Eröffnungsveranstaltung

Dienstag, 11. Mai 2010, Vormittagssitzung

Paracelsus-MedailleProf. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe: Meine Damen und Herren, wir kommen zur Verleihung der Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft. Auf Beschluss des Vorstands der Bundesärztekammer, der auf dem Deutschen Ärztetag zu verkünden ist, werden jährlich mit der Paracelsus-Medaille Ärztinnen und Ärzte ausgezeichnet, die sich durch erfolgreiche berufsständische Arbeit, vorbildliche ärztliche Haltung oder hervorragende wissenschaftliche Leistungen besondere Verdienste um das Ansehen der Ärzteschaft erworben haben.

Der Vorstand der Bundesärztekammer beschloss im Dezember 2009, auf dem
113. Deutschen Ärztetag mit der Paracelsus-Medaille auszuzeichnen: Herrn Professor Dr. med. Albrecht Encke, Herrn Professor Dr. med. Klaus Hupe, Herrn Dr. med. Alfred Möhrle und Herrn Professor Dr. med. Eduard Seidler.

Ich bitte die Herren auf die Bühne.

(Beifall)

Die Verleihungsurkunden haben folgenden Wortlaut:

Der Vorstand der Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hochverdienten Albrecht Encke in Frankfurt, Prof. Dr. med., Facharzt für Chirurgie, die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.

Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Albrecht Encke einen Arzt, der sich in seiner langjährigen klinischen und wissenschaftlichen Tätigkeit sowie mit seinem ehrenamtlichen Engagement herausragende Verdienste um das deutsche Gesundheitswesen und die Ärzteschaft erworben hat. Er zählt zu den führenden Vertretern des Faches Chirurgie in Deutschland und leitete 23 Jahre lang die Klinik für Allgemein- und Gefäßchirurgie der Universität Frankfurt am Main. Besonders hervorzuheben ist sein Einsatz für die evidenzbasierte Medizin und eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung. Viele Jahre bekleidete er das Amt des Präsidenten der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Encke hat sich um die ärztliche Versorgung der Bevölkerung, das Gesundheitswesen, die ärztliche Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.

Albert Encke wurde am 24. Juni 1935 in Remscheid als ältestes von vier Kindern des Internisten Bernhard Encke und seiner Ehefrau Margret geboren. Er stammt aus einer Arztfamilie: Sein Großvater väterlicherseits war Psychiater, Groß- und Urgroßvater mütterlicherseits praktische Ärzte. Einer seiner Brüder ist Internist. Nach der Abiturprüfung, die er 1955 in Remscheid ablegte, schrieb er sich für das Fach Humanmedizin ein. Er studierte in Freiburg, Tübingen, Wien und Köln. Sein Studium beendete er 1961 mit der Note „sehr gut“. Im gleichen Jahr wurde er an der Universität zu Köln zum Dr. med. promoviert. Seine Dissertationsarbeit „Schädelnähte unter normalen und pathologischen Verhältnissen“ entstand an der dortigen neurochirurgischen Universitätsklinik unter Leitung von Professor Tönnis.

Nach der Promotion folgte in den Jahren 1961 und 1962 ein USA-Aufenthalt in New Jersey. Zunächst absolvierte er durch Vermittlung der Ventnor Foundation ein Rotating Internship im Muhlenberg Hospital in Plainfield, anschließend arbeitete er sechs Monate als Staff Physician im Greystone State Hospital in Morristown. Während dieser Zeit reifte in ihm die Entscheidung, nicht Internist, sondern Chirurg zu werden. Zurück in Deutschland erhielt er 1964 die Approbation als Arzt und in Anerkennung seiner Leistungen ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Diese Förderung ermöglichte ihm ausführliche Forschungsarbeiten zum Thema Blutgerinnung bei seinem damaligen Tutor Professor Hanns Gotthard Lasch, Medizinische Klinik der Universität Heidelberg. Ein Jahr später trat er eine Assistentenstelle an der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg an. Die Einrichtung wurde seinerzeit von Professor Fritz Linder geleitet, der für den jungen Arzt zum klinischen und wissenschaftlichen Lehrer und – ebenso wie Lasch – zu einem wichtigen Vorbild wurde. Seine Facharztprüfung legte Encke 1970 ab und erhielt die Venia Legendi für das Fach Chirurgie. Das Thema seiner Habilitationsschrift lautete: „Disseminierte intravasale Gerinnung in der Chirurgie“. Im Mai 1971 wurde er zum Oberarzt, wenig später zum leitenden Oberarzt ernannt. Im Jahr 1974 wurde er außerplanmäßiger Professor, 1979 schließlich Lehrstuhlinhaber für das Fach Chirurgie an der Universität in Frankfurt am Main. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2002 leitete er die dortige Klinik für Allgemein- und Gefäßchirurgie. Einen Ruf auf eine C4-Professur in Düsseldorf 1985 lehnte er ab.

Während seiner Tätigkeit in Frankfurt hat Encke Maßstäbe gesetzt und die chirurgische Universitätsklinik zu einem anerkannten Zentrum ausgebaut. Im Jahr 1986 fand unter seiner Leitung die erste Lebertransplantation in Frankfurt statt. Zu seinen klinischen und wissenschaftlichen Schwerpunkten zählten neben der Leberchirurgie die chirurgische Pathophysiologie und Intensivmedizin, Blutgerinnung und Fibrinolyse sowie die chirurgische Onkologie und Gastroenterologie. Eine regelmäßige Fort- und Weiterbildung waren für ihn immer eine Selbstverständlichkeit. So erwarb er unter anderem die Schwerpunktbezeichnungen „Gefäßchirurgie“ und „Viszeralchirurgie“. Er wirkte außerdem an der Organisation zahlreicher Fortbildungen mit und fungierte bei vielen Veranstaltungen als Referent. Er gehörte dem Sektionsvorstand „Chirurgie“ der Akademie für ärztliche Weiter- und Fortbildung der Landesärztekammer Hessen in Bad Nauheim an.

Encke erkannte schon früh, dass – angesichts des rasant wachsenden medizinischen Wissens - nicht nur das lebenslange Lernen, sondern auch das evidenzbasierte Vorgehen für das ärztliche Handeln unverzichtbar ist. Dieser Einsatz für eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung prägte auch seine Amtszeit als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) in den Jahren 1999/2000. Herausragende Verdienste hat er sich aber vor allem als Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften erworben. In dieser Zeit hat er Bahnbrechendes geleistet. Zwei Merkmale prägten im Wesentlichen seine Amtszeit von 2001 bis 2009: sein klares Eintreten für wissenschaftlich objektivierbare Fakten und sein Bemühen um ein Arbeiten im Konsens. Respekt verschaffte er sich dabei vor allem durch sein fachlich fundiertes Vorgehen und seine persönliche Integrität. Die AWMF hat unter seiner Leitung an Bedeutung gewonnen und ist als Institution für die Entwicklung medizinischer Leitlinien nicht mehr wegzudenken. Die Akzeptanz in der Ärzteschaft für ein evidenzbasiertes Vorgehen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen – nicht zuletzt, weil die Transparenz für Encke und seine Mitstreiter immer ganz oben auf der Agenda stand. Für mehr Transparenz setzte er sich auch in der Forschung selbst ein und forderte die Einrichtung eines öffentlich zugänglichen Registers für klinische Studien. Darüber hinaus engagierte er sich im Deutschen Netzwerk für Evidenzbasierte Medizin.

Encke fühlte sich aber nicht nur der Tätigkeit als Arzt und Forscher verpflichtet, sondern engagierte sich auch in der ärztlichen Selbstverwaltung. Als Gutachter und Prüfer wirkte er für die Landesärztekammer Hessen in den Bereichen „Chirurgie“, „Viszeralchirurgie“ und „Chirurgische Intensivmedizin“ sowie als Prüfungsvorsitzender für die „Operativen Gebiete“. Nach wie vor ist er Mitglied der Weiterbildungskommission und der Delegiertenversammlung der Landesärztekammer Hessen. Darüber hinaus hatte er zahlreiche weitere Ämter inne. So war er unter anderem Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivmedizin. Auch für die medizinische Ausbildung setzte er sich ein – als engagierter Hochschullehrer und Prodekan der Medizinischen Fakultät der Universität Frankfurt. Auf internationaler Ebene fungierte er als Präsident der International Federation of Surgical Colleges.

Intensiv befasste er sich auch mit ethischen Fragestellungen. Seit 2001 ist er Mitglied in der Kommission „Lebendspende“ der Landesärztekammer Hessen. Auch die Themen Palliativmedizin und Sterbebegleitung waren für den Chirurgen wichtige Anliegen. Er ist Mitbegründer des Hospizvereines St. Katharina in Frankfurt am Main. Maßgeblich war es seinem Engagement zu verdanken, dass im Jahr 2005 die stationäre Hospizeinrichtung St. Katharina mit zunächst neun, später dreizehn Plätzen eröffnet wurde.

Für seinen Einsatz erhielt er viele Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz am Bande, die Adolf-Schmidt-Medaille des Medizinischen Fakultätentages, den Rudolph-Zenker-Preis der DGCH und die Ehrenplakette der Landesärztekammer Hessen in Silber. Hinzu kommen Ehrenmitgliedschaften nationaler und internationaler Fachgesellschaften – etwa des American College of Surgeons, des Royal College of Surgeons of England und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Er ist Senator auf Lebenszeit der DGCH.

Auch mit 74 Jahren ist er den von ihm angestoßenen Projekten mit großem Engagement verbunden. So gehört er unter anderem dem Präsidium der AWMF als Past-Präsident an. In seiner Freizeit ist er kulturell sehr interessiert, liebt klassische Musik, Oper, Theater und Literatur. Seit nunmehr 45 Jahren steht ihm seine Ehefrau Karin zur Seite. Er hat zwei Töchter und einen Sohn, der ebenfalls Arzt geworden ist, sowie sechs Enkelkinder.

Albrecht Encke hat sich außerordentliche Verdienste um die Chirurgie und die evidenzbasierte Medizin erworben. Die Bedeutung einer qualitativ hochwertigen Patientenversorgung hat er früh erkannt. Sein Einsatz für die Implementierung von Leitlinien sowie sein Engagement in der AWMF sind vorbildlich. Auch dank seines Engagements hat die Akzeptanz des evidenzbasierten ärztlichen Handelns in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Encke hat sich um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, die deutsche Ärzteschaft und um das Gemeinwohl in herausragender Weise verdient gemacht.

113. Deutscher Ärztetag in Dresden, 11. Mai 2010, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident

(Beifall)

 

Der Vorstand der Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hochverdienten Klaus Hupe in Recklinghausen, Prof. Dr. med., Facharzt für Chirurgie, die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.

Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Klaus Hupe einen Arzt, der sich in einer Vielzahl von haupt- und ehrenamtlichen Tätigkeiten herausragende Verdienste um das deutsche Gesundheitswesen und die Ärzteschaft erworben hat. Ein besonderes Anliegen war ihm die ärztliche Fortbildung. So war er viele Jahre Vorsitzender der Akademie für ärztliche Fortbildung der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Die Borkumer Fortbildungswoche entwickelte er von einer kleinen Veranstaltung zu einem anerkannten interdisziplinären Kongress weiter. Wichtige Impulse setzte er außerdem für die Qualitätssicherung in der Chirurgie und somit für eine hochwertige Patientenversorgung. Hupe hat sich um die ärztliche Versorgung der Bevölkerung, das Gesundheitswesen, die ärztliche Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.

Klaus Hupe wurde am 12. Oktober 1928 in Hannover als Sohn des kaufmännischen Direktors August Hupe und seiner Ehefrau Erika geboren. Er wuchs dort gemeinsam mit drei Geschwistern auf. Während des Krieges wurde er mit seinen Klassenkameraden der Leibniz-Schule mehrfach im Rahmen der „Kinderlandverschickung“ evakuiert. Im Alter von 14 Jahren wurde er als Flakhelfer eingesetzt. Nachdem seine Familie in Hannover ausgebombt worden war, zog sie aufs Land – nach Adelepsen bei Göttingen. Kurz vor Kriegsende wurde er zum Reichsarbeitsdienst eingezogen und geriet in britische Gefangenschaft, aus der er nach zwei Monaten entlassen wurde.

Im Wintersemester 1948/49 schrieb er sich für das Studium der Humanmedizin an der Friedrich-Alexander-Universität zu Erlangen ein, wo er 1954 erfolgreich das Staatsexamen ablegte. Zum Dr. med. wurde er noch im gleichen Jahr promoviert. Seine Dissertationsarbeit mit dem Titel „Die Hüftkopfnekrose im Anschluss an eine mediale Schenkelhalsfraktur“ entstand unter Leitung von Professor Denecke, Chirurgische Universitätsklinik Erlangen. Es folgte der Berufseinstieg als Pflichtassistent in der chirurgischen Abteilung des Friederikenstifts in Hannover. Danach arbeitete er ab 1955 an der Universität Bonn – davon drei Jahre am Pathologischen Institut und ein Jahr in der Medizinischen Universitätsklinik. Seine eigentliche chirurgische Weiterbildung begann er 1959 an der Universitätsklinik Marburg. Dieser Schritt prägte ihn nachhaltig, denn der damalige Klinikleiter Professor Schwaiger war für ihn ein wichtiges Vorbild. Nicht nur das chirurgische Wissen seines Lehrers, sondern auch dessen Umgang mit den Sorgen und Nöten der Patienten haben Hupes ärztliches Wirken beeinflusst. Im Jahr 1966 legte er die Prüfung zum Facharzt für Chirurgie ab und wurde Oberarzt. Ein Jahr später erteilte ihm die Phillips-Universität Marburg die Venia Legendi für das Fach Chirurgie. Seine Habilitationsschrift hatte das Thema „Klinische und tierexperimentelle Untersuchungen zur Fettembolie“. 1971 wurde er durch den hessischen Ministerpräsidenten zum Professor ernannt. Von Dezember 1969 bis zu seiner Pensionierung 1993 war er Chefarzt der Allgemeinen Chirurgischen Abteilung der Paracelsus-Klinik in Marl und von 1985 bis 1993 Ärztlicher Direktor der Klinik. Sein Name steht für Kontinuität und eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung. Als Arzt und Hochschullehrer genoss er hohes Ansehen – gleichermaßen bei seinen Patienten und den ihm anvertrauten Schülern. Mit seinem sachlichen Urteil, seinem fachlichen Können und seiner unerschöpflichen Ausdauer verschaffte er sich großen Respekt.

Hupe setzte sich mit großem Einsatz sowohl für seine Patienten als auch für die Belange seiner Kollegen ein. Er engagierte sich über Jahrzehnte in zentralen Bereichen der ärztlichen Selbstverwaltung. Dabei war die ärztliche Fortbildung für ihn immer eine besondere Herzensangelegenheit. Lange bevor der Nachweis von Fortbildungspunkten gesetzlich vorgeschrieben wurde, erkannte er, wie wichtig es ist, dass Ärzte mit ihrem Wissen stets auf dem aktuellen Stand sind. Viele Jahre organisierte er Veranstaltungen auf regionaler Ebene – im Verwaltungsbezirk Recklinghausen der Ärztekammer Westfalen-Lippe sowie im Ärzteverein Recklinghausen. Das brachte ihm viel Anerkennung ein, sodass er 1980 zum stellvertretenden Vorsitzenden der Akademie für ärztliche Fortbildung der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe gewählt wurde. Von 1982 bis 1995 hatte er das Amt des Vorsitzenden der Fortbildungsakademie inne. Mit außergewöhnlichem persönlichen Einsatz hat er die ärztliche Fortbildung in Westfalen-Lippe gestaltet und geprägt. Die wohl bekannteste Veranstaltung, an deren Konzeption er maßgeblich beteiligt war, ist die Borkumer Fortbildungswoche. Ihm ist es zu verdanken, dass sich diese von einer kleinen Veranstaltung zu einem bundesweit anerkannten, interdisziplinären Kongress mit inzwischen mehr als 2 000 Teilnehmern entwickelt hat.

Dass er ein Arzt mit Weitblick ist, stellte er nicht nur durch sein Interesse an der ärztlichen Fortbildung unter Beweis, die er angesichts der enormen Fortschritte in der Medizin als unerlässlich ansah. So erkannte er ebenfalls schon früh die Bedeutung der Qualitätssicherung in der Medizin und trug zu deren Akzeptanz bei. Von 1991 bis 2001 setzte er wichtige Impulse als Vorsitzender des Arbeitskreises „Chirurgie“ der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Die Erfahrungen dieses Arbeitskreises im Bereich der Qualitätssicherung stießen auf bundesweites Interesse. Das Vorgehen in Westfalen-Lippe wurde für viele andere Kammern zum Vorbild. Freunde und Kollegen beschreiben Hupe als „kurz, knapp und präzise“, also typisch chirurgisch. Wenn er sich für ein Projekt oder ein Anliegen engagierte, dann stellte er immer die Sache, nie die eigene Person in den Vordergrund – eine Eigenschaft, die man an ihm sehr schätzt. Mit seinem Einsatz in den wesentlichen Feldern der ärztlichen Selbstverwaltung steht er für Verlässlichkeit und Kontinuität. Von 1978 bis 2003 war er in der Gutachterkommission für ärztliche Haftpflichtfragen bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe tätig. In besonderem Maße setzte er sich für eine qualitativ hochwertige ärztliche Weiterbildung ein. Als engagierter Chef und Weiterbildungsermächtigter begleitete er eine Vielzahl von jungen Ärzten auf ihrem Weg zur Facharztprüfung. Seine umfassende Erfahrung und sein profundes Wissen auf dem Gebiet der Chirurgie brachte er über viele Jahre auch im Weiterbildungswesen der Kammer Westfalen-Lippe ein: Von 1981 bis 1993 fungierte er als Fachbegutachter und Prüfer.

Auf verbandspolitischer Ebene war er im Berufsverband Deutscher Chirurgen aktiv. Von 1982 bis 1994 hatte er das Amt des Vorsitzenden des Landesverbandes Westfalen-Lippe inne. Ehrenamtlich engagierte er sich darüber hinaus im ärztlichen Vorstand des Vereins zur Beratung bei Blutungserkrankungen, Marl.

Für seinen vielfältigen, unermüdlichen und erfolgreichen Einsatz erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter die Ernst-von-Bergmann-Plakette der Bundesärztekammer, den Silbernen Ehrenbecher und die Goldene Ehrennadel der Ärztekammer Westfalen-Lippe sowie das Bundesverdienstkreuz am Bande. Er ist Ehrenvorsitzender der Akademie für ärztliche Fortbildung der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Auch mit nunmehr 81 Jahren geht Hupe vielfältigen Aktivitäten nach. Regelmäßig nimmt er an den Vorstandssitzungen der Akademie für ärztliche Fortbildung teil. Die Borkumer Fortbildungswoche besucht er weiterhin mit großem Interesse. Als Musikliebhaber ist er an der Organisation zahlreicher klassischer Konzerte beteiligt. Sportlich betätigt er sich beim Golfen. Ab 1959 stand ihm seine Ehefrau Inge zur Seite, mit der er drei gemeinsame Kinder hat. Nach ihrem Tod heiratete er im Jahr 2003 erneut. Zusammen mit den Töchtern seiner zweiten Ehefrau Christa hat er fünf Kinder und neun Enkel.

Klaus Hupe hat sich mit seinem langjährigen Engagement in der ärztlichen Selbstverwaltung sowie mit seiner Tätigkeit als Chirurg außerordentliche Verdienste erworben. Die Bedeutung des lebenslangen Lernens in der Medizin erkannte er schon früh, wie sein weitsichtiger Einsatz für die ärztliche Fortbildung untermauert. Mehr als vorbildlich ist auch sein Eintreten für die Qualitätssicherung in der Chirurgie. Klaus Hupe hat sich um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, die deutsche Ärzteschaft und um das Gemeinwohl in herausragender Weise verdient gemacht.

113. Deutscher Ärztetag in Dresden, 11. Mai 2010, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident

(Beifall)

 

Der Vorstand der Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hochverdienten Alfred Möhrle in Frankfurt, Dr. med., Facharzt für Orthopädie sowie Physikalische und Rehabilitative Medizin, die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.

Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Alfred Möhrle einen Arzt, der sich in seinem langjährigen aktiven Berufsleben sowie mit seinem berufspolitischen und ehrenamtlichen Engagement herausragende Verdienste um das deutsche Gesundheitswesen und die Ärzteschaft erworben hat. Zwölf Jahre lang war er Präsident der Landesärztekammer Hessen. Aber auch in zahlreichen Gremien der Bundesärztekammer setzte er Akzente – unter anderem als Vorsitzender des Ausschusses „Gebührenordnung“. Sein besonderer Einsatz galt ebenfalls der Weiter- und Fortbildung sowie dem Thema Qualitätssicherung. Darüber hinaus engagierte er sich viele Jahre als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Manuelle Medizin. Möhrle hat sich um die ärztliche Versorgung der Bevölkerung, das Gesundheitswesen, die ärztliche Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.

Alfred Möhrle wurde am 23. Mai 1939 in Frankfurt am Main als einziger Sohn des praktischen Arztes Alfred Möhrle und seiner Ehefrau Hildegard geboren. Nachdem er 1958 die Abiturprüfung abgelegt hatte, schrieb er sich in seiner Heimatstadt für das Studium der Humanmedizin ein. Nach dem Staatsexamen 1964 war er als Medizinalassistent tätig, 1966 erfolgte die Approbation als Arzt. Im gleichen Jahr nahm er eine Stelle als Assistenzarzt in der chirurgischen Abteilung des St. Marienkrankenhauses in Hofheim an. Nachdem er den Wehrdienst als Truppenarzt in Koblenz absolviert hatte, wechselte er 1968 in die Orthopädie des Städtischen Krankenhauses Frankfurt-Höchst. Prägend war in dieser Zeit sicherlich für ihn die Begegnung mit seinem Chef und Mentor Dr. Wolfgang Bechtoldt, unter dem er später als Erster Oberarzt arbeitete. Während seiner Weiterbildung erlangte Möhrle eine hohe fachliche Kompetenz und auch für die Forschung interessierte er sich. Zum Dr. med. wurde er 1968 durch die medizinische Fakultät der Universität Gießen promoviert. Seine Dissertationsarbeit „Fieber als Ausdruck der Jarisch-Herxheimer-Reaktion bei der Penicillinbehandlung der Lues“ entstand in der Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten des Zentrallazaretts der Bundeswehr in Koblenz unter Leitung von Obers­­tarzt Professor Heinke. Möhrle erwarb während seiner ärztlichen Tätigkeit eine Vielzahl von Qualifikationen: 1971 legte er die Prüfung zum Facharzt für Orthopädie ab. Die Fachkunde Arbeitsmedizin erhielt er im Jahr 1976. Es folgten die Zusatzbezeichnungen „Chirotherapie“ und „Physikalische Therapie“, 1996 der Facharzt für „Physikalische und Rehabilitative Medizin“. 1974 ließ er sich als Orthopäde in Bad Soden nieder. 1993 gründete er eine Praxisgemeinschaft mit seinem Kollegen Dr. Bremer. In dieser war er bis zum Jahr 2007 für seine Patienten da – ab 2002 gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Rosendahl.

Schon in der Zeit als Krankenhausarzt begann Möhrle, sich für die Belange seiner Kolleginnen und Kollegen einzusetzen. Eine wichtige Vorbildfunktion dürfte dabei sein geschätzter Lehrer Dr. Bechtoldt gehabt haben, der sich im Marburger Bund (MB) engagierte und später Präsident der Landesärztekammer Hessen war. So wurde auch Möhrles berufspolitische Heimat der MB. 1972 wurde er zum zweiten Vorsitzenden des Landesverbandes Hessen gewählt, ein Jahr später zum ersten Vorsitzenden. Bereits in den 70er-Jahren arbeitete er zudem in zahlreichen Gremien der Landesärztekammer Hessen mit – etwa als Mitglied der Delegiertenversammlung und des Präsidiums der Kammer.

Möhrles Engagement in der ärztlichen Berufs- und Standespolitik war nicht nur richtungsweisend, sondern von vorbildlicher Kontinuität geprägt. Sein Einsatz ging weit über das übliche Maß hinaus, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass die Liste der Gremien, in denen er mitwirkte, enorm ist. Erwähnt sei hier besonders sein Einsatz für die Weiter- und Fortbildung. So war er über viele Jahre Mitglied des Weiterbildungsausschusses und des Prüfungsausschusses für das Gebiet „Orthopädie“ sowie des Weiterbildungsausschusses für den Bereich „Chirotherapie“ der Landesärztekammer Hessen. Er wirkte in der Akademie für ärztliche Fortbildung und Weiterbildung mit und war Vorsitzender des Vorstandes der „Bad Nauheimer Gespräche“. Auch dem Aufsichtsausschuss beziehungsweise -rat des Versorgungswerkes gehörte er an und bekleidete viele Jahre das Amt des Vorsitzenden dieser Gremien. In der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen war er unter anderem als Mitglied der Abgeordnetenversammlung und verschiedener Kommissionen aktiv.

Mit großem Einsatz und Standhaftigkeit hat Möhrle die Belange seiner Kollegen über viele Jahre vertreten. Dabei war er stets ein Mann, der niemandem nach dem Mund redete, aber dennoch um Ausgleich mit anderen Meinungen bemüht war. „Bei aller Bestimmtheit seines Auftretens behält er immer einen kühlen Kopf und erreicht in der Regel, dass bei noch so unterschiedlichen Auffassungen Andersdenkende nicht zu Feinden werden“, schrieb das Hessische Ärzteblatt einmal über ihn. Mit dieser Eigenschaft erwarb er sich viel Respekt. So wurde er schließlich 1992 zum Präsidenten der Landesärztekammer Hessen gewählt – ein Amt, das er bis 2004 innehatte. In dieser Zeit war er auch Mitglied des Vorstandes der Bundesärztekammer (BÄK) und brachte sich auf Bundesebene in eine Vielzahl von Gremien ein – unter anderem als Mitglied der Finanzkommission, als Vorsitzender der Ständigen Konferenz „Ärztliche Versorgungswerke und Fürsorge“ und als stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses „Qualitätssicherung ärztlicher Berufsausübung“. Besonders hervorzuheben ist seine Tätigkeit als Vorsitzender des Ausschusses „Gebührenordnung“, sicher nicht immer ein einfaches Amt. Doch Möhrle scheute sich nicht, klare Worte an Politik und Kostenträger zu richten, und wies immer wieder darauf hin, dass eine Reform der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) überfällig sei. „Patient und Arzt haben Anspruch auf eine medizinisch aktuelle, leistungsgerechte und in sich schlüssige Gebührentaxe“, mahnte er auf dem 108. Deutschen Ärztetag 2005 in Berlin.

Unangenehme Themen sparte er nicht aus. Vor allem auf dem 99. Deutschen Ärztetag 1996 in Köln setzte er sich mutig mit der Rolle der Ärzteschaft in der NS-Zeit auseinander. Eindringlich warnte er außerdem stets davor, dass eine Rationierung in der Medizin zur Ausgrenzung sozial schlechter gestellter Bevölkerungsgruppen führen könne, und machte sich damit nicht nur Freunde. Zugleich wandte er sich dagegen, das Gesundheitswesen in Deutschland schlechtzureden. Die zunehmende Ökonomisierung der Medizin kommentierte er kritisch, indem er nachdrücklich forderte, ein Arzt dürfe kein „Medizin-Manager“ sein. Möhrles Engagement ging weit über die ärztliche Selbstverwaltung hinaus. Vorbildlich ist sein Einsatz in der Deutschen Gesellschaft für Manuelle Medizin, deren Geschicke er elf Jahre lang als Präsident lenkte. Auch auf internationaler Ebene war sein Sachverstand gefragt. Von 1995 bis 1998 bekleidete er das Amt des Präsidenten der Fédération Internationale de Médicine Manuelle, später das des Vizepräsidenten. Sein hohes Ansehen war jedoch nicht auf die Ärzteschaft beschränkt. Der Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks, in dem er bis heute den Verband Freier Berufe in Hessen vertritt, wählte ihn im Jahr 2005 zum Vorsitzenden. Dieses Amt hatte er bis Ende 2008 inne. Seit 2005 ist er außerdem Mitglied des Vorstandes der Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege.

Für sein vielfältiges, unermüdliches und außerordentlich erfolgreiches Engagement erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse und die Ehrenplakette der Landesärztekammer Hessen in Gold.

Möhrle, der mittlerweile 70 Jahre alt ist, engagiert sich nach wie vor in zahlreichen Funktionen, beispielsweise als Mitglied der Delegiertenversammlung der Landesärztekammer (LÄK) Hessen, Delegierter des Deutschen Ärztetages, Vorstandsmitglied des Versorgungswerkes der LÄK Hessen und Präsidiumsmitglied des Verbandes Freier Berufe in Hessen. Er interessiert sich außerdem für klassische Musik sowie die Philatelie und ist sportlich sehr aktiv. Seit 47 Jahren steht ihm seine Ehefrau Hedda zur Seite. Er hat zwei Kinder und zwei Enkel.

Alfred Möhrle hat sich mit seinem langjährigen und umfangreichen berufs- und standespolitischen Engagement außerordentliche Verdienste erworben. Besonders zu erwähnen ist dabei sein Einsatz als Präsident der Landesärztekammer Hessen sowie als Vorsitzender des Ausschusses „Gebührenordnung“ der Bundesärztekammer. Er ist ein standhafter Kämpfer für die ärztlichen Interessen und eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung. Alfred Möhrle hat sich um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, die deutsche Ärzteschaft und um das Gemeinwohl in herausragender Weise verdient gemacht.

113. Deutscher Ärztetag in Dresden, 11. Mai 2010, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident

(Beifall)

 

Der Vorstand der Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hochverdienten Eduard Seidler in Freiburg, Prof. Dr. med., Medizinhistoriker und Facharzt für Kinderheilkunde, die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.

Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Eduard Seidler einen Arzt, der sich in seiner langjährigen Tätigkeit als Arzt, Wissenschaftler und Hochschullehrer sowie mit seinem ehrenamtlichen Engagement herausragende Verdienste um das deutsche Gesundheitswesen und die Ärzteschaft erworben hat. 27 Jahre lang wirkte er als Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin an der Universität Freiburg. Ein Schwerpunkt seiner Forschungsarbeit war die Rolle der Medizin zu Zeiten des Nationalsozialismus. Dabei beschäftigte er sich insbesondere mit dem Schicksal jüdischer Kinderärzte. Mit seinem Einsatz gegen das Vergessen hat er als international anerkannter Wissenschaftler das Ansehen der deutschen Ärzte – und ganz Deutschlands – nachhaltig gestärkt. Seidler hat sich um die ärztliche Versorgung der Bevölkerung, das Gesundheitswesen, die ärztliche Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.

Eduard Seidler wurde am 20. April 1929 in Mannheim als einziger Sohn des Kaufmanns Wilhelm Seidler und seiner Ehefrau Elisabeth geboren. Im Zweiten Weltkrieg war er als Sanitäter der Hitlerjugend eingesetzt – zunächst während der Zerstörung seiner Heimatstadt, später auch in Mainz. Im Herbst 1944 nahm er am Hitlerjugendeinsatz an der Westfront teil. Prägend war für ihn die Emigration und Deportation vieler jüdischer Freunde seiner Eltern. 1947 legte er in Mainz – damals Teil der französischen Besatzungszone – das französische Zentralabitur ab. Im gleichen Jahr schrieb er sich für das Fach Humanmedizin an der gerade wieder eröffneten Universität Mainz ein. Dazu mussten die Studenten unter anderem einen Nachweis vorlegen, sich an der Trümmerbeseitigung des Institutsgebäudes beteiligt zu haben. Nach dem Physikum setzte er sein Studium in Paris fort. Als erster deutscher Student nach dem Krieg wurde er an der dortigen medizinischen Fakultät von den Studenten und Lehrenden mit Neugier und Interesse freundschaftlich aufgenommen. Zurück in Deutschland legte er 1953 an der Universität Heidelberg das Staatsexamen ab und wurde zum Dr. med. promoviert. In seiner Dissertationsarbeit befasste er sich mit einem Thema aus der klinischen Gynäkologie.

Nach Stationen am Institut für experimentelle Krebsforschung in Heidelberg und an der Universitätsfrauenklinik in Hamburg-Eppendorf begann er 1955 seine pädiatrische Weiterbildung bei Professor Bamberger an der Universitätskinderklinik Heidelberg. 1961 legte er die Prüfung zum Facharzt für Kinderheilkunde ab. Neben der Pädiatrie war Seidler aber noch von einem anderen Fach begeistert: von der Geschichte der Medizin. Dabei lag sein Interesse nicht auf der üblichen Geschichte des medizinischen Fortschritts. Vielmehr war ihm wichtig, welche Erklärungsmodelle verschiedene Kulturen und Epochen für die Phänomene Gesundheit, Kranksein und Heilung liefern. Konkret suchte er in seiner Forschung nach Antworten auf die Frage: Warum ist die Medizin heute so, wie sie ist? Schon während er seine Weiterbildung zum Kinderarzt absolvierte, verfasste er einige medizinhistorische Publikationen. Ab 1961 arbeitete er parallel beim Aufbau des Instituts für Geschichte der Medizin in Heidelberg mit – bei seinem Lehrer Professor Schipperges. Ein Habilitationsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft ermöglichte ihm 1963 den endgültigen Wechsel in das neue Institut. Durch ein Begleitstudium der Geschichte erwarb er das notwendige methodische und theoretische Rüstzeug. Darüber hinaus absolvierte er Forschungsaufenthalte in Paris und erarbeitete eine Studie über die Heilkunde des Mittelalters in Frankreich, mit der er sich 1965 an der Heidelberger Universität für das Fach Geschichte der Medizin habilitierte. Mit seiner wissenschaftlichen Arbeit hatte er sich schnell Anerkennung verschafft, sodass er bereits 1967 zum Ordinarius für Geschichte der Medizin an der Universität Freiburg berufen wurde. Das dortige Institut für Geschichte der Medizin leitete er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1994. In dieser Zeit entwickelte er die Einrichtung zu einem modernen Ort der Forschung und Lehre. Die Bilanz seines Lebenswerkes: mehr als 250 eigene Publikationen sowie die Betreuung von 150 Promotionen und fünf Habilitationen. Derzeit sind vier Lehrstühle des Faches in Deutschland mit ehemaligen Mitarbeitern Seidlers besetzt.

Wissenschaftlich hatte er eine Vielzahl bedeutsamer Schwerpunkte. Dazu zählen unter anderem die Geschichte der Kinderheilkunde, die Medizin des späten Mittelalters in Frankreich, die Geschichte der Krankenpflege sowie der medizinischen Ausbildung und die Sozialgeschichte der Medizin seit dem 18. Jahrhundert. Er publizierte zahlreiche Studien zu Modellen der Arzt-Patient-Beziehung.

Zunehmend wandte er sich aber der Zeitgeschichte zu, insbesondere der Medizin in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. 1984 war er maßgeblich an der Gründung der Historischen Kommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) beteiligt. Im Auftrag dieser Fachgesellschaft fertigte er eine umfassende Studie zum Schicksal jüdischer Pädiater in Deutschland und Österreich zur NS-Zeit an. Seine Forschungsreisen führten ihn in Bibliotheken, Archive und in Gespräche mit Zeitzeugen in ganz Deutschland, Wien, Prag, den USA und Israel. Das umfangreiche Material über die Schicksale von mehr als 750 Ärztinnen und Ärzten wurde in Einzelbiografien aufbereitet. In seinem Werk thematisiert Seidler auch, wie sich die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde schuldig machte, als sie – zwar auf Geheiß des Nazi-Regimes, aber doch bereitwillig – ihre jüdischen Mitglieder ausschloss. Bereits 2007 erschien eine erweiterte Neuauflage der Dokumentation „Jüdische Kinderärzte 1933-1945 – Entrechtet/Geflohen/Ermordet“.

Seidler hatte auch maßgeblichen Anteil an der Aufarbeitung der Vergangenheit der Medizinischen Fakultät in Freiburg: Seine 1991 erschienene Geschichte der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg ist zum Standardwerk geworden. In Zusammenarbeit mit der Bezirksärztekammer Südbaden startete er 1997 ein Forschungsprojekt über die badische Ärzteschaft in der Zeit des Nationalsozialismus.

Dass er sich nicht nur der Tätigkeit als Wissenschaftler verpflichtet fühlte, zeigt sein besonderes Engagement für die medizinische Ausbildung. Zahlreiche Generationen von Studierenden sensibilisierte er für die humanwissenschaftlichen Aspekte der Medizin. Von 1971 bis 1974 fungierte er als Prorektor für Auslandsangelegenheiten der Freiburger Universität, von 1979 bis 1981 war er Prodekan und Dekan der medizinischen Fakultät. Auch auf internationaler Ebene war sein Wissen um das Medizinstudium sehr gefragt: Zehn Jahre lang war er Mitglied des Advisory Committee for the Medical Education der Europäischen Kommission in Brüssel.

Neben der Geschichte der Medizin galt Seidlers Interesse medizinethischen Fragen. An der Universität Freiburg wirkte er seit Ende der Siebzigerjahre am Aufbau des Lehr- und Forschungsgebietes Ethik in der Medizin mit. In enger Abstimmung mit den klinischen Fächern und der Rechtswissenschaft schuf er ein mittlerweile im Klinikum angesiedeltes Kompetenzzentrum für Ethik und Recht in der Medizin. Er war Gründungsmitglied und langjähriger Präsident der Akademie für Ethik in der Medizin in Göttingen. Von 1983 bis 1990 wirkte er als Vorsitzender der Ethik-Kommission der Landesärztekammer Baden-Württemberg.

Für seinen unermüdlichen Einsatz erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse und den Otto-Heubner-Preis der DGKJ. Er ist Ehrenmitglied zahlreicher Fachgesellschaften. Dazu zählen unter anderem die Israeli Pediatric Association, die DGKJ und die Schweizerische Gesellschaft für Geschichte der Medizin. Seit 1991 ist er zudem Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina.

Eduard Seidler hat sich außerordentliche Verdienste um die Geschichte der Medizin und die Pädiatrie erworben. Seine wissenschaftlichen Arbeiten zur Rolle der Ärzte im Nationalsozialismus haben maßgeblich zur Aufarbeitung eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Vergangenheit beigetragen. Seinem Einsatz ist es zu verdanken, dass das Schicksal jüdischer Ärzte und insbesondere jüdischer Pädiater nicht in Vergessenheit geraten ist. Eduard Seidler hat sich um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, die deutsche Ärzteschaft und um das Gemeinwohl in herausragender Weise verdient gemacht.

113. Deutscher Ärztetag in Dresden, 11. Mai 2010, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident

(Beifall)

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