TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

Mittwoch, 12. Mai 2010, Vormittagssitzung

Dr. Fresenius, Bayern: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte zum Antrag I-05 sprechen und zunächst zwei Vorbemerkungen machen. Die eine Vorbemerkung bezieht sich auf die Geschwindigkeit dieses Antrags. Gestern wurde der Vorwurf erhoben, hier würde mit heißer Nadel gestrickt. Dem möchte ich entgegenhalten, dass der erste Antrag zur Kostenerstattung von diesem Hohen Hause im Jahre 1997 diskutiert wurde. Wir diskutieren also seit 13 Jahren intensiv und ernsthaft über diesen Punkt.

Ich finde es schade, dass in dieser emotionalen Diskussion in Gut und Böse, sozial und unsozial, menschenfreundlich und menschenfeindlich unterschieden wird. Ich glaube, beiden Gruppen muss man unterstellen, dass sie das Beste für die Ärzte, für ihre Patienten und für das Gesundheitswesen wollen.

(Beifall)

Jetzt zu einigen Argumenten. Zunächst: 5 bis 10 Prozent unserer Patienten sind in diesem System überfordert. Ja, das stimmt. Sie sind aber auch überfordert bei der Bezahlung ihrer Altenheimrechnung. Sie sind überfordert bei der Unterzeichnung ihrer Pflegedienstrechnungen. Diese Patienten brauchen Hilfe. Sie werden auch in Zukunft Hilfe brauchen von ihren Familien, von ihren Betreuern oder von Institutionen.

Zweiter Punkt: Die Rechnungen belasten das Arzt-Patient-System. Ja, das stimmt. Aber schauen wir doch in jene Nachbarländer, in denen dieses System funktioniert. Ich glaube, diese Nachbarländer, beispielsweise Frankreich, haben keine schlechteren Arzt-Patient-Beziehungen, als wir sie bei uns haben. Rechnungen sind einfach Realität. Auch die Kirche stellt Rechnungen für ihre Leistungen an ihre Gläubigen aus.

(Beifall)

Ich komme zum dritten Punkt. Die Selbstbeteiligung – das wurde mehrmals erwähnt – muss selbstverständlich einkommensgestaffelt sein. Das heißt, wir werden etwa 20 Prozent unserer Patienten ohne Selbstbeteiligung haben.

Der vierte Punkt ist: Die Rechnungen werden nicht bezahlt. Dieses Schicksal teilen wir mit Malern, Zahnärzten und anderen. Auch jetzt werden unsere Rechnungen erst ein halbes Jahr später bezahlt und dann auch nicht in vollem Umfang.

Schließlich das Argument: Der Verwaltungsaufwand ist zu hoch. Schauen Sie sich einmal an, in welch katastrophaler Lage wir uns befinden. Wir können den Dschungel der jetzigen Verwaltung praktisch nicht durchblicken. Morbiditätsbezogene Gesamtvergütung, Fremdkassenzulassungsausgleich, EBM-Währungsreform und qualitätsbezogenes Zusatzvolumen sind Unworte, die dringend einer Bereinigung bedürfen.

Nehmen wir bitte den Handschlag des Gesundheitsministeriums an, wagen wir einen Neuanfang in eine soziale, ehrliche und offene Lösung.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Herr Fresenius. – Jetzt Herr Dr. Steininger aus Hessen.

© Bundesärztekammer 2010