabei vor allem durch sein fachlich fundiertes Vorgehen und
seine persönliche Integrität. Die AWMF hat unter seiner Leitung an Bedeutung
gewonnen und ist als Institution für die Entwicklung medizinischer Leitlinien
nicht mehr wegzudenken. Die Akzeptanz in der Ärzteschaft für ein evidenzbasiertes
Vorgehen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen – nicht zuletzt, weil
die Transparenz für Encke und seine Mitstreiter immer ganz oben auf der Agenda
stand. Für mehr Transparenz setzte er sich auch in der Forschung selbst ein und
forderte die Einrichtung eines öffentlich zugänglichen Registers für klinische
Studien. Darüber hinaus engagierte er sich im Deutschen Netzwerk für
Evidenzbasierte Medizin.
Encke fühlte sich aber nicht
nur der Tätigkeit als Arzt und Forscher verpflichtet, sondern engagierte sich
auch in der ärztlichen Selbstverwaltung. Als Gutachter und Prüfer wirkte er für
die Landesärztekammer Hessen in den Bereichen „Chirurgie“, „Viszeralchirurgie“
und „Chirurgische Intensivmedizin“ sowie als Prüfungsvorsitzender für die
„Operativen Gebiete“. Nach wie vor ist er Mitglied der Weiterbildungskommission
und der Delegiertenversammlung der Landesärztekammer Hessen. Darüber hinaus
hatte er zahlreiche weitere Ämter inne. So war er unter anderem Präsident der
Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivmedizin. Auch für die
medizinische Ausbildung setzte er sich ein – als engagierter Hochschullehrer
und Prodekan der Medizinischen Fakultät der Universität Frankfurt. Auf
internationaler Ebene fungierte er als Präsident der International Federation
of Surgical Colleges.
Intensiv befasste er sich auch
mit ethischen Fragestellungen. Seit 2001 ist er Mitglied in der Kommission
„Lebendspende“ der Landesärztekammer Hessen. Auch die Themen Palliativmedizin
und Sterbebegleitung waren für den Chirurgen wichtige Anliegen. Er ist
Mitbegründer des Hospizvereines St. Katharina in Frankfurt am Main. Maßgeblich
war es seinem Engagement zu verdanken, dass im Jahr 2005 die stationäre
Hospizeinrichtung St. Katharina mit zunächst neun, später dreizehn Plätzen
eröffnet wurde.
Für seinen Einsatz erhielt er
viele Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz am Bande, die
Adolf-Schmidt-Medaille des Medizinischen Fakultätentages, den
Rudolph-Zenker-Preis der DGCH und die Ehrenplakette der Landesärztekammer
Hessen in Silber. Hinzu kommen Ehrenmitgliedschaften nationaler und
internationaler Fachgesellschaften – etwa des American College of Surgeons, des
Royal College of Surgeons of England und der Deutschen Gesellschaft für Innere
Medizin. Er ist Senator auf Lebenszeit der DGCH.
Auch mit 74 Jahren ist er den
von ihm angestoßenen Projekten mit großem Engagement verbunden. So gehört er
unter anderem dem Präsidium der AWMF als Past-Präsident an. In seiner Freizeit
ist er kulturell sehr interessiert, liebt klassische Musik, Oper, Theater und
Literatur. Seit nunmehr 45 Jahren steht ihm seine Ehefrau Karin zur Seite. Er
hat zwei Töchter und einen Sohn, der ebenfalls Arzt geworden ist, sowie sechs
Enkelkinder.
Albrecht Encke hat sich
außerordentliche Verdienste um die Chirurgie und die evidenzbasierte Medizin
erworben. Die Bedeutung einer qualitativ hochwertigen Patientenversorgung hat
er früh erkannt. Sein Einsatz für die Implementierung von Leitlinien sowie sein
Engagement in der AWMF sind vorbildlich. Auch dank seines Engagements hat die
Akzeptanz des evidenzbasierten ärztlichen Handelns in den vergangenen Jahren
deutlich zugenommen. Encke hat sich um die Gesundheitsversorgung der
Bevölkerung, die deutsche Ärzteschaft und um das Gemeinwohl in herausragender
Weise verdient gemacht.
113. Deutscher Ärztetag in
Dresden, 11. Mai 2010, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident
(Beifall)
Der Vorstand der
Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft
hochverdienten Klaus Hupe in Recklinghausen,
Prof. Dr. med., Facharzt für Chirurgie, die Paracelsus-Medaille der deutschen
Ärzteschaft.
Die deutschen Ärztinnen und
Ärzte ehren in Klaus Hupe einen Arzt, der sich in einer Vielzahl von haupt- und
ehrenamtlichen Tätigkeiten herausragende Verdienste um das deutsche
Gesundheitswesen und die Ärzteschaft erworben hat. Ein besonderes Anliegen war
ihm die ärztliche Fortbildung. So war er viele Jahre Vorsitzender der Akademie
für ärztliche Fortbildung der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung
Westfalen-Lippe. Die Borkumer Fortbildungswoche entwickelte er von einer
kleinen Veranstaltung zu einem anerkannten interdisziplinären Kongress weiter.
Wichtige Impulse setzte er außerdem für die Qualitätssicherung in der Chirurgie
und somit für eine hochwertige Patientenversorgung. Hupe hat sich um die
ärztliche Versorgung der Bevölkerung, das Gesundheitswesen, die ärztliche
Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland in
hervorragender Weise verdient gemacht.
Klaus Hupe wurde am 12.
Oktober 1928 in Hannover als Sohn des kaufmännischen Direktors August Hupe und
seiner Ehefrau Erika geboren. Er wuchs dort gemeinsam mit drei Geschwistern
auf. Während des Krieges wurde er mit seinen Klassenkameraden der
Leibniz-Schule mehrfach im Rahmen der „Kinderlandverschickung“ evakuiert. Im
Alter von 14 Jahren wurde er als Flakhelfer eingesetzt. Nachdem seine Familie
in Hannover ausgebombt worden war, zog sie aufs Land – nach Adelepsen bei
Göttingen. Kurz vor Kriegsende wurde er zum Reichsarbeitsdienst eingezogen und
geriet in britische Gefangenschaft, aus der er nach zwei Monaten entlassen
wurde.
Im Wintersemester 1948/49
schrieb er sich für das Studium der Humanmedizin an der
Friedrich-Alexander-Universität zu Erlangen ein, wo er 1954 erfolgreich das
Staatsexamen ablegte. Zum Dr. med. wurde er noch im gleichen Jahr promoviert.
Seine Dissertationsarbeit mit dem Titel „Die Hüftkopfnekrose im Anschluss an
eine mediale Schenkelhalsfraktur“ entstand unter Leitung von Professor Denecke,
Chirurgische Universitätsklinik Erlangen. Es folgte der Berufseinstieg als
Pflichtassistent in der chirurgischen Abteilung des Friederikenstifts in
Hannover. Danach arbeitete er ab 1955 an der Universität Bonn – davon drei
Jahre am Pathologischen Institut und ein Jahr in der Medizinischen
Universitätsklinik. Seine eigentliche chirurgische Weiterbildung begann er 1959
an der Universitätsklinik Marburg. Dieser Schritt prägte ihn nachhaltig, denn
der damalige Klinikleiter Professor Schwaiger war für ihn ein wichtiges Vorbild.
Nicht nur das chirurgische Wissen seines Lehrers, sondern auch dessen Umgang
mit den Sorgen und Nöten der Patienten haben Hupes ärztliches Wirken
beeinflusst. Im Jahr 1966 legte er die Prüfung zum Facharzt für Chirurgie ab
und wurde Oberarzt. Ein Jahr später erteilte ihm die Phillips-Universität
Marburg die Venia Legendi für das Fach Chirurgie. Seine Habilitationsschrift
hatte das Thema „Klinische und tierexperimentelle Untersuchungen zur
Fettembolie“. 1971 wurde er durch den hessischen Ministerpräsidenten zum
Professor ernannt. Von Dezember 1969 bis zu seiner Pensionierung 1993 war er
Chefarzt der Allgemeinen Chirurgischen Abteilung der Paracelsus-Klinik in Marl
und von 1985 bis 1993 Ärztlicher Direktor der Klinik. Sein Name steht für
Kontinuität und eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung. Als Arzt
und Hochschullehrer genoss er hohes Ansehen – gleichermaßen bei seinen
Patienten und den ihm anvertrauten Schülern. Mit seinem sachlichen Urteil,
seinem fachlichen Können und seiner unerschöpflichen Ausdauer verschaffte er
sich großen Respekt.
Hupe setzte sich mit großem
Einsatz sowohl für seine Patienten als auch für die Belange seiner Kollegen
ein. Er engagierte sich über Jahrzehnte in zentralen Bereichen der ärztlichen
Selbstverwaltung. Dabei war die ärztliche Fortbildung für ihn immer eine
besondere Herzensangelegenheit. Lange bevor der Nachweis von
Fortbildungspunkten gesetzlich vorgeschrieben wurde, erkannte er, wie wichtig
es ist, dass Ärzte mit ihrem Wissen stets auf dem aktuellen Stand sind. Viele
Jahre organisierte er Veranstaltungen auf regionaler Ebene – im
Verwaltungsbezirk Recklinghausen der Ärztekammer Westfalen-Lippe sowie im
Ärzteverein Recklinghausen. Das brachte ihm viel Anerkennung ein, sodass er
1980 zum stellvertretenden Vorsitzenden der Akademie für ärztliche Fortbildung
der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe gewählt
wurde. Von 1982 bis 1995 hatte er das Amt des Vorsitzenden der
Fortbildungsakademie inne. Mit außergewöhnlichem persönlichen Einsatz hat er
die ärztliche Fortbildung in Westfalen-Lippe gestaltet und geprägt. Die wohl
bekannteste Veranstaltung, an deren Konzeption er maßgeblich beteiligt war, ist
die Borkumer Fortbildungswoche. Ihm ist es zu verdanken, dass sich diese von
einer kleinen Veranstaltung zu einem bundesweit anerkannten, interdisziplinären
Kongress mit inzwischen mehr als 2 000 Teilnehmern entwickelt hat.
Dass er ein Arzt mit Weitblick
ist, stellte er nicht nur durch sein Interesse an der ärztlichen Fortbildung
unter Beweis, die er angesichts der enormen Fortschritte in der Medizin als
unerlässlich ansah. So erkannte er ebenfalls schon früh die Bedeutung der
Qualitätssicherung in der Medizin und trug zu deren Akzeptanz bei. Von 1991 bis
2001 setzte er wichtige Impulse als Vorsitzender des Arbeitskreises „Chirurgie“
der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Die Erfahrungen dieses Arbeitskreises im
Bereich der Qualitätssicherung stießen auf bundesweites Interesse. Das Vorgehen
in Westfalen-Lippe wurde für viele andere Kammern zum Vorbild. Freunde und
Kollegen beschreiben Hupe als „kurz, knapp und präzise“, also typisch
chirurgisch. Wenn er sich für ein Projekt oder ein Anliegen engagierte, dann
stellte er immer die Sache, nie die eigene Person in den Vordergrund – eine
Eigenschaft, die man an ihm sehr schätzt. Mit seinem Einsatz in den
wesentlichen Feldern der ärztlichen Selbstverwaltung steht er für
Verlässlichkeit und Kontinuität. Von 1978 bis 2003 war er in der
Gutachterkommission für ärztliche Haftpflichtfragen bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe
tätig. In besonderem Maße setzte er sich für eine qualitativ hochwertige
ärztliche Weiterbildung ein. Als engagierter Chef und
Weiterbildungsermächtigter begleitete er eine Vielzahl von jungen Ärzten auf
ihrem Weg zur Facharztprüfung. Seine umfassende Erfahrung und sein profundes
Wissen auf dem Gebiet der Chirurgie brachte er über viele Jahre auch im
Weiterbildungswesen der Kammer Westfalen-Lippe ein: Von 1981 bis 1993 fungierte
er als Fachbegutachter und Prüfer.
Auf verbandspolitischer Ebene
war er im Berufsverband Deutscher Chirurgen aktiv. Von 1982 bis 1994 hatte er
das Amt des Vorsitzenden des Landesverbandes Westfalen-Lippe inne. Ehrenamtlich
engagierte er sich darüber hinaus im ärztlichen Vorstand des Vereins zur
Beratung bei Blutungserkrankungen, Marl.
Für seinen vielfältigen,
unermüdlichen und erfolgreichen Einsatz erhielt er zahlreiche Auszeichnungen,
darunter die Ernst-von-Bergmann-Plakette der Bundesärztekammer, den Silbernen
Ehrenbecher und die Goldene Ehrennadel der Ärztekammer Westfalen-Lippe sowie
das Bundesverdienstkreuz am Bande. Er ist Ehrenvorsitzender der Akademie für
ärztliche Fortbildung der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung
Westfalen-Lippe. Auch mit nunmehr 81 Jahren geht Hupe vielfältigen Aktivitäten
nach. Regelmäßig nimmt er an den Vorstandssitzungen der Akademie für ärztliche
Fortbildung teil. Die Borkumer Fortbildungswoche besucht er weiterhin mit
großem Interesse. Als Musikliebhaber ist er an der Organisation zahlreicher
klassischer Konzerte beteiligt. Sportlich betätigt er sich beim Golfen. Ab 1959
stand ihm seine Ehefrau Inge zur Seite, mit der er drei gemeinsame Kinder hat.
Nach ihrem Tod heiratete er im Jahr 2003 erneut. Zusammen mit den Töchtern
seiner zweiten Ehefrau Christa hat er fünf Kinder und neun Enkel.
Klaus Hupe hat sich mit seinem
langjährigen Engagement in der ärztlichen Selbstverwaltung sowie mit seiner
Tätigkeit als Chirurg außerordentliche Verdienste erworben. Die Bedeutung des
lebenslangen Lernens in der Medizin erkannte er schon früh, wie sein
weitsichtiger Einsatz für die ärztliche Fortbildung untermauert. Mehr als
vorbildlich ist auch sein Eintreten für die Qualitätssicherung in der
Chirurgie. Klaus Hupe hat sich um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung,
die deutsche Ärzteschaft und um das Gemeinwohl in herausragender Weise verdient
gemacht.
113. Deutscher Ärztetag in
Dresden, 11. Mai 2010, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident
(Beifall)
Der Vorstand der
Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft
hochverdienten Alfred Möhrle in
Frankfurt, Dr. med., Facharzt für Orthopädie sowie Physikalische und
Rehabilitative Medizin, die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.
Die deutschen Ärztinnen und
Ärzte ehren in Alfred Möhrle einen Arzt, der sich in seinem langjährigen
aktiven Berufsleben sowie mit seinem berufspolitischen und ehrenamtlichen
Engagement herausragende Verdienste um das deutsche Gesundheitswesen und die
Ärzteschaft erworben hat. Zwölf Jahre lang war er Präsident der
Landesärztekammer Hessen. Aber auch in zahlreichen Gremien der
Bundesärztekammer setzte er Akzente – unter anderem als Vorsitzender des
Ausschusses „Gebührenordnung“. Sein besonderer Einsatz galt ebenfalls der
Weiter- und Fortbildung sowie dem Thema Qualitätssicherung. Darüber hinaus
engagierte er sich viele Jahre als Präsident der Deutschen Gesellschaft für
Manuelle Medizin. Möhrle hat sich um die ärztliche Versorgung der Bevölkerung,
das Gesundheitswesen, die ärztliche Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl in
der Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.
Alfred Möhrle wurde am 23. Mai
1939 in Frankfurt am Main als einziger Sohn des praktischen Arztes Alfred
Möhrle und seiner Ehefrau Hildegard geboren. Nachdem er 1958 die Abiturprüfung
abgelegt hatte, schrieb er sich in seiner Heimatstadt für das Studium der
Humanmedizin ein. Nach dem Staatsexamen 1964 war er als Medizinalassistent
tätig, 1966 erfolgte die Approbation als Arzt. Im gleichen Jahr nahm er eine
Stelle als Assistenzarzt in der chirurgischen Abteilung des St.
Marienkrankenhauses in Hofheim an. Nachdem er den Wehrdienst als Truppenarzt in
Koblenz absolviert hatte, wechselte er 1968 in die Orthopädie des Städtischen
Krankenhauses Frankfurt-Höchst. Prägend war in dieser Zeit sicherlich für ihn
die Begegnung mit seinem Chef und Mentor Dr. Wolfgang Bechtoldt, unter dem er
später als Erster Oberarzt arbeitete. Während seiner Weiterbildung erlangte Möhrle
eine hohe fachliche Kompetenz und auch für die Forschung interessierte er sich.
Zum Dr. med. wurde er 1968 durch die medizinische Fakultät der Universität
Gießen promoviert. Seine Dissertationsarbeit „Fieber als Ausdruck der
Jarisch-Herxheimer-Reaktion bei der Penicillinbehandlung der Lues“ entstand in
der Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten des Zentrallazaretts der
Bundeswehr in Koblenz unter Leitung von Oberstarzt Professor Heinke. Möhrle
erwarb während seiner ärztlichen Tätigkeit eine Vielzahl von Qualifikationen:
1971 legte er die Prüfung zum Facharzt für Orthopädie ab. Die Fachkunde
Arbeitsmedizin erhielt er im Jahr 1976. Es folgten die Zusatzbezeichnungen
„Chirotherapie“ und „Physikalische Therapie“, 1996 der Facharzt für
„Physikalische und Rehabilitative Medizin“. 1974 ließ er sich als Orthopäde in
Bad Soden nieder. 1993 gründete er eine Praxisgemeinschaft mit seinem Kollegen
Dr. Bremer. In dieser war er bis zum Jahr 2007 für seine Patienten da – ab 2002
gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Rosendahl.
Schon in der Zeit als
Krankenhausarzt begann Möhrle, sich für die Belange seiner Kolleginnen und
Kollegen einzusetzen. Eine wichtige Vorbildfunktion dürfte dabei sein
geschätzter Lehrer Dr. Bechtoldt gehabt haben, der sich im Marburger Bund (MB)
engagierte und später Präsident der Landesärztekammer Hessen war. So wurde auch
Möhrles berufspolitische Heimat der MB. 1972 wurde er zum zweiten Vorsitzenden
des Landesverbandes Hessen gewählt, ein Jahr später zum ersten Vorsitzenden.
Bereits in den 70er-Jahren arbeitete er zudem in zahlreichen Gremien der
Landesärztekammer Hessen mit – etwa als Mitglied der Delegiertenversammlung und
des Präsidiums der Kammer.
Möhrles Engagement in der
ärztlichen Berufs- und Standespolitik war nicht nur richtungsweisend, sondern
von vorbildlicher Kontinuität geprägt. Sein Einsatz ging weit über das übliche
Maß hinaus, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass die Liste der Gremien, in
denen er mitwirkte, enorm ist. Erwähnt sei hier besonders sein Einsatz für die
Weiter- und Fortbildung. So war er über viele Jahre Mitglied des
Weiterbildungsausschusses und des Prüfungsausschusses für das Gebiet
„Orthopädie“ sowie des Weiterbildungsausschusses für den Bereich
„Chirotherapie“ der Landesärztekammer Hessen. Er wirkte in der Akademie für
ärztliche Fortbildung und Weiterbildung mit und war Vorsitzender des Vorstandes
der „Bad Nauheimer Gespräche“. Auch dem Aufsichtsausschuss beziehungsweise -rat
des Versorgungswerkes gehörte er an und bekleidete viele Jahre das Amt des
Vorsitzenden dieser Gremien. In der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen war er
unter anderem als Mitglied der Abgeordnetenversammlung und verschiedener
Kommissionen aktiv.
Mit großem Einsatz und
Standhaftigkeit hat Möhrle die Belange seiner Kollegen über viele Jahre
vertreten. Dabei war er stets ein Mann, der niemandem nach dem Mund redete,
aber dennoch um Ausgleich mit anderen Meinungen bemüht war. „Bei aller
Bestimmtheit seines Auftretens behält er immer einen kühlen Kopf und erreicht
in der Regel, dass bei noch so unterschiedlichen Auffassungen Andersdenkende
nicht zu Feinden werden“, schrieb das Hessische Ärzteblatt einmal über ihn. Mit
dieser Eigenschaft erwarb er sich viel Respekt. So wurde er schließlich 1992
zum Präsidenten der Landesärztekammer Hessen gewählt – ein Amt, das er bis 2004
innehatte. In dieser Zeit war er auch Mitglied des Vorstandes der
Bundesärztekammer (BÄK) und brachte sich auf Bundesebene in eine Vielzahl von
Gremien ein – unter anderem als Mitglied der Finanzkommission, als Vorsitzender
der Ständigen Konferenz „Ärztliche Versorgungswerke und Fürsorge“ und als
stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses „Qualitätssicherung ärztlicher
Berufsausübung“. Besonders hervorzuheben ist seine Tätigkeit als Vorsitzender
des Ausschusses „Gebührenordnung“, sicher nicht immer ein einfaches Amt. Doch
Möhrle scheute sich nicht, klare Worte an Politik und Kostenträger zu richten,
und wies immer wieder darauf hin, dass eine Reform der Gebührenordnung für
Ärzte (GOÄ) überfällig sei. „Patient und Arzt haben Anspruch auf eine
medizinisch aktuelle, leistungsgerechte und in sich schlüssige Gebührentaxe“,
mahnte er auf dem 108. Deutschen Ärztetag 2005 in Berlin.
Unangenehme Themen sparte er
nicht aus. Vor allem auf dem 99. Deutschen Ärztetag 1996 in Köln setzte er sich
mutig mit der Rolle der Ärzteschaft in der NS-Zeit auseinander. Eindringlich
warnte er außerdem stets davor, dass eine Rationierung in der Medizin zur
Ausgrenzung sozial schlechter gestellter Bevölkerungsgruppen führen könne, und
machte sich damit nicht nur Freunde. Zugleich wandte er sich dagegen, das
Gesundheitswesen in Deutschland schlechtzureden. Die zunehmende Ökonomisierung
der Medizin kommentierte er kritisch, indem er nachdrücklich forderte, ein Arzt
dürfe kein „Medizin-Manager“ sein. Möhrles Engagement ging weit über die
ärztliche Selbstverwaltung hinaus. Vorbildlich ist sein Einsatz in der
Deutschen Gesellschaft für Manuelle Medizin, deren Geschicke er elf Jahre lang
als Präsident lenkte. Auch auf internationaler Ebene war sein Sachverstand gefragt.
Von 1995 bis 1998 bekleidete er das Amt des Präsidenten der Fédération Internationale de Médicine Manuelle, später das des Vizepräsidenten. Sein hohes
Ansehen war jedoch nicht auf die Ärzteschaft beschränkt. Der Rundfunkrat des
Hessischen Rundfunks, in dem er bis heute den Verband Freier Berufe in Hessen
vertritt, wählte ihn im Jahr 2005 zum Vorsitzenden. Dieses Amt hatte er bis
Ende 2008 inne. Seit 2005 ist er außerdem Mitglied des Vorstandes der
Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege.
Für sein vielfältiges,
unermüdliches und außerordentlich erfolgreiches Engagement erhielt er
zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse und
die Ehrenplakette der Landesärztekammer Hessen in Gold.
Möhrle, der mittlerweile 70
Jahre alt ist, engagiert sich nach wie vor in zahlreichen Funktionen,
beispielsweise als Mitglied der Delegiertenversammlung der Landesärztekammer
(LÄK) Hessen, Delegierter des Deutschen Ärztetages, Vorstandsmitglied des
Versorgungswerkes der LÄK Hessen und Präsidiumsmitglied des Verbandes Freier
Berufe in Hessen. Er interessiert sich außerdem für klassische Musik sowie die
Philatelie und ist sportlich sehr aktiv. Seit 47 Jahren steht ihm seine Ehefrau
Hedda zur Seite. Er hat zwei Kinder und zwei Enkel.
Alfred Möhrle hat sich mit
seinem langjährigen und umfangreichen berufs- und standespolitischen Engagement
außerordentliche Verdienste erworben. Besonders zu erwähnen ist dabei sein
Einsatz als Präsident der Landesärztekammer Hessen sowie als Vorsitzender des
Ausschusses „Gebührenordnung“ der Bundesärztekammer. Er ist ein standhafter
Kämpfer für die ärztlichen Interessen und eine qualitativ hochwertige
Patientenversorgung. Alfred Möhrle hat sich um die Gesundheitsversorgung der
Bevölkerung, die deutsche Ärzteschaft und um das Gemeinwohl in herausragender
Weise verdient gemacht.
113. Deutscher Ärztetag in
Dresden, 11. Mai 2010, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident
(Beifall)
Der Vorstand der
Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft
hochverdienten Eduard Seidler in
Freiburg, Prof. Dr. med., Medizinhistoriker und Facharzt für Kinderheilkunde,
die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.
Die deutschen Ärztinnen und
Ärzte ehren in Eduard Seidler einen Arzt, der sich in seiner langjährigen
Tätigkeit als Arzt, Wissenschaftler und Hochschullehrer sowie mit seinem
ehrenamtlichen Engagement herausragende Verdienste um das deutsche
Gesundheitswesen und die Ärzteschaft erworben hat. 27 Jahre lang wirkte er als
Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin an der Universität Freiburg.
Ein Schwerpunkt seiner Forschungsarbeit war die Rolle der Medizin zu Zeiten des
Nationalsozialismus. Dabei beschäftigte er sich insbesondere mit dem Schicksal
jüdischer Kinderärzte. Mit seinem Einsatz gegen das Vergessen hat er als
international anerkannter Wissenschaftler das Ansehen der deutschen Ärzte – und
ganz Deutschlands – nachhaltig gestärkt. Seidler hat sich um die ärztliche
Versorgung der Bevölkerung, das Gesundheitswesen, die ärztliche
Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland in
hervorragender Weise verdient gemacht.
Eduard Seidler wurde am 20.
April 1929 in Mannheim als einziger Sohn des Kaufmanns Wilhelm Seidler und
seiner Ehefrau Elisabeth geboren. Im Zweiten Weltkrieg war er als Sanitäter der
Hitlerjugend eingesetzt – zunächst während der Zerstörung seiner Heimatstadt,
später auch in Mainz. Im Herbst 1944 nahm er am Hitlerjugendeinsatz an der
Westfront teil. Prägend war für ihn die Emigration und Deportation vieler
jüdischer Freunde seiner Eltern. 1947 legte er in Mainz – damals Teil der
französischen Besatzungszone – das französische Zentralabitur ab. Im gleichen
Jahr schrieb er sich für das Fach Humanmedizin an der gerade wieder eröffneten
Universität Mainz ein. Dazu mussten die Studenten unter anderem einen Nachweis
vorlegen, sich an der Trümmerbeseitigung des Institutsgebäudes beteiligt zu
haben. Nach dem Physikum setzte er sein Studium in Paris fort. Als erster
deutscher Student nach dem Krieg wurde er an der dortigen medizinischen
Fakultät von den Studenten und Lehrenden mit Neugier und Interesse
freundschaftlich aufgenommen. Zurück in Deutschland legte er 1953 an der
Universität Heidelberg das Staatsexamen ab und wurde zum Dr. med. promoviert.
In seiner Dissertationsarbeit befasste er sich mit einem Thema aus der
klinischen Gynäkologie.
Nach Stationen am Institut für
experimentelle Krebsforschung in Heidelberg und an der Universitätsfrauenklinik
in Hamburg-Eppendorf begann er 1955 seine pädiatrische Weiterbildung bei
Professor Bamberger an der Universitätskinderklinik Heidelberg. 1961 legte er
die Prüfung zum Facharzt für Kinderheilkunde ab. Neben der Pädiatrie war
Seidler aber noch von einem anderen Fach begeistert: von der Geschichte der Medizin.
Dabei lag sein Interesse nicht auf der üblichen Geschichte des medizinischen
Fortschritts. Vielmehr war ihm wichtig, welche Erklärungsmodelle verschiedene
Kulturen und Epochen für die Phänomene Gesundheit, Kranksein und Heilung
liefern. Konkret suchte er in seiner Forschung nach Antworten auf die Frage:
Warum ist die Medizin heute so, wie sie ist? Schon während er seine
Weiterbildung zum Kinderarzt absolvierte, verfasste er einige
medizinhistorische Publikationen. Ab 1961 arbeitete er parallel beim Aufbau des
Instituts für Geschichte der Medizin in Heidelberg mit – bei seinem Lehrer
Professor Schipperges. Ein Habilitationsstipendium der Deutschen
Forschungsgemeinschaft ermöglichte ihm 1963 den endgültigen Wechsel in das neue
Institut. Durch ein Begleitstudium der Geschichte erwarb er das notwendige
methodische und theoretische Rüstzeug. Darüber hinaus absolvierte er
Forschungsaufenthalte in Paris und erarbeitete eine Studie über die Heilkunde
des Mittelalters in Frankreich, mit der er sich 1965 an der Heidelberger
Universität für das Fach Geschichte der Medizin habilitierte. Mit seiner
wissenschaftlichen Arbeit hatte er sich schnell Anerkennung verschafft, sodass
er bereits 1967 zum Ordinarius für Geschichte der Medizin an der Universität
Freiburg berufen wurde. Das dortige Institut für Geschichte der Medizin leitete
er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1994. In dieser Zeit entwickelte er die
Einrichtung zu einem modernen Ort der Forschung und Lehre. Die Bilanz seines
Lebenswerkes: mehr als 250 eigene Publikationen sowie die Betreuung von 150
Promotionen und fünf Habilitationen. Derzeit sind vier Lehrstühle des Faches in
Deutschland mit ehemaligen Mitarbeitern Seidlers besetzt.
Wissenschaftlich hatte er eine
Vielzahl bedeutsamer Schwerpunkte. Dazu zählen unter anderem die Geschichte der
Kinderheilkunde, die Medizin des späten Mittelalters in Frankreich, die
Geschichte der Krankenpflege sowie der medizinischen Ausbildung und die
Sozialgeschichte der Medizin seit dem 18. Jahrhundert. Er publizierte zahlreiche
Studien zu Modellen der Arzt-Patient-Beziehung.
Zunehmend wandte er sich aber
der Zeitgeschichte zu, insbesondere der Medizin in der Weimarer Republik und im
Dritten Reich. 1984 war er maßgeblich an der Gründung der Historischen
Kommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ)
beteiligt. Im Auftrag dieser Fachgesellschaft fertigte er eine umfassende
Studie zum Schicksal jüdischer Pädiater in Deutschland und Österreich zur
NS-Zeit an. Seine Forschungsreisen führten ihn in Bibliotheken, Archive und in
Gespräche mit Zeitzeugen in ganz Deutschland, Wien, Prag, den USA und Israel.
Das umfangreiche Material über die Schicksale von mehr als 750 Ärztinnen und
Ärzten wurde in Einzelbiografien aufbereitet. In seinem Werk thematisiert Seidler
auch, wie sich die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde schuldig machte,
als sie – zwar auf Geheiß des Nazi-Regimes, aber doch bereitwillig – ihre
jüdischen Mitglieder ausschloss. Bereits 2007 erschien eine erweiterte
Neuauflage der Dokumentation „Jüdische Kinderärzte 1933-1945 –
Entrechtet/Geflohen/Ermordet“.
Seidler hatte auch
maßgeblichen Anteil an der Aufarbeitung der Vergangenheit der Medizinischen
Fakultät in Freiburg: Seine 1991 erschienene Geschichte der Medizinischen
Fakultät der Universität Freiburg ist zum Standardwerk geworden. In
Zusammenarbeit mit der Bezirksärztekammer Südbaden startete er 1997 ein
Forschungsprojekt über die badische Ärzteschaft in der Zeit des
Nationalsozialismus.
Dass er sich nicht nur der
Tätigkeit als Wissenschaftler verpflichtet fühlte, zeigt sein besonderes
Engagement für die medizinische Ausbildung. Zahlreiche Generationen von
Studierenden sensibilisierte er für die humanwissenschaftlichen Aspekte der
Medizin. Von 1971 bis 1974 fungierte er als Prorektor für Auslandsangelegenheiten
der Freiburger Universität, von 1979 bis 1981 war er Prodekan und Dekan der
medizinischen Fakultät. Auch auf internationaler Ebene war sein Wissen um das
Medizinstudium sehr gefragt: Zehn Jahre lang war er Mitglied des Advisory Committee
for the Medical Education der Europäischen Kommission in Brüssel.
Neben der Geschichte der
Medizin galt Seidlers Interesse medizinethischen Fragen. An der Universität
Freiburg wirkte er seit Ende der Siebzigerjahre am Aufbau des Lehr- und
Forschungsgebietes Ethik in der Medizin mit. In enger Abstimmung mit den
klinischen Fächern und der Rechtswissenschaft schuf er ein mittlerweile im
Klinikum angesiedeltes Kompetenzzentrum für Ethik und Recht in der Medizin. Er
war Gründungsmitglied und langjähriger Präsident der Akademie für Ethik in der
Medizin in Göttingen. Von 1983 bis 1990 wirkte er als Vorsitzender der
Ethik-Kommission der Landesärztekammer Baden-Württemberg.
Für seinen unermüdlichen
Einsatz erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz
Erster Klasse und den Otto-Heubner-Preis der DGKJ. Er ist Ehrenmitglied
zahlreicher Fachgesellschaften. Dazu zählen unter anderem die Israeli Pediatric
Association, die DGKJ und die Schweizerische Gesellschaft für Geschichte der
Medizin. Seit 1991 ist er zudem Mitglied der Deutschen Akademie der
Naturforscher Leopoldina.
Eduard Seidler hat sich
außerordentliche Verdienste um die Geschichte der Medizin und die Pädiatrie
erworben. Seine wissenschaftlichen Arbeiten zur Rolle der Ärzte im Nationalsozialismus
haben maßgeblich zur Aufarbeitung eines der dunkelsten Kapitel der deutschen
Vergangenheit beigetragen. Seinem Einsatz ist es zu verdanken, dass das
Schicksal jüdischer Ärzte und insbesondere jüdischer Pädiater nicht in
Vergessenheit geraten ist. Eduard Seidler hat sich um die Gesundheitsversorgung
der Bevölkerung, die deutsche Ärzteschaft und um das Gemeinwohl in
herausragender Weise verdient gemacht.
113. Deutscher Ärztetag in
Dresden, 11. Mai 2010, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident
(Beifall)
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