Dr.
Baumgärtner, Baden-Württemberg: Lieber Herr Hoppe! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal vielen Dank für die Harmonie heute
Vormittag. Das war ja ungewöhnlich. Das, was Herr Rösler sagte, war noch wenig
konkret. Ich denke, man muss bei aller Ungeduld, die wir haben, positiv
vermerken, dass die öffentliche Hetze, die wir in den letzten Jahren zu
gewissen Zeiten immer wieder hatten, vorbei ist. Ich meine, das ist schon
einmal positiv.
Unterstützung würde ich Ihnen beim
Thema Priorisierung zusichern. Ich denke, da haben Sie noch nicht ausreichend
Unterstützung. Ich finde, eine Gesellschaft muss festlegen, was solidarisch
finanziert wird. Das ist eine Aufgabe der Gesellschaft. Es kann nicht sein,
dass wir eine Vollkaskoversorgung insbesondere im ambulanten Bereich auf Kosten
der Leistungsträger haben. Das gilt sicher auch im stationären Bereich; hier
denke ich an das Thema der Überstunden. Wir können als Ärzte nicht das
Morbiditätsrisiko tragen. Das ist Sache der Krankenkassen; diese müssen das
Morbiditätsrisiko tragen. Das Prinzip „begrenztes Geld, begrenzte Leistung“
muss wieder Eingang in die Honorarpolitik finden.
Ich möchte zu dem, was Herr Crusius
zum Thema der Selektivverträge sagte – das wird sicher noch diskutiert werden
–, einige Feststellungen treffen. Es geht überhaupt nicht um ein
Auseinanderdividieren oder um das Ende der Selbstverwaltung. Das muss man hier
einmal feststellen. Das konstante Schlechtreden dieser neuen Vertragsformen
wird diese weder behindern noch verhindern, sondern es wird sie allemal
stärken. Wer diese Verträge dauernd schlechtredet, ist entweder völlig
abgehoben oder steht nicht mehr auf dem Boden der Tatsachen.
(Beifall)
Meine Realität im Kollektivvertrag ist:
Es gibt nach wie vor keine festen Preise, sondern die Regelleistungsvolumina
floaten. Das ist bundesweit so. Es gibt bundesweit keine Arztgruppe, die mit
ihrem Regelleistungsvolumen zufrieden ist. Da kann man doch nicht sagen: Es ist
alles in Ordnung.
Es findet ständig eine Umverteilung
statt. Diejenigen, die sich jetzt vielleicht freuen, können bereits morgen
weniger haben. Dann wird neu umverteilt. Es ist für einen freien Beruf
unwürdig, wenn dauernd aus den Taschen der Kolleginnen und Kollegen umfinanziert
wird.
(Beifall)
Der Vorstandsvorsitzende der
KBV hat öffentlich zugegeben, dass keine Position unserer Gebührenordnung
betriebswirtschaftlich kalkuliert ist. Da muss ich fragen: Wo sind wir denn?
Nicht eine einzige Position ist kalkuliert! Das Honorar pro Arztstunde liegt im
Augenblick bei ungefähr 30 Euro.
Im Zusammenhang mit den
Selektivverträgen wird es bis zum Jahresende in allen Regionen Hausarztverträge
geben. Davon können Sie ausgehen. Wir haben in Baden-Württemberg einen
Kardiologenvertrag; dieser ist fertig. Wir haben einen Gastroenterologenvertrag,
den wir in den letzten Tagen ausverhandelt haben. Am Freitag fand die
Ausschreibung für Neurologen, Psychiater, Psychotherapeuten und Psychosomatik
statt. Nächste Woche gibt es die Ausschreibung für Chirurgie und Orthopädie.
Auf der Bundesebene gibt es eine
sehr gute Zusammenarbeit mit Facharztverbänden. Es wird eine Mandatierung für
bundesweite Vertragsverhandlungen geben mit dem Bundesverband Medi-Genossenschaften
und Facharztverbänden für die Themen Kardiologie und Gastroenterologie.
Ein klares Wort noch zu den
Vorteilen der Selektivverträge. Im Selektivvertrag findet die Umverteilung auf
Kassenebene statt. Das ist der erste Punkt. Es wird nicht innerärztlich
umverteilt, sondern es wird auf Kassenebene umverteilt.
Zweitens. Die Positionen sind
betriebswirtschaftlich kalkuliert. Das heißt, wir wissen, welche Fallwerte wir
wollen, welche wir brauchen. Unterhalb dieses Niveaus wird kein Vertrag
abgeschlossen.
Es gibt feste Preise. Damit gibt es
Planungssicherung für fünf Jahre. Ich frage Sie: Wo ist die Planungssicherheit
im jetzigen System? Fragen Sie einmal einen Arzt, was er gestern verdient hat,
was er im letzten Monat verdient hat, was er im nächsten Monat verdienen wird,
was er in einem halben Jahr verdienen wird. Er weiß es nicht, weil er keine
Planungssicherheit hat. Jetzt kommt wieder ein EBM, der umverteilt.
Hier haben wir Planungssicherheit
für fünf Jahre. Der Big Point ist: Jeder Fall wird bezahlt. Im Selektivvertrag
wird jeder einzelne Fall bezahlt. Es ist nicht so, dass in den KVen ein Sack
Geld abgeladen und gesagt wird: Das verteilt ihr jetzt einmal, daraus macht ihr
die Fallwerte.
Es gibt eine sehr gute
Zusammenarbeit zwischen Hausärzteverband, Bundesverband der Ärztegenossenschaften,
Medi Deutschland und NAV. Wir sitzen dauernd zusammen. Es gibt auch eine gute
Zusammenarbeit mit der Allianz. Diese hat ihre Position zu den
Selektivverträgen noch nicht so richtig gefunden; das wird aber noch kommen.
Ich hoffe, dass es nach den
KV-Wahlen eine realistische Position in Richtung KBV und KVen gibt, dass man
sich vielleicht wieder einmal ausspricht, damit man weiß, in welche Richtung
man gemeinsam gehen will. Die Hoffnung darauf habe ich nicht aufgegeben.
Es geht bei den jetzigen Verträgen
nicht um das, was den Institutionen nutzt, sondern es geht nur darum, was den
Ärzten nutzt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zukunft liegt nicht allein im
Kollektivvertrag. Sie liegt aus meiner Sicht sicher im Kollektivvertrag, aber
zweitens auch im Selektivvertrag und drittens auch in der Kostenerstattung. Die
Kostenerstattung muss als Wahlmöglichkeit für den Arzt kommen. Dann haben die
Ärzte Planungssicherheit.
Das wäre eine Zukunft, für die ich
mich sehr einsetzen würde.
Vielen Dank.
(Beifall)
Präsident
Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank, Herr Baumgärtner. – Jetzt haben wir
einen Antrag zur Geschäftsordnung von Herrn Kollegen Peters.
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