TOP V: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

Freitag, 14. Mai 2010, Vormittagssitzung

Dr. habil. Schang, Schleswig-Holstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin Dr. Wenker, herzlichen Dank für Ihren ganz hervorragenden Vortrag, der eigentlich alle wesentlichen Punkte dieses Themas erschöpfend behandelt hat. Ich möchte keinen Änderungsantrag stellen, sondern den Akzent auf einige Punkte legen, die ich für wichtig halte.

Es ist einfach großartig, dass die Idee der Vernetzung in der Selbstverwaltung angekommen ist, denn das ist die Zukunftsaufgabe der medizinischen Versorgung. Daran kann kein Zweifel bestehen. Die Frage ist nur: Wer macht das und wer managt das? Das ist alles längst im Gange. Wir haben eine zunehmende Aktivität im Rahmen solcher Vernetzungen. Das geht einerseits von Klinikkonzernen aus, die das mehr oder weniger erfolgreich machen, und es gibt einige Enthusiasten, die von der Basis her dies versuchen, und zwar mehr oder weniger erfolgreich. Es ist außerordentlich wichtig, dass die gemeinsame Selbstverwaltung diese Vernetzung als ihre originäre Aufgabe ansieht, damit wir nicht an den Punkt geraten, wo vernetzte Strukturen von Großkonzernen, die natürlich renditeorientiert arbeiten und nicht unbeträchtliche Mittel aus dem Gesundheitswesen in Form von Renditen abziehen, beherrscht werden.

Als zweiten Punkt nenne ich Managed Care. Es klingt in dem Antrag ein wenig so, als sei Managed Care grundsätzlich etwas Negatives. Wir alle kennen die Beispiele von Managern, die sich in Großkonzernen oder Banken auf absolut schamlose Weise bereichern, und zwar zulasten von Tausenden von Menschen. Deswegen käme niemand auf die Idee, das Management in Großkonzernen oder Banken komplett abzuschaffen. Genauso verhält es sich mit Managed Care. Managed Care ist eigentlich ein ganz wesentliches Prinzip. Ohne irgendeine Form von Managed Care ist diese Vernetzung, die wir alle zunehmend als wichtig betrachten, nicht möglich. Wenn Sie eine Vernetzung haben wollen, muss das irgendjemand managen. Managen ist mehr als die Lotsenfunktion des Hausarztes, die ich absolut befürworte, sondern managen ist sehr viel mehr, betrifft auch transsektorale Behandlungspfade und die elektronische Vernetzung. Management ist auch Controlling: Wo läuft etwas falsch? Wo läuft etwas richtig? Dazu braucht man eine Managementstruktur.

Ein weiterer Faktor beim Managed Care ist die Einheit von Kostenträger und Leistungserbringer. Das kann gut sein und das kann schlecht sein. Wir alle kennen das Beispiel von Kaiser Permanente. Dies wird immer gern als Negativbeispiel angeführt, wo ein Versicherungskonzern gleichzeitig Kliniken und Praxen betreibt. Das kann im schlechtesten Fall dazu führen, dass den Patienten aus Gründen der Profitmaximierung notwendige Leistungen vorenthalten werden. Das ist schlecht, das will keiner von uns in Deutschland. Aber es gibt auch Formen der Integration von Kostenträgern und Leistungserbringern in partieller Gestaltung, die durchaus positiv sein können. Wenn eine vernetzte Struktur an Einsparerfolgen aufgrund effizienterer und besserer Versorgung durch Verträge beteiligt wird, ist das auch eine partielle Integration von Kostenträgern und Leistungserbringern. Das ist eine sehr gute Sache.

Wir sollten darauf achten, den Begriff „Managed Care“ nicht zu verteufeln, nur weil es einige ganz krasse Negativbeispiele gibt. Wir sollten begreifen, welches Potenzial im Managed Care liegt. Wir alle kennen seit 120 Jahren in Deutschland Managed Care unter einem anderen Begriff, nämlich dem der Berufsgenossenschaften. Sie besitzen mit die besten Unfallkliniken im Land, sie haben 6 000 D-Ärzte unter Vertrag. Sie sind einerseits Leistungserbringer und andererseits Kostenträger. Über Berufsgenossenschaften kann man vieles sagen, aber eines ist ganz klar: Dort erfolgt die mit Abstand hervorragendste Versorgung von Unfallverletzten.

Managed Care kann also auch eine ganz hervorragende Versorgung bedeuten. Die Frage ist nur: Wer macht das? Wie wird es gemacht? Ich sage noch einmal: Das muss eine Aufgabe der Selbstverwaltung werden.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank. – Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Bertram aus Nordrhein gemeldet.

© Bundesärztekammer 2010