Dienstag, 18. Februar
2003
Berlin, Axica Kongress- und Tagungszentrum, Nachmittagssitzung
Dr. Josten, Nordrhein:
Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Der Tagungsort
ist perfekt gewählt: Auf dem Nachbargrundstück Pariser
Platz 2 wurden die Vorläufermodelle der Bismarck’schen
Sozialgesetzgebung durch Graf Henckel Fürst von Donnersmarck
entwickelt. In diesem Zusammenhang nenne ich auch das Stichwort
Schlesien, die Heimat von Herrn Mitrenga, dem man anmerkt, dass
er ebenso wie Herr Krömer aus meiner Kammer Nordrhein der Sozialgesetzgebung
verhaftet ist. Ich denke, von dort aus hat man einen guten Weg beschritten.
Herr Montgomery hat über Krokodilstränen gesprochen und
Solidarität angemahnt. Das erinnert mich an den Spruch von
Churchill: Füttert nicht das Krokodil in der Hoffnung, als
Letzte gefressen zu werden! Das möchte ich an die Adresse derjenigen
Kolleginnen und Kollegen sagen, die anders denken und aus der jetzigen
Situation Honig saugen.
(Beifall)
Die jetzige Gesundheitspolitik erinnert mich mehr an Bert Brecht
und Kurt Weill. In der „Dreigroschenoper“ heißt
es in dem Lied über die menschliche Unzulänglichkeit -
wenn ich gut singen könnte, würde ich es Ihnen vorsingen
-:
Ja, mach nur einen Plan
Sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch ’nen zweiten Plan
Gehen tun sie beide nicht.
Das bringt mich zu dem Stichwort Stiftung Warentest und der Aussage
der Ministerin, dass sie ein solches Institut wünscht. Selbst
bei Nahrungsmitteln prüft die Stiftung Warentest nicht Exzellenz,
sondern sie prüft Normierung. Ich zitiere eine Sprecherin der
Stiftung Warentest: Diese Nahrungsmittel richten sich nicht nach
den speziellen Anforderungen von Spitzenköchen. Für Spitzenqualität
bei Nahrungsmitteln im Handel werden entsprechend hohe Preise gezahlt,
wie Sie wissen; denn Qualität hat ihren Preis.
Die großen Discounter im Handel nehmen, wenn ein Erzeugnis
als schwach bewertet wird, dieses Produkt aus den Regalen. Das wirkt
zwar verbraucherfreundlich. Man könnte es auch andersherum
sehen - so schreibt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“
-, Aldi wartet, bis etwas nicht mehr gut abschneidet.
Was bedeutet es für die Arzt-Patienten-Beziehung, wenn ein
nationales Zentrum kommt? Wird ein solches Institut nicht gebraucht,
um notwendige Leistungen zu rationieren oder zu verweigern? Oft
genug geht es ja bei der ärztlichen Leistung nicht um Spitzenqualität
im Ergebnis, sondern darum, das Schlimmste zu verhüten.
Zum Abschluss noch ein Zitat von einer Ministerin, aber nicht von
Frau Schmidt, sondern von Frau Künast. Dieses Zitat stammt
vom 14. Januar 2003:
Was derzeit in vielen Märkten passiert, ist
in höchstem Maße Besorgnis erregend. Wir befinden uns
in einer beispiellosen Abwärtsspirale bei den Preisen. Damit
lässt sich die hohe Qualität, die Verbraucher zu Recht
von deutschen Produkten verlangen, auf Dauer nicht sicherstellen.
Gute Qualität gibt es nicht zum Nulltarif. Das gilt für
Ökoprodukte genauso wie für konventionelle Ware. Deswegen
müssen wir an die Macht der Discounter heran.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall)
Dr. Auerswald, Vizepräsidentin:
Vielen Dank, Herr Josten. Wir hätten Sie sicherlich gern singen
gehört. - Ich freue mich, Frau Dr. Anke Müller begrüßen
zu dürfen. Sie ist niedergelassene Hausärztin aus Mecklenburg-Vorpommern.
Wir kennen sie bereits von anderen Gelegenheiten her als engagierte
Kollegin. Sie ist gleichzeitig Delegierte aus Mecklenburg-Vorpommern. |