Zukünftige Qualifikation des Hausarztes

Immer wieder wurden Möglichkeiten und Ansatzpunkte zur Verbesserung der Weiterbildungsbedingungen in den Beratungen der Akademie beleuchtet. Auf der Grundlage des Beschlusses des 104. Deutschen Ärztetages 2001 wurde die Weichenstellung zu einer Zusammenführung der Ärzte für Allgemeinmedizin und der Ärzte für Innere Medizin in der hausärztlichen Versorgung vollzogen. Die Beratungen hierzu wurden in zahlreichen Sitzungen einer Vorstandsarbeitsgruppe, auch im Berichtsjahr, fortgeführt mit dem Ergebnis, dass Einigkeit darüber erzielt wurde, eine zweistufige Versorgungsstruktur in der ambulanten Versorgung – eine haus- und eine spezialärztliche Versorgungsebene – einzuführen und von der bisherigen dreistufigen Gliederung in Allgemeinarzt, Allgemeininternist und Spezialarzt Abstand zu nehmen. Im weiteren wurde Einigkeit darüber erzielt, dass der zukünftige Hausarzt eine fünfjährige Weiterbildung absolviert haben muss, und die Fachgebiete Allgemeinmedizin und Innere Medizin so zusammengeführt werden, dass damit der Versorgungsbedarf des Patienten in der hausärztlichen Versorgung gedeckt wird. In Verfolgung dieser Ziele war das Thema „Zukunft der hausärztlichen Versorgung“ auch Schwerpunktthema in den beiden Sitzungen der Akademie im Berichtsjahr. Im Frühjahr wurde auf der Grundlage eines Referates von Prof. Kossow, Mitglied des Vorstandes der Akademie, zugleich Vorsitzender des Berufsverbandes der Allgemeinärzte Deutschlands –Hausärzteverband e.V., das Thema intensiv erörtert. Prof. Kossow stellte die Ziele und die unterschiedlichen Interessenslagen der Beteiligten dar, die dazu geführt hätten, dass der Konflikt zur Gestaltung und zur Strukturierung der hausärztlichen Versorgung unlösbar erscheint, was letztlich auch die Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung in Frage stellt. Der Ärztetag in Rostock 2002 müsse daher genutzt werden, um die zukünftige Struktur der haus-ärztlichen Versorgung als Vorgabe für die inhaltliche Gestaltung der Weiterbildung des zukünftigen Hausarztes festzulegen. Ausgangspunkt der Beratungen waren die in der Diskussion befindlichen Modelle zur Lösung der Strukturfrage der hausärztlichen Versorgung, das Integrationsmodell des BDA und der DEGAM, die Konvergenzlösung des BDI und das Kompromissmodell des BHI. Aus der Sicht der Allgemeinärzte wurden die Anforderungen präzisiert, die in einer ausreichenden Praxisweiterbildung in Hausarztpraxen, in der Vermittlung theoretischer allgemeinmedizinischer Inhalte, in der Vermittlung der spezifisch hausärztlichen Arbeitsweise und der alleinigen Zuständigkeit des inhaltlich qualifizierten Hausarztes für die hausärztliche Versorgung (mit Ausnahme der Kinderärzte) zu sehen sind.

Auf der Basis des Einführungsreferats wurden in Vorbereitung der Ärztetagsberatungen die unterschiedlichen Strukturmodelle eingehend erörtert. Dabei wurde der dreijährige Weiterbildungsblock in der Inneren Medizin – konzipiert als common-trunk – kritisch gesehen, wenngleich innerhalb der drei Jahre Gestaltungsspielraum dahingehend bestehen soll, dass neben der vorgesehenen zweijährigen internistischen klinischen Weiterbildung, ein Jahr in einem patientennahen Fach für Hausärzte angerechnet werden kann; die dreijährige Weiterbildung in der Inneren Medizin soll eine spätere Krankenhaustätigkeit in der Funktion des bisherigen Allgemein-Internisten ermöglichen. Angeregt wurde, die Voraussetzungen des Initiativprogramms zielgerichtet auf die Förderung von Hausärzten zu lenken und dabei die Frage zu klären, ab welchem Zeitpunkt des Weiterbildungsganges die Förderung des Initiativprogramms einsetzen muss, um das Ziel zu erreichen; ob eine Förderung erst nach Absolvierung des „common-trunks“, der als Orientierungsphase für die haus- oder fach-ärztliche Versorgung dienen soll, ansetzen muss. Hingewiesen wurde auf die Flexibilität zur inhaltlichen Ausfüllung des dreijährigen „common-trunk“. Als besonders wichtig wurde die Sicherstellung von Praxisweiterbildungsstellen angesehen, um typisch hausärztliche Inhalte und die hausärztliche Arbeitsmethodik zu vermitteln. Positiv wurde auch die im Weiterbildungsgang angelegte Integration der Versorgungsebenen gesehen, wonach haus-ärztliche Erfahrungen auch an der Klinik wirksam werden können. Eine besondere Aufgabe ist den Universitäten zugewiesen worden, die die Attraktivität des Faches und eine Förderung von Lehre und Forschung im Gebiet der Allgemeinmedizin wahrnehmen müssen. Langfristig wurde eine Weiterbildungsbedarfsforschung gefordert, die eine bedarfs- bzw. versorgungsorientierte Gestaltung der Weiterbildung ermöglicht und weniger sachfremde Erwägungen zum Zuge kommen lässt.

Die Namensgebung des neuen Fachgebietes wurde erörtert, wobei diese nicht vor der Verabschiedung des neuen Weiterbildungsganges gefunden werden muss. Als Nahziel wurde die einheitliche Hausarztqualifikation gesehen und damit als Folge ein zweistufiges Versorgungsmodell in der ambulanten Versorgung – die Strukturierung des Gebietes mit der einheitlichen Hausarztqualifikation auf der einen Seite und den Schwerpunkten der Inneren Medizin auf der anderen Seite – verbunden durch ein „common-trunk-Modell“. Detailregelungen über die spezifischen inhaltlichen Anforderungen wurden auf einen späteren Zeitpunkt vertagt. Im Vordergrund stand der Kompromiss über die Integration der bisherigen Fachgebiete „Allgemeinmedizin“ und „Innere Medizin“; deshalb hat die Akademie einstimmig die einheitliche Qualifikation des Hausarztes auf der Grundlage des BDA/DEGAM-Integrationsmodell beim diesjährigen Deutschen Ärztetag in Rostock befürwortet.

Nachdem der 105. Deutsche Ärztetag 2002 in Rostock das Strukturmodell zur Weiterbildung in der Inneren- und Allgemeinmedizin (Hausarzt/Hausärztin) beschlossen hatte, wurde die Diskussion über die weitere inhaltliche Gestaltung in der Herbstsitzung der Akademie fortgeführt. Auf der Basis eines einleitenden Sachstandsberichts des Vorsitzenden der Akademie und zwischenzeitlicher Entwicklungen, wurden die Vorgaben des Rostocker Ärztetages eingehend erörtert. Dabei wurden zwei kontroverse Positionen erkennbar. Ein Teil der Mitglieder sprach sich – auch unter dem Eindruck der Proteste aus dem Kreis der Inneren Medizin – gegen das Rostocker Weiterbildungsmodell aus, weil das Profil der Allgemeinmedizin nicht mehr erkennbar sei, die Breite des Faches nicht mehr gewährleistet sei, das Fälleverteilungsgesetz aus den Praxen keine Beachtung finde und damit der Versorgungsbedarf der Bevölkerung drohe vernachlässigt zu werden. Das Rostocker Modell bedürfe aus Sicht dieser Diskutanten einer größeren Ausrichtung auf die Allgemeinmedizin. Der andere Teil der Mitglieder sprach sich für das vorgelegte Verschmelzungsmodell und für den gefundenen Kompromiss aus, weil nach deren Meinung die Versorgungswirklichkeit abgebildet sei, die Nachwuchsprobleme gelöst würden, die erneute Reduzierung der Weiterbildung auf drei Jahre (Übertragung des Euro-Praktikers) vermieden werden könne, andererseits die Beibehaltung des Status quo zu einer quantitativen und qualitativen Abschmelzung der Allgemeinmedizin führe. Daher wurde für den Rostocker Beschluss votiert, allerdings flankiert um Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung. Diese werden insbesondere darin gesehen, die Weiterbilder zu schulen, die Weiterbildung zum neuen Hausarzt vermehrt zu begleiten und zu coachen, das Kursprogramm in Krankenhäusern anzubieten, um den Nachwuchs für die Allgemeinmedizin zu motivieren, berufsbegleitende Fortbildung anzubieten, die Weiterbildung zu evaluieren und die Lehrbeauftragten zu bitten, sich insbesondere bei diesen weiteren Qualifikationsmaßnahmen einzubringen.

Die Akademie  sprach sich mehrheitlich für ein Festhalten am Rostocker Ärztetagsbeschluss aus – auch wenn Verbesserungsmöglichkeiten in Detailfragen – obligatorische sechs Monate in der Chirurgie, zusätzliches Kursweiterbildungsangebot in der psychosomatischen Grundversorgung – denkbar und begrüßenswert sind. Trotz der geäußerten Bedanken aus dem Kreis von Allgemeinärzten darf aus Sicht der Akademie dieser Kompromiss nicht gefährdet werden. Dabei soll es dem kommenden Ärztetag überlassen bleiben, die Entscheidungen im Bezug auf eine inhaltliche Ausrichtung in der Chirurgie und im Bezug auf die Kursweiterbildung zu treffen.

© 2003, Bundesärztekammer.