Dr. Kajdi, Saarland:
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte zur Priorisierung Stellung
nehmen, weil ich glaube, dass dies tatsächlich das Thema ist, das heute die
meisten Menschen – nicht nur Ärzte, sondern auch Patienten – beschäftigen muss.
Hier geht es zum einen um eine
ethische Dimension, zum anderen um eine ökonomische Dimension. Immer dann, wenn
ein neuer Begriff gewählt wird, muss man skeptisch werden. Wir haben erlebt,
dass Kriegsministerien auf einmal Verteidigungsministerien genannt wurden, dass
Krankenkassen auf einmal Gesundheitskassen hießen. Jetzt erleben wir, dass
Rationierung Priorisierung heißt. Das ist ein umso schlimmerer Tatbestand, als
man sich klar werden muss, dass wir eigentlich die Verteidiger eines freien
Berufs sind. Zumindest treten wir immer so auf, wenn wir Honorarforderungen
stellen. Dann stellen wir uns gegenüber der Gesellschaft als diejenigen dar,
die ihre Patienten verteidigen.
Wir leben in einer Demokratie, das
heißt, die Patienten sind die Zahler des Systems. Sie sind diejenigen, die uns
das Honorar geben. Wir vergessen, wenn wir nach Priorisierung rufen, und zwar
auch noch als Selbstverwaltung, allzu leicht, dass wir von unseren Patienten
abhängen und dass wir eigentlich auch für deren Freiheit eintreten müssen. Freiheit
für Patienten heißt, dass sie mündige Bürger sind. Freiheit heißt, dass die
Asymmetrie der Information, von der heute Morgen schon einmal die Rede war,
aufgehoben werden muss. Eine Aufhebung dieser Asymmetrie der Information heißt,
dass die Patienten über Leistung und Preis informiert sein müssen.
Das geschieht durch echte
Rechnungen. Nur durch die Kostenerstattung, nur dadurch, dass die Patienten
eine Rechnung bekommen, aufgrund deren sie Leistung und Preis nachkontrollieren
können, gibt es so etwas wie eine faire Lenkung der Ressourcen durch den
Patienten. Es kann nicht sein, dass der Staat zur Ressourcenlenkung aufgerufen
wird, und das auch noch von Ärzten, die sich als freier Beruf definieren. Das
ist lächerlich und auch ein Zeichen von Feigheit.
Ich bin eigentlich sehr enttäuscht
darüber, dass wir als Vertreter von freien Ärzten so auftreten. Es gibt – und
das ist das Perfide – eine Vielzahl falschen Zungenschlags in dieser
Diskussion. Da gibt es die KBV, die sagt: Wir müssen mehr Qualität haben, die
darüber jammert, dass es mehr Bürokratie gibt. Da gibt es das Jammern auch der
Ärztekammer, dass wir zu viel Bürokratie haben. Wir selbst fordern
Qualitätssicherung, verkaufen Qualitätssicherung den Kassen gegenüber und
verkennen, dass wir selbst es sind, die die Zeit für die Patienten
einschränken.
Zum Schluss komme ich zum
Wirtschaftlichen, einem Punkt, den wir nicht vergessen sollten. Wir erleben
gerade das Ende des Wohlfahrtsstaats, des Schuldenstaats. Vielleicht haben Sie
schon mitbekommen, dass die Welt gerade wieder einmal mit Hunderten von
Milliarden Euros und Dollars gerettet wurde. Glauben Sie denn, dass unser
Honorar, das eigentlich ein politisches Honorar ist – es richtet sich nämlich
nach der Haushaltslage der Politik –, auch in Zukunft noch an uns fließt?
Wollen Sie auch in Zukunft nach der Politik schreien, wenn die Kassen leer
sind? Nur wenn Sie die Kostenerstattung einführen und dem Patienten die
Möglichkeit geben, Rechnungen zu bezahlen, eröffnen Sie den Weg, dass wir
richtig Geld bekommen werden.
So viel zur ökonomischen Situation
und zum Argument der Kostenerstattung.
(Vereinzelt Beifall)
Präsident
Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön. – Das Wort hat jetzt noch einmal Herr
Crusius.
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