Dr. Funken, Nordrhein:
Frau Vizepräsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich hatte
ich gedacht, dass das Thema der Versorgungsforschung in der Ärzteschaft schon
so breit aufgegriffen worden ist, dass es ein Selbstgänger auf diesem Deutschen
Ärztetag würde. Die Anträge 03 und 05 zeigen aber, dass wir doch noch ein
bisschen daran arbeiten und in Bezug auf das aufklären müssen, was
Versorgungsforschung leisten soll und leisten wird.
Die Versorgungsforschung leistet
bereits jetzt, dass die gesetzlichen Krankenkassen Daten haben, die ihnen
strategische Optionen geben, uns als Ärzteschaft wie kleine Hündchen auf Wege
zu führen, die sie wollen, wobei dabei nicht die Versorgung der Patienten im
Vordergrund steht, sondern, wie Sie natürlich alle wissen, die Versorgung der
Krankenkassen mit Geldströmen im Rahmen einer sich liberalisierenden
Marktwirtschaft.
Meine Damen und Herren, ich denke,
es kann nicht Aufgabe der Ärzteschaft sein, sich einem solchen Feld nicht zu
widmen. Deswegen möchte ich an die Verfasser der Anträge 03 und 05 appellieren,
ihre Anträge zurückzuziehen. Ich glaube, hier gibt es einige
Begriffsschwierigkeiten.
Ich möchte mich bei den Experten
ausdrücklich für die guten Referate bedanken, in denen noch einmal klar gemacht
wurde, dass die Leitlinienentwicklung ein erster Schritt bei der
Versorgungsforschung ist, aber nicht der letzte Schritt sein kann. Wir müssen
viel, viel weiter denken.
Ich möchte Ihnen folgendes Beispiel
aus der Onkologie nennen. Wie Sie vielleicht wissen, habe ich eine Zeit meines
Lebens damit zugebracht, Versorgungsforschung Onkologie zu betreiben. Vor
ungefähr zehn Jahren wurde das Projekt eingestampft, nachdem Daten bekannt
wurden, dass die regionalen Leitlinien nach der S2k-Leitlinie, also dem
regionalen Expertenkonsens auf der Grundlage des vorhandenen Wissens, von den
agierenden Persönlichkeiten der Ärzteschaft in ihren eigenen Kliniken und
Praxen nur zu 50 Prozent umgesetzt wurden. Die Daten durften nicht
veröffentlicht werden, weil man erst eine Fehleranalyse haben wollte. Die
Fehleranalyse läuft immer noch.
Meine Damen und Herren, so sieht
der Umgang mit der Versorgung in Deutschland aus. Gestern wurde der Begriff
„gefühlte Versorgung“ genutzt. Auf diesem Niveau werde ich mich nicht mehr in
die Diskussion einmischen. Ich will harte, klare Fakten haben. Bei der
„gefühlten Versorgung“ geht es ja nicht um 5 Euro, sondern hier geht es um Millionen
und Milliarden, die einer Fehlallokation unterliegen. Sie fehlen in der
Versorgung.
Ich glaube auch nicht, dass wir
langfristig darum herumkommen, das Thema so zu instrumentalisieren, dass wir
damit klare Forderungen an die Politik stellen. Ich möchte zwei Beispiele
anführen, die einen Großteil von Ihnen berühren. Zum einen geht es um das Thema
Schlaganfall. Die Mittelallozierung im Bereich der Schlaganfallnachsorge ist so
diffus, dass wir nicht wissen, wie viel Geld wir verlieren und wie viele Patienten
davon tatsächlich profitieren können. Das ist ein Problem für die
Versorgungsforschung.
Ein weiteres Beispiel – Ihnen
bestens bekannt – ist die Katheterisierung von Herzpatienten: drug eluting
stents gegen bare metal stents. Jetzt gibt es einen neuen drug eluting stent,
der eingesetzt wird. Die Langzeitergebnisse sind allen nicht bekannt. Wir
fordern aber alle kräftig, die neue Technologie einzusetzen, ohne uns über die
lang wirksamen Ergebnisse überhaupt bewusst zu sein.
Meine Damen und Herren, hier sind
Aufgaben zu lösen. Ich begrüße ausdrücklich den Antrag des Vorstands der
Bundesärztekammer und bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen, ergänzt durch die
Anträge 02 und 04, die eine Bereicherung des Gesamtantrags darstellen.
Vielen Dank.
(Vereinzelt Beifall)
Vizepräsidentin Dr. Goesmann:
Auch Ihnen danke. – Es folgt jetzt Herr Professor Schulze vom Vorstand der
Bundesärztekammer.
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