TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

Dienstag, 11. Mai 2010, Nachmittagssitzung

Dr. Albring, Niedersachsen: Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Unsere Solidarität gilt ja den Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern, die für eine leistungsgerechte Honorierung ihrer Arbeit kämpfen. Aber ich möchte heute das Augenmerk auf eine andere Spezies lenken, und zwar auf die Spezies Belegarzt, der neben seiner Praxistätigkeit auch im Krankenhaus arbeitet und dort in vielen Flächenstaaten die Versorgung gewährleistet.

Insbesondere möchte ich Ihnen den geburtshilflichen Belegarzt nahebringen. Dieser ist vom Aussterben bedroht. Die Haftpflichtprämien sind von einem Jahr aufs andere auf fast das Doppelte gestiegen. Sie betragen jetzt 29 000 Euro pro Jahr. Seit dem Jahr 2000 ist eine Steigerung um 340 Prozent zu verzeichnen.

Was ist die Ursache? Die Ursache sind nicht etwa vermehrte Schadensfälle, sondern eine höhere Bewertung durch die Gerichte und eine Verbesserung der Intensivmedizin. Auch die Krankenkassen tragen hier eine Mitschuld, weil sie seit ungefähr zwei Jahren versuchen, alte Operationen und andere Fälle herauszusuchen, um zu sehen, ob man da noch Geld herausschlagen kann. Häufig klappt das zwar nicht, aber dann kommt es zu einem Vergleich. Das belastet natürlich die Versicherung der belegärztlichen Kollegen.

Was tut der Beleger? Er ist als Geburtshelfer in ständiger Bereitschaft, Tag und Nacht, am Wochenende wie am gewöhnlichen Werktag. Er steht in seiner Freizeit und auch während der Nachtstunden den Gebärenden zur Seite, um ihnen bei der Geburt zu helfen. Dafür bekommt er 160 Euro. Rechnen Sie sich bitte einmal aus, wie viele Geburten er begleiten muss, bis er auf seine 29 000 Euro gekommen ist. Er muss fast 200 Geburten begleiten, bevor er die Versicherungsprämie bezahlen kann.

Da reichen Enthusiasmus und Freude am Beruf nicht aus. Das ist einfach nicht zu schaffen. Die Kassen stellen sich seit Jahr und Tag stur, weil sie meinen, wir Ärzte verdienten sowieso zu viel Geld.

Das Regelleistungsvolumen für Frauenärzte bei uns in Niedersachsen oder auch in Nordrhein-Westfalen liegt bei etwas mehr als 13 Euro. Darin enthalten ist sogar die Hausgeburt. Wir sind zwar gegen Hausgeburten, aber wenn wir in einem Notfall hinzugerufen werden, müssen wir eine Hausgeburt für 13,54 Euro machen.

Das kann es nicht sein. Deswegen fordern wir als Berufsverband, dass jede Geburt mit einem Zuschlag von mindestens 200 Euro versehen wird. Selbst dann müssen Sie 150 Geburten absolvieren – zunächst einmal kostenlos –, um die Versicherungsprämie zu erwirtschaften.

Wir haben in unserem Berufsverband eine Umfrage gestartet. 66 Prozent der Kolleginnen und Kollegen sind willens, am Ende des Jahres aufzuhören. Es ist einfach nicht mehr zu leisten. Man müsste sich selber aufopfern. Das sind aufopferungsvolle Tätigkeiten am Wochenende und in der Nacht. Dafür muss man einfach angemessen honoriert werden.

Was geschieht, wenn die Kollegen am Ende des Jahres aufhören? Dann werden wir in den Zeitungen lesen, dass die Geburten in den Taxis erfolgen. Die Frau mag das überleben, aber dem Kind wird es möglicherweise schlecht gehen. Da kommt es auf die Minute an. Zwei oder drei Minuten im Sauerstoffmangel sind hochproblematisch.

Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung, wenn wir für ein besseres Konzept bei der belegärztlichen Geburtshilfe oder bei den Belegern allgemein kämpfen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Herr Albring. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Baumgärtner aus Baden-Württemberg. Bitte.

© Bundesärztekammer 2010