TOP IV: Patientenrechte – Anspruch an Staat und Gesellschaft

Mittwoch, 12. Mai 2010, Vormittagssitzung

Henke, Vorstand der Bundesärztekammer: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich habe mich gemeldet, weil ich gern auf die Punkte 5 und 6 und auf die Frage der Solidarität eingehen möchte. Da ist eben ein bisschen Kritik geübt worden an dem Eintreten von Frank Ulrich Montgomery dafür, dass wir eine Erweiterung des Begriffs der Solidarität in der Gestaltung der gesetzlichen Krankenkasse brauchen. Wie weit das gehen soll und wie weit man auf einkommensunabhängige Beiträge setzt, da gibt es vielleicht auch zwischen uns beiden an der einen oder anderen Stelle immer noch ein wenig eine unterschiedliche Einschätzung.

Ich wehre mich aber dagegen, jede Änderung des Finanzierungssystems, das ein bisschen Abweichung von dem traditionellen System enthält, wie es einmal zu Bismarcks Zeiten eingeführt wurde, automatisch als Ausdruck fehlender Solidarität zu beschreiben.

(Beifall)

Das halte ich völlig wider intellektuelle Sauberkeit. Solidarität bedeutet doch, dass der Staat bereit sein muss, den Schwächeren zu helfen. Dieses System kommt doch auch in unserem eigenen Staat in ganz unterschiedlichen Finanzierungsformen zum Ausdruck. Das findet doch nicht in einer einzigen Finanzierungsform statt. Oder würden Sie etwa die allein steuerfinanzierte Sozialhilfe, also die Grundsicherung, die ausschließlich über Steuern und ohne jeden Beitrag finanziert wird, als ein unsolidarisches System bezeichnen? Nein, sie ist auch ein Ausdruck von Solidarität.

(Beifall)

Genauso ist es ein Ausdruck von Solidarität, wenn Menschen, die Geld für Stiftungen spenden, die anderen helfen, eine steuerliche Berücksichtigung ihrer Spenden erfahren. Auch das ist ein Stück Teilhabe der Gesellschaft an dieser Finanzierungsleistung.

Ich finde es falsch, ein System für sakrosankt zu erklären und zu sagen: Alle, die daran etwas im Sinne einer Anpassung an veränderte Anforderungen ändern wollen, verstoßen gegen das Prinzip der Solidarität. Das ist aus meiner Sicht unsinnig.

Ich will Sie daran erinnern, dass bei der Einführung des Systems der gesetzlichen Krankenkassen durch Bismarck damals der Beitrag zu einem Drittel von den Arbeitgebern und zu zwei Dritteln von den Arbeitnehmern bezahlt wurde. Auf dieses System beziehen wir uns heute, wenn wir sagen: Das ist ein solidarisches System.

Lassen Sie uns da also ein bisschen mehr Mut haben, lassen Sie uns ein Bekenntnis zum Begriff der Solidarität ablegen. Wir sollten aber nicht eine einseitige Interpretation der Solidarität zum Maßstab unserer Entscheidungen machen. Da muss mehr Offenheit her.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank. – Es gibt von Frau Kollegin Mieke einen Antrag zur Geschäftsordnung. Den muss ich vorziehen.

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