Dr. Scholze, Bayern:
Lieber Herr Hoppe, ich möchte zu einem Ihrer Lieblingsthemen sprechen, nämlich
der Priorisierung. Ich habe den Eindruck, dass Sie dieses Thema von oben herab
ein bisschen in die Ärzteschaft hineindrücken, dass von unten her gar nicht der
Bedarf dafür besteht. Inzwischen ist es für mich auch ein Lieblingsthema
geworden, aber mit negativem Vorzeichen. Das möchte ich ein bisschen begründen.
Ich habe den Eindruck, dass Sie mit
diesem Thema die Ärzteschaft hoffnungslos ins Abseits schießen. Ich darf Ihnen
kurz drei Zitate von maßgeblichen Kreisen der Politik vorlesen. Die Union
sagte: Hoppe bleibt immer nur im Abstrakten und wird auch auf Nachfrage nicht
konkret. Herr Spahn sagte dazu: Da erwarte ich mir von der deutschen
Ärzteschaft etwas mehr als nur Überschriften von Ärztetagen.
Herr Rösler sagte – zwar nicht
heute, aber heute hat er es in ähnlicher Weise bestärkt –: Ich halte von der
Diskussion über Priorisierung nichts. Eine Rangordnung medizinischer Leistungen
festzulegen sei mit seinen ethischen Vorstellungen als Arzt nicht in Einklang
zu bringen.
Herr Tillich hat heute Vormittag
gesagt, wir Ärzte sollten unsere Zeit nicht mit Diskussionen über die
Priorisierung verschwenden, es seien wichtigere Dinge zu tun.
Ich möchte Sie auf zwei für mich
grundlegende Widersprüche hinweisen, die im Rahmen der Priorisierungsdebatte
auftauchen. Uns wird immer wieder gesagt, Priorisierung habe nichts mit
Rationierung zu tun. Auf der anderen Seite wird aber gesagt, wenn man fragt,
was das Ganze soll: Wir brauchen die Priorisierung, weil anderenfalls die
Kosten im Gesundheitswesen nicht gesenkt werden können. Wie kann man denn die
Kosten im Gesundheitswesen senken, wenn nicht über eine Rationierung? Herr
Hoppe, für mich sind Rationierung und Priorisierung zwei Seiten einer Medaille.
Ein zweiter Widerspruch ist
folgender. Sie sagen immer, Sie seien gegen eine Staatsmedizin. Jetzt sind Sie
aber plötzlich dafür, dass ein nationaler Gesundheitsrat dem Staat zuarbeiten
soll, der Staat aber soll sagen können: Hier mache ich schnipp, schnapp. Ich
denke, das ist mit unserem ärztlichen Auftrag und mit unserem ärztlichen
Selbstverständnis nicht zu vereinbaren. Ich möchte, dass Ärzte darüber
entscheiden, was medizinisch notwendig ist, was sinnvoll ist und was getan
werden soll. Man darf aber nicht sagen: Wir machen euch einen Vorschlag, dann
soll der Staat entscheiden. Das ist für mich unärztlich.
Ich möchte den Ärztetag auffordern,
dass die Priorisierungsdebatte, die Gott sei Dank noch nicht so weit
fortgeschritten ist, zunächst einmal hintangestellt wird und wir erst einmal
schauen, wie wir unseren Laden von überflüssigen Leistungen entrümpeln, von zum
Teil schädlichen Leistungen. Ich denke, damit haben wir zunächst einmal
genügend zu tun. In einem zweiten Schritt kann man überlegen, wie man das
weiterführt.
Danke.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h.
c. Hoppe: Danke schön, Herr Scholze. – Der nächste Redner ist Herr Kollege
Pickerodt aus Berlin.
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