TOP V: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

Freitag, 14. Mai 2010, Vormittagssitzung

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Dann kommen wir zum Antrag V-112:

Der 113. Deutsche Ärztetag fordert den Gesetzgeber auf, neben dem Sachleistungssystem den Aufbau einer eigenständigen, funktionsfähigen Säule der ambulanten Versorgung auf der Grundlage des Kostenerstattungsprinzips zeitnah umzusetzen.

Die Kostenerstattung beruht auf dem bilateralen Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Patient. Eine Selbstbeteiligung der Patienten an den Kosten muss sozial verträglich so gestaltet sein, dass der Zugang zur ärztlichen Behandlung für alle Bürger ungehindert möglich ist.

(Zuruf: Vorstandsüberweisung!)

Das haben wir unter Tagesordnungspunkt I schon diskutiert und abgestimmt. Das wäre hier der zweite Versuch.

Es ist Vorstandsüberweisung beantragt. Möchte jemand dagegensprechen? – Herr Grauduszus.

Grauduszus, Nordrhein: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben am Dienstag die generelle Einführung eines Kostenerstattungsprinzips besprochen. Hier geht es darum, dass eine eigenständige Säule der Kostenerstattung, die funktioniert, eingeführt werden muss, und zwar zeitnah, damit wir als Ärzte unsere Unabhängigkeit in den Praxen erhalten und die Kollegen in den Krankenhäusern eine Perspektive haben, auch noch in der Zukunft unabhängig arbeiten zu können. Ich erinnere an das Urteil des Sozialgerichts, das festgestellt hat, wir seien wie Angestellte der Krankenkassen zu behandeln. Nur dann, wenn die Kostenerstattung, die auf der Grundlage eines direkten Vertragsverhältnisses zwischen Arzt und Patient beruht, eingeführt wird, wird unser Arztberuf frei bleiben können. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Jetzt ist auch noch eine Gegenrede gegen den Antrag selber gewünscht. Wir schauen erst einmal, was Sie bezüglich der Vorstandsüberweisung meinen. Wer möchte den Antrag an den Vorstand überweisen? Dann brauchen wir keine weitere Aussprache. – Wer ist gegen die Überweisung? – Das ist die Mehrheit.

Dann ist jetzt Rudolf Henke zur Gegenrede berechtigt. Bitte schön.

Henke, Vorstand der Bundesärztekammer: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir haben gestern durch den Leitantrag ein Erprobungsverfahren beschlossen. Da bin ich mit einem Änderungsantrag unterlegen. Wenn wir diese Erprobung für richtig gehalten haben, ist das etwas fundamental anderes als die generelle Einführung einer eigenständigen Säule.

(Beifall)

Eine eigenständige Säule bedeutet auf Deutsch, dass wir in Zukunft parallel zueinander zwei unterschiedliche Abrechnungssysteme haben werden. Wir werden ein Abrechnungssystem im Sachleistungsprinzip haben und ein zweites Abrechnungssystem im Kostenerstattungssystem.

Wenn wir das so machen, muss logischerweise das Recht der Ärzte entstehen, sich zu entscheiden, in welchem der Systeme sie tätig werden wollen. Wenn dieses Recht entsteht, bedeutet dies, dass sich die einen auf das Sachleistungssystem beziehen und die anderen sagen: Für uns kommt aber nur die Kostenerstattung infrage.

Jetzt ist die Frage, ob die Kostenerstattung wirklich ein Verfahren ist, von dem man sagen kann, dass es so sozial verträglich gestaltet wird, dass der Zugang für alle Bürger ungehindert möglich ist. Das ist ja das, was Herr Grauduszus fordert.

Liebe Leute, das wird für eine Menge von Menschen nicht so sein.

(Beifall)

Es wird viele Menschen geben, für die das Kostenerstattungsprinzip eine hohe Hürde bei der Inanspruchnahme darstellt. Das bedeutet eine Teilung der Kollegenschaft: in diejenigen, die bereit sind, sich mit dem Patienten auseinanderzusetzen, der das Kostenerstattungsprinzip nicht will, und solche, die dazu nicht bereit sind. Das halte ich für eine Attacke auf die innerärztliche Solidarität. Ich bin sehr dagegen, dass wir diesen Antrag beschließen.

(Beifall – Zurufe)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Jetzt darf auch jemand den Antrag verteidigen. Herr Grauduszus, möchten Sie das selber machen? Herr Dr. Mitrenga legt Wert darauf, dass er diesen Antrag nicht mit gestellt hat. Er möchte gern von dieser Liste gestrichen werden.

Grauduszus, Nordrhein: Das wollte ich kurz erklären. Herr Mitrenga hat aus demokratischen Erwägungen diesen Antrag mit unterzeichnet, aber er ist nicht Mitantragsteller. Er wird dort irrtümlich aufgelistet.

Ich denke, die Argumente sind ausgetauscht. Deshalb sollte man zur Abstimmung kommen.

Danke.

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Das ist eine gute Idee. – Jetzt steht der Antrag 112 zur Abstimmung. Wer möchte dem Antrag 112 zustimmen? – Wer möchte ihn ablehnen? – Der Antrag ist abgelehnt.

(Beifall)

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