TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

Dienstag, 11. Mai 2010, Nachmittagssitzung

Dr. Schimanke, Mecklenburg-Vorpommern: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde ja gerne zustimmen, wenn ich höre, dass man durch Selektivverträge eine Optimierung betriebswirtschaftlicher Größen erkennen kann. Aber das kann ich überhaupt nicht erkennen. Selektivverträge selektieren, das heißt, sie spalten, und zwar nicht nur die Ärzteschaft, sondern auch die Patienten. Insofern muss ich meinem Präsidenten Crusius durchaus zustimmen, wenn er sagt – Herr Massing hat ja darauf hingewiesen, dass das seit über 30 Jahren ein Thema auf Deutschen Ärztetagen ist –, dass sich die Ärzteschaft möglichst nicht spalten lassen sollte. Wenn wir gespalten sind, haben wir kaum noch eine Stimme, die gehört wird.

Aber deshalb habe ich mich eigentlich nicht zu Wort gemeldet, sondern ich möchte zum Ausdruck bringen, dass ich mit den Worten von Minister Rösler sehr gut übereinstimmen kann. Ich finde, er hat uns in vieler Hinsicht aus dem Herzen gesprochen. Nehmen Sie nur das Beispiel der Freiberuflichkeit. Wir haben doch immer gefordert, dass sich die Freiberuflichkeit nicht daran festmacht, ob man angestellt oder niedergelassen ist, sondern daran, dass man frei darüber entscheiden kann, wie man handelt, vor allen Dingen frei von betriebswirtschaftlichen Größen.

Das Entscheidende ist in meinen Augen: In vielen Krankenhäusern, aber auch in der Praxis wird der Patient mehr und mehr zu einer betriebswirtschaftlichen Größe. Das kann es ja nun wirklich nicht sein.

Gut gefallen hat mir auch, dass er die Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht am Beitrag festmacht, sondern am Eintreten der Starken für die Schwachen. Ich kann überhaupt nicht begreifen, warum der Begriff „Kopfpauschale“ so verteufelt wird. Gut, es ist vielleicht ein ideologisch belasteter Begriff, genauso wie der Begriff „Feminisierung“, von dem Herr Rösler gesagt hat, dass er diesen Begriff doof findet. Auch ich finde ihn doof. Auch der Begriff der Priorisierung ist ideologisch belastet.

Das Risiko, krank zu werden, ist für jeden Menschen gleich. Es ist überhaupt keine Solidarität herzustellen, indem man das Einkommen besteuert oder gar den Unternehmer dazu zwingt, anhand der Lohnsumme in seinem Betrieb Geld ins System zu geben.

Es ist doch viel sinnvoller, das Ganze über Steuermittel zu regulieren. Man kann dafür durchaus auch die Unternehmer ins Boot holen, aber nicht anhand der Lohnsumme, denn das macht die Arbeit teuer, sondern eher anhand des Umsatzes, also einer steuerlich relevanten Größe. Hier eröffnen sich durchaus Wege, die man beschreiten kann. Man muss nur die ideologischen Barrieren einreißen, die vorhanden sind.

Schließlich eine Bemerkung zu den Dicken, die er durchaus als allegorisches Bild benutzt hat. Ich glaube, auch dieses Bild müssen wir uns gefallen lassen. Die Dicken sind nicht wir, die Ärzte, auch nicht die Patienten, sondern mit den Dicken ist das System des Gesundheitswesens gemeint. Diesem System fällt es durchaus schwer, auf Nahrung – sprich: auf Geld – zu verzichten. Auch das sollten wir hinterfragen.

Danke schön.

(Vereinzelt Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Herr Schimanke. – Als nächster Redner Herr Kollege Benninger aus Baden-Württemberg.

© Bundesärztekammer 2010