TOP V: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

Freitag, 14. Mai 2010, Vormittagssitzung

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe Jetzt kommt der Antrag V-25:

Der Deutsche Ärztetag spricht sich für die Abiturnote als ein Kriterium zur Auswahl für die Zulassung zum Medizinstudium aus.

Dazu gibt es den Wunsch nach einer Gegenrede. Bitte.

Dr. von Zastrow, Niedersachsen: Ich spreche gegen den Antrag. Bis in die 60er-Jahre gab es keinen Numerus clausus. Die Ärzte, die bis zu diesem Zeitpunkt studiert hatten, hatten im Durchschnitt relativ „schlechte“ Abiturnoten, schlechter als bei anderen Fachgebieten. Dass die damals ausgebildeten Ärzte schlechter waren als die später ausgebildeten, bezweifele ich. Sicherlich korrelieren die Abiturnoten mit den Noten des Staatsexamens. Ziel des Studiums ist aber nicht das Staatsexamen, sondern das, was danach kommt.

Ich fände es sinnvoller, ein Experiment zu machen, indem man sagt: Wir lassen eine gewisse Quote – 100 oder 200 – rein nach Zufall zu und prüfen, ob das am Ergebnis irgendetwas ändert. Ich persönlich vermute: nein. Dann würde auch der Druck nachlassen, dass man aufgrund der guten Note meint, studieren zu müssen.

Viel wichtiger finde ich, dass das System der Abiturnoten die Jungen benachteiligt. In dem Bestreben, die Benachteiligung von Mädchen auszugleichen, ist es dazu gekommen, dass die Jungen an dem Vorbild der braven Mädchen gemessen werden; überwiegend weibliche Lehrer. Die Tatsache, dass die Quote an Jungen so gering ist, liegt an einer gewissen Chancenbenachteiligung.

(Beifall – Widerspruch)

Eventuell wäre eine Quotierung sinnvoll, indem man die Hälfte der Studienplätze an Jungen und die Hälfte an Mädchen vergibt.

(Vereinzelt Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank. – Rudolf Henke möchte den Antrag verteidigen.

Henke, Vorstand der Bundesärztekammer: Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich habe Verständnis für diese Argumentation. Ich sehe hier im Saal etliche, die im persönlichen Gespräch gestehen, dass sie unter den heutigen Bedingungen mit ihrer Abiturnote nicht direkt zugelassen worden wären. Ich sehe übrigens auch drei oder vier, die nicht sicher sind, ob sie so lange hätten warten können, weil das auch ein existenzielles Problem ist, zumal man unter den heutigen Bedingungen ja auch daran gehindert ist, während der Wartezeit ein anderes, vielleicht sinnvolles Studium zu absolvieren. Man darf zwar eine Berufsausbildung absolvieren, aber wenn man während dieser Zeit studiert, wird das nicht auf die Wartezeit angerechnet.

Insofern habe ich dafür großes Verständnis. Aber in dem Antrag steht ja auch nicht, wir sollen uns dafür aussprechen, dass die Abiturnote das einzige Kriterium ist. Wir nennen sie als ein Kriterium. Daran werden wir auch nicht vorbeikommen, solange wir überhaupt einen Numerus clausus haben, denn für diesen Numerus clausus gilt in einer Leistungsgesellschaft, dass die zuvor in der Abiturnote dokumentierte Leistung beim Abitur schon eine Bedeutung haben muss. Anders ist dieser Numerus clausus überhaupt nicht zu vertreten. Man kann das meines Erachtens nicht an irgendwelche Zufallskriterien binden.

Die Formulierung „ein Kriterium“ lässt Raum für andere Kriterien, die man auch berücksichtigt. Aber ich glaube nicht, dass wir an der Abiturnote als einem Kriterium vorbeikommen. Das bringt der Satz zum Ausdruck.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank. Ich möchte nicht sagen, was aus mir geworden wäre, wenn ich – –

(Heiterkeit)

Wer möchte dem Antrag 25 zustimmen? – Wer ist dagegen? – Der Antrag ist klar angenommen.

© Bundesärztekammer 2010