TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

Dienstag, 11. Mai 2010, Nachmittagssitzung

Dr. Scholze, Bayern: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion über den Redebeitrag von Herrn Rösler während der Eröffnungsveranstaltung war sehr, sehr unterschiedlich. Was ist Herr Rösler eigentlich: Ist er ein Träumer? Ist er ein Ideenspender? Ich hatte heute Vormittag den Eindruck, dass er ein Meister des Sich-Einlassens und des Auslassens zugleich ist. Er hat sich auf viele Dinge eingelassen. Er hat sich eingelassen auf den Bürokratieabbau, er hat sich eingelassen auf die Kultur des Vertrauens, auf Eigenverantwortung, auf Angestellte, Bachelor, MVZ.

Auf ein Kernproblem der momentanen Gesundheitspolitik ist er gar nicht eingegangen: Das ist die konkrete Erörterung der Unterfinanzierung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Unter Philipp Rösler werden die Löcher im Gesundheitsfonds immer größer. Der Gesundheitsfonds weist in diesem Jahr ein Defizit von 7 Milliarden Euro auf. Für das kommende Jahr werden 11 bis 16 Milliarden Euro geschätzt. 17 Krankenkassen haben inzwischen Zusatzbeiträge beantragt, die ihnen auch bewilligt wurden. Birgit Fischer von der Barmer GEK sagt: Wenn das Defizit größer wird, muss jede Kasse einen Zusatzbeitrag erheben, auch die Barmer.

Auch das Thema Kopfpauschale ist nicht vom Tisch. Es wurde gesagt, wenn in Nordrhein-Westfalen die Wahl so ausgehe, dass es im Bundesrat keine Mehrheit mehr für die Kopfpauschale gebe, würde man davon ablassen. Nach meinem Kenntnisstand gibt es einen Plan B, der jetzt im Gesundheitsministerium ausgearbeitet werden soll, der darauf hinausläuft, dass man die Kopfpauschale auf eine Art und Weise ins Parlament bringen will, dass der Bundesrat nicht zustimmen muss. Wenn bei der Kopfpauschale die Prämie 145 Euro betragen soll, führt das dazu, dass etwa 35 Milliarden Euro im Jahr zusätzlich für den Sozialausgleich steuerfinanziert werden müssen.

Dieselbe Partei, die Steuersenkungen will, will, dass auf der anderen Seite zig Milliarden zusätzlich ins Gesundheitswesen gesteckt werden. Da kann ich nur sagen: Ich glaube nicht an den Weihnachtsmann.

Ich befürchte, dass die Unterfinanzierung im Bereich der GKV politisch gewollt ist, dass man bewusst diese Unterfinanzierung fortführt, um dann sozial unpopuläre Maßnahmen durchzudrücken. Dazu zählt auch die Kostenerstattung. Der vorjährige Deutsche Ärztetag hat sich gegen die Kostenerstattung ausgesprochen. Wir haben heute Vormittag gehört, dass nur 0,2 Prozent der Patienten die Kostenerstattung in Anspruch nehmen wollen, obwohl es jeder tun könnte. Ich sehe die Gefahr des Leistungsabbaus und der Rationierung. Herr Rösler hätte heute Vormittag zu der Frage Stellung beziehen sollen, wie er die zig Milliarden in Zukunft finanziert haben will. Ich glaube ihm nicht, dass es über Steuern gehen wird. Seine Kabinettskollegen glauben es ihm auch nicht. Er sollte endlich einmal offen sagen, wie es denn geschehen soll.

Danke.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank. – Jetzt kommt Herr Kollege Windau aus Sachsen.

© Bundesärztekammer 2010