TOP IV: Patientenrechte – Anspruch an Staat und Gesellschaft

Mittwoch, 12. Mai 2010, Nachmittagssitzung

Dr. Montgomery, Referent: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielen herzlichen Dank, dass Sie mir die Möglichkeit geben, hier ein Schlusswort zu sprechen. Sehen Sie es mir bitte nach, dass ich bei den doch recht zahlreichen Wortmeldungen nicht auf jede Wortmeldung im Einzelnen eingehen kann. Herr Liese und ich können uns nur gemeinsam für die sehr konstruktive Debatte bedanken. Wir haben davon eine ganze Menge mitgenommen und auch gelernt, und zwar sowohl, wie ich für Herrn Liese sagen kann, für die Arbeit in Europa als auch für unsere Arbeit hier.

Gestatten Sie mir zu einer einzigen Wortmeldung ein paar Bemerkungen. Es war interessanterweise die allererste Wortmeldung bei diesem Tagesordnungspunkt, nämlich die Wortmeldung des Kollegen Dietrich aus Bayern. Herr Dietrich hat, wie Sie sich vielleicht noch erinnern, ausgeführt, dass er aus der Tätigkeit als Anästhesist im Bereich der Transfusionsmedizin bemerkt, wie mit den Leitlinien konkret umgegangen wird, dass die Leitlinien zwar auf dem Papier stehen, aber in Wirklichkeit nicht durchgehalten werden. Er hat sich dann unter anderem in der ihm eigenen, durchaus auch emotionalen Art zu dem Satz verstiegen, er habe schon so viel Mist erlebt und dann sei gar nichts passiert.

Lieber Herr Dietrich, es ist genau diese Einstellung und genau diese Art, das zu artikulieren, die uns eines der größten Probleme im Umgang mit den Patienten beschert, vor allem mit solchen, die vermuten, bei ihnen sei etwas nicht richtig gelaufen.

(Beifall)

Es ist nämlich der Kollege, der aus einem vielleicht wohlmeinenden Gefühl seinen Patienten gegenüber sehr schnell sagt: Mein Gott, was haben meine Kollegen da für einen Mist angestellt? Jetzt sind Sie bei mir völlig richtig, ich mache natürlich nie Mist, ich mache es richtig.

Wir Ärzte sind ja bekannt dafür, dass wir zwar dauernd von der Kollegialität reden, aber gleichzeitig fröhlich gegen die Prinzipien der Kollegialität verstoßen. So etwas bewirkt beim Patienten den Impuls, anzunehmen, bei ihm sei etwas nicht richtig gelaufen, bei ihm sei bei der Behandlung etwas falsch gemacht worden. Das setzt überhaupt erst eine ganze Kaskade von Entwicklungen in Gang, an deren Ende sehr oft ein verhärtetes Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten steht.

Deshalb bitte ich uns alle – nicht nur Sie, Herr Dietrich, sondern uns alle –, in Zukunft zu prüfen, ob wir nicht etwas vorsichtiger sein sollten mit dem ganz schnellen Urteil, hier sei nur Mist passiert, alles sei schlecht gewesen. Damit sollten wir wirklich vorsichtiger umgehen.

(Beifall – Zuruf)

– Herr Pickerodt hat mir soeben zugerufen, ob ich noch nie Mist erlebt habe. Natürlich habe ich Mist erlebt, Herr Pickerodt, aber ich habe über diesen Mist dann ruhig mit dem Patienten gesprochen, ich habe vor allem auch mit dem Arzt ruhig darüber gesprochen. Wenn dieser Mist einen justiziablen Charakter hatte, habe ich meine Ärztekammer darüber informiert, damit sie mit dem Patienten und dem Arzt zu einem vernünftigen Ausgleichsverfahren kommen kann. Das ist doch der richtige Weg: Nicht einfach nur „Mist“ in den Raum stellen, sondern den Misthaufen beiseiteschieben. Herr Pickerodt, das ist die Aufgabe für die Zukunft.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns ganz kurz die acht Anträge und drei Änderungsanträge, die wir zu diesem Tagesordnungspunkt haben, durchgehen. Den Vorstandsantrag kennen wir ja. Der erste Änderungsantrag von Herrn Kollegen Scholze und anderen trägt die Nummer 01 a. Er wünscht, auf Seite 2 im ersten Absatz nach dem ersten Satz einzufügen:

Das setzt voraus, dass für den Patienten ausreichende Information und Aufklärung sowie die Nutzung der Prinzipien „gemeinsame Entscheidungsfindung“ und „informed consent“ gewährleistet sind.

Ich halte dieses für ohne Weiteres einfügbar, ich halte es auch für richtig. Aus sprachlichen Gründen bitte ich Sie, es folgendermaßen zu formulieren, nämlich dass nach dem ersten Satz eingefügt wird:

Das setzt einerseits voraus …

Der dann dritte Satz sollte lauten:

Darüber hinaus sind die Therapiefreiheit des Arztes ebenso wie die Bereitstellung der notwendigen Mittel unabdingbar.

Dann hat man sprachlich einen gemeinsamen Duktus. Das gehört, glaube ich, zusammen. Anderenfalls würden die beiden Sätze sprachlich überhaupt nicht mehr zusammenpassen.

Ich bitte Sie, dem Änderungsantrag 01 b nicht zu folgen. Ich glaube nämlich, dass man die Grundgedanken zur solidarischen Krankenversicherung, zur Kostenerstattung, zum Prämienmodell oder einem umlagefinanzierten Modell nicht einfach streichen darf. Ich kann mir eine solidarische Krankenversicherung auch mit steuerfinanzierten Subventionen vorstellen.

(Beifall)

Ich bitte Sie, den Antrag 01 b nicht anzunehmen.

Damit komme ich zum Antrag 01 c von Herrn Clever. Das kann man meines Erachtens ohne Weiteres so machen. Ich frage Herrn Clever, ob er damit einverstanden ist, wenn der Begriff „Individualarzt“ durch „einzelner Arzt“ ersetzt wird. „Individualarzt“ finde ich sprachlich etwas schwierig. Ich weise Sie vorsichtshalber darauf hin, dass zumindest der Gedanke im vorletzten Absatz des Vorstandsantrags auftaucht. Er ist allerdings vielleicht so schwierig ausgedrückt, dass man es nicht gleich auf den ersten Blick merkt.

Der Antrag IV-02 zielt auf ein transparentes Informationsangebot gegenüber den Patienten ab. Ein identischer Antrag ist, wenn ich richtig informiert bin, auf der KBV-Vertreterversammlung gestellt worden. Dort hat er keine Zustimmung gefunden. Hier bei uns kann man ihn sicherlich behandeln, wenn man die Begründung weglässt. Aber die Begründung ist sowieso nicht Inhalt des Antragstextes. Ansonsten steht dieser Antrag ein kleines bisschen allein im Raum.

Antrag IV-03 kann in meinen Augen problemlos verabschiedet werden.

Zum Antrag IV-04 von Herrn Fabian und Herrn Schulze bin ich Ihnen eine kurze Information schuldig. Das, was in diesem Antrag gefordert wird, haben wir längst behandelt. Wir haben zusammen mit der Bundesnotarkammer die Möglichkeit eines solchen Patientenverfügungsregisters geprüft. Die Bundesnotarkammer hat ein solches Register mit inzwischen über 1 Million registrierten Patientenverfügungen und darüber hinaus auch registrierten Betreuungsverträgen und Vorsorgevollmachten. Man weiß also auch, wer die Ansprechperson ist, über die man beispielsweise an die Patientenverfügung herankommt.

Bis heute erlaubt der gesetzliche Auftrag der Bundesnotarkammer nur, dass allein Staatsanwälte, Richter, Familiengerichte und ähnliche Personen bzw. Institutionen auf dieses Register zurückgreifen dürfen. Ärzte dürfen das noch nicht. Wir stehen zurzeit mit der Bundesnotarkammer in Verhandlungen, um zu prüfen, ob wir daraus ein gemeinsames Register machen können und man den gesetzlichen Auftrag der Bundesnotarkammer entsprechend erweitert.

Wir sind nicht davon überzeugt, dass es klug ist, zwei Register zu haben. Ich glaube, es ist einfacher und liegt im Interesse der Patienten und anderer Personen, ein gemeinsames Register zu führen. Dem kommt man sehr gut nach, wenn der Antrag an den Vorstand überwiesen würde. Wir haben bereits einen Prüfauftrag an unsere Mitarbeiter erteilt.

Den Antrag IV-05 halte ich für problemlos.

Antrag IV-06 verstehe ich als einen dringenden Appell, die Probleme der Rechtsmedizin, vor allem in Bonn, zu lösen. Der Antrag steht aber ein bisschen allein in diesem Tagesordnungspunkt zu den Patientenrechten. Ich bin mir nicht sicher, ob das nicht ein klassischer Antrag für den Tagesordnungspunkt „Tätigkeitsbericht“ wäre. Das Petitum ist sicherlich richtig und vernünftig. Aber ob der Antrag hier beim Thema „Patientenrechte“ richtig untergebracht ist, da bin ich etwas skeptisch.

Die Anträge 07 und 08 halte ich für ausgesprochen richtig und vernünftig. Ich bitte Sie hier um ein positives Votum.

Damit bin ich am Ende mit der Behandlung der mir bis jetzt bekannten Anträge und danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall)

© Bundesärztekammer 2010