Der Antrag von Herrn Henke, Dr. Mitrenga, Dr. Wolter und Dr. Ungemach
(Drucksache I-03) wird zur weiteren Beratung an den Vorstand der
Bundesärztekammer überwiesen:
Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern
human und attraktiv gestalten
Der Außerordentliche Deutsche Ärztetag
fordert die Einhaltung und zügige Umsetzung der gegebenen
Zusagen zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes und Abschaffung
der Arzt im Praktikum (AiP)-Phase.
Der Deutsche Ärztetag erinnert nachdrücklich an die
vor der Bundestagswahl von allen Parteien gegebene Zusage, unter
Beachtung des entsprechenden Urteils des Europäischen Gerichtshofes
nach der Wahl einen Gesetzentwurf zur Anerkennung der Bereitschaftsdienste
als Arbeitszeit vorzulegen. Dazu müssen das Arbeitszeitgesetz
geändert und die Einstellung von 15.000 zusätzlichen
Ärztinnen und Ärzten in Krankenhäusern finanziert
werden. Die bislang von der Bundesregierung im Rahmen des Fallpauschalengesetzes
zugestandenen zusätzlichen Finanzmittel für die Jahre
2003 und 2004 reichen dazu bei weitem nicht aus.
Politik und Arbeitgeber müssen umgehend die Arbeitsbedingungen
in deutschen Krankenhäusern verbessern. Dazu gehören:
- eine ausreichende Personalausstattung des ärztlichen
und pflegerischen Dienstes,
- eine der Verantwortung und hohen Spezialisierung angemessene
Vergütung der Arbeit im Krankenhaus,
- die Finanzierung der Kosten, die durch immer höher werdende
Anforderungen an die ärztliche Fort- und Weiterbildung
entstehen,
- die sofortige Abschaffung des AiP,
- der Abbau unnützer Hierarchien,
- die Einführung eines Kollegialsystems,
- die Gewährleistung einer besseren Zusammenarbeit zwischen
niedergelassenen Ärzten und Krankenhausärzten.
Zunehmend haben Krankenhäuser in der gesamten Bundesrepublik
Probleme bei der Besetzung ärztlicher Stellen. Was vordergründig
wie ein Ärztemangel aussieht, ist in Wirklichkeit eine Ärzteflucht.
Unattraktive Arbeitsbedingungen und fehlende Berufsperspektiven
verjagen den Nachwuchs.
„Nullrunden“ sind Bankrotterklärungen
Der Deutsche Ärztetag fordert statt
„Nullrunden“ die Abschaffung der patientenfeindlichen
Budgets und eine Neubewertung ärztlicher Arbeitskraft.
Statt mit Nullrunden notwendige Reformen im Gesundheitswesen
zu blockieren, ist eine zukunftsgerechte Neubewertung der ärztlichen
Arbeitskraft notwendig. Grundsätzliche Forderung ist und
bleibt die Abschaffung der leistungsfeindlichen Budgets. Diese
sind mit dem Ziel einer zeitgemäßen ausreichenden stationären
Versorgung, den zunehmenden Patientenzahlen und einer politisch
gewollten Ausweitung der Krankenhausleistungen nicht vereinbar.
Die Politik muss bei einer angestrebten Stärkung ambulanter
Versorgung in Krankenhäusern die technischen und personellen
Voraussetzungen für diese zusätzlichen Leistungen schaffen.
Es ist offensichtlich, dass dies ohne zusätzliche Ressourcen
und Kosten nicht möglich ist.
Die Politik muss eine volle Finanzierung der erforderlichen Personalkosten
im Krankenhaus durch die Krankenkassen gewährleisten. Die
bisherige unzureichende Personalkostenerstattung hat den Mangel
an qualifiziertem Personal einschliesslich Ärzteflucht, die
Arbeitsverdichtung und eine erhebliche Leistungsverschlechterung
zumindest mit verursacht.
Durchgreifende Reform des Gesundheitswesens
Der Deutsche Ärztetag fordert die
Politik auf: Nicht Symptome, sondern Ursachen behandeln, nicht
Patienten und Leistungserbringer gängeln, sondern Finanzierungs-
und Leistungsseite reformieren!
Wieder einmal beschäftigt sich die Gesundheitspolitik nur
mit Ausgabenkürzungen und Budgetrestriktionen. Eine grundlegende
Reform des Systems, die die Einnahmen- und Ausgabenproblematik
umfassend löst, ist aber längst überfällig:
- Der demographische Wandel mit gestiegener Lebenserwartung
und gesunkenen Geburtenzahlen hat einen erheblich steigenden
Anteil alter und hochbetagter Menschen an der Gesamtbevölkerung
bewirkt.
- Der medizinisch-technische Fortschritt hat enorme neue diagnostische
und therapeutische Möglichkeiten und Notwendigkeiten eröffnet.
- Die Bedeutung von Gesundheit für jeden Einzelnen in der
Bevölkerung ist gestiegen.
Dabei gilt es zu entscheiden, ob das Gesundheitswesen auf der
Grundlage der systembestimmenden Prinzipien Solidarität,
Subsidiarität und Eigenverantwortung als beitragsfinanziertes
umlageorientiertes System weiter entwickelt werden kann oder ob
ein Systemwandel notwendig ist, um auch in Zukunft ein leistungsfähiges
und flexibles Gesundheitssystem für die Bevölkerung
bereit zu halten.
Diese Debatte muss gemeinsam mit den Patienten und den Vertretern
der Ärzteschaft öffentlich geführt werden. Noch
so kompetente Kommissionen können den öffentlichen demokratischen
Diskurs nicht ersetzen.
Ein zukünftiges Krankenversicherungssystem muss sich an
folgenden Kriterien orientieren:
- an den Bedürfnissen der Patienten
- am medizinischen Fortschritt
- an der demographischen Entwicklung
- an der Arbeitskosten- und Arbeitsmarktverträglichkeit
Der Deutsche Ärztetag fordert Politik und Gesetzgeber auf,
die anstehende Diskussion zügig, gemeinsam und zukunftsorientiert
mit der Ärzteschaft zu führen und deren Sachverstand
zum Vorteil der Menschen zu nutzen.