In Konsequenz
der erkennbaren politischen Entwicklung befasste sich der Vorstand der Akademie
in einer Klausurtagung im August 2002 mit Vorstellungen zur Sicherstellung
einer hochwertigen fachärztlichen Versorgung. Dazu wurde zunächst die
gesundheits- und sozialpolitische Lage aus Sicht der Bundesärztekammer und aus
Sicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung analysiert; die derzeitige
politische Tendenz will eindeutig den Krankenkassen mehr Steuerungsmacht
übertragen. Klar ist auch, dass wenn der Sicherstellungsauftrag an die
Krankenkassen fällt, damit auch der Staat zentrale Steuerungsgewalt wahrnehmen
muss, da eine flächendeckende Versorgung zusätzlicher Regulierungen bedarf.
Vertieft wurde die Diskussion über die Auswirkungen der DRG's im Krankenhaus,
die nicht nur die Krankenhausvergütung völlig umgestalten, sondern sich vor
allem auf angrenzende Versorgungsbereiche gravierend auswirken werden, wie alle
internationalen Erfahrungen belegen, sind extreme Verkürzungen der Verweildauer
zu erwarten, die dazu führen, dass ein Kapazitätsabbau bzw. eine Umwidmung
bestehender Akut-Abteilungen in Rehabilitationsabteilungen erfolgt, in welche
vermehrt Fälle aus der Akutversorgung verlagert werden. Zu erwarten ist auch,
dass bisher im stationären Bereich erbrachte Leistungen in den ambulanten
Bereich verlagert werden. Zur Bewältigung dieser Auswirkungen sind sowohl
Strukturen der nachgehenden Behandlung auf- bzw. auszubauen; ausgelagerte
Leistungen müssen bei Fortbestand der sektoralen Budgets finanziert werden.
Auch die Weiterentwicklung der integrierten Versorgung ist angesichts sich
wandelnder Arbeitsbedingungen im Krankenhaus neu zu überdenken. Angesichts
dieser Entwicklung wurde die Frage nach der zukünftigen Zusammenarbeit zwischen
ambulant tätigen Fachärzten und Krankenhausärzten diskutiert, wobei sich
grundsätzlich verschiedene Entwicklungstendenzen identifizieren lassen, die zum
einen entweder das Krankenhaus als zentrales Dienstleistungszentrum vorsehen
oder alternativ die bisherige arbeitsteilige Struktur mit unterschiedlichen
Zuständigkeiten aufrecht erhalten, jedoch Kooperationsmöglichkeiten besser
nutzen.
Der
Vorstand der Akademie hat auf Grund der Diskussion in der Klausurtagung
beschlossen, dem Plenum der Akademie einen Problemaufriss zu diesen Themen
vorzulegen. Er hatte sich zudem in einer Empfehlung für die freiberufliche
Ausprägung der fachärztlichen Versorgung ausgesprochen, die sich idealerweise
sogar bis ins Krankenhaus als sektorübergreifende – quasi belegärztliche
Versorgung – erstrecken könnte. Dieser Versorgung wird Vorrang vor einer
Dominanz des stationären Versorgungsbereichs mit Integration der
fach-ärztlichen Versorgung im Angestelltenstatus eingeräumt. Das Konzept, das
einer Integration durch das Krankenhaus nach holländischem Modell entgegenwirkt setzt voraus, dass die
sektorale Budgetierung entfällt und gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen,
d. h. ärztliche Leistungen unabhängig vom Ort ihrer Erbringung gleich vergütet
werden. Als weitere Voraussetzung wird eine Aufrechterhaltung der Steuerung des
Leistungsgeschehens im ambulanten Bereich über die Kassenärztlichen
Vereinigungen, d. h. über die Ärzteschaft betrachtet.
Die
Diskussion über die Sicherstellung einer qualitativ hochstehenden
fachärztlichen Versorgung wurde in der Herbstsitzung im Plenum der Akademie im
Plenum fortgeführt, dabei wurden auf der Basis eines einleitenden Vortrages
seitens der Geschäftsführung die Auswirkungen bestehender Gesetze und
bevorstehender erneuter Reformgesetzgebung auf der Grundlage der
Koalitionsvereinbarung aufgezeigt sowie hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die
fachärztliche Versorgung analysiert und mögliche Optionen zukünftiger
Strukturen fachärztlicher Versorgung dargestellt.
Die
in der Akademie geführte Debatte zeigte unterschiedliche Einschätzungen über
die zukünftige Gestaltung der fachärztlichen Versorgung und zwar abhängig vom
jeweiligen Fachgebiet; während Fachgebiete mit hohem technischem Anteil eher
dazu neigen, Kooperationsformen mit dem Krankenhaus zu suchen, sehen andere
Fachgebiete Chancen für ärztliche Kooperationsformen im ambulanten Bereich.
Dabei ist allerdings noch nicht klar absehbar, ob diese Kooperationsformen
ärztlich gesteuert bleiben oder von Krankenkassen gesteuert werden, wie z. B.
die Integrationsversorgung nach § 140 SGB V, die nach dem Willen der Politik in
Zukunft in HMO-ähnlichen Strukturen außerhalb des Kollektivvertragssystems der
KV'en stattfinden kann; Prognosen über den Erhalt freiberuflicher
fachärztlicher Versorgungsstrukturen würden erschwert wegen der Unsicherheit
der zukünftigen finanziellen Rahmenbedingungen der ambulanten fachärztlichen
Versorgung. Wahrscheinlich werde der ökonomische Druck durch Einführung der
neuen Entgeltformen im Krankenhaus und dadurch bedingter Verlagerungseffekte
von Leistungen in andere Versorgungsbereiche, vor allem in die ambulante
Versorgung, den Boden für Kooperationsformen in direkter Anbindung – wenn nicht
Abhängigkeit vom Krankenhaus –bereiten. Die Gefahr einer „Hollandisierung“ mit
einer Bündelung der fachärztlichen Versorgung am Krankenhaus sei dabei umso
wahrscheinlicher, je mehr finanzielle Mittel der ambulanten Versorgung
vorenthalten bzw. entzogen werden. Inwieweit die Ärzteschaft selbst das in der
Koalitionsvereinbarung verankerte parallele Einzelvertragssystem der Krankenkassen
anstelle des Kollektivvertragssystems präferieren werde, sei schwer
einzuschätzen, hänge jedoch entscheidend von den jeweiligen finanziellen
Ressourcen, den Rahmenbedingungen der Tätigkeit und somit von der
Chancengleichheit beider Systeme sowie von der geforderten
Versichertenentscheidung für die Integrationsversorgung ab. Dass die zu
erwartende zunehmende Abhängigkeit fachärztlicher Tätigkeit vom Krankenhaus
einerseits und von den Krankenkassen andererseits zu Fehlentwicklungen in der
Patientenversorgung führen kann, wurde unterstrichen. Empfohlen wurde, seitens
der Bundesärztekammer und der ärztlichen Verbände die Bevölkerung über mögliche
Fehlentwicklungen zu informieren, die durch die Dominanz der wirtschaftlichen
Betrachtungsweise, den ausufernden Verwaltungsaufwand zu Lasten der Medizin und
die Kontrolle und Gängelung der Ärzteschaft und des Patienten in Richtung
„Standardversorgung“ drohen. Die Diskussion ergab auch, dass Kooperationsformen
in verschiedenen Ausprägungen innerhalb der ambulanten Versorgung
zukunftweisend sein können, wenn hierfür gleichartige Vergütungsstrukturen wie im Krankenhaus und die berufsrechtlichen
Voraussetzungen, sowohl in der Berufsordnung als auch in der
Weiterbildungsordnung, geschaffen werden. Große Bedeutung wurde der
Weiterentwicklung der ärztlichen Fortbildung beigemessen, die in der Hand der
Kammern und in Zusammenarbeit mit Fachgesellschaften und Berufsverbänden
originäre ärztliche Aufgabe bleiben und der Tendenz, in der Versorgung
ärztliche Behandlungsstandards abzusenken, entgegenwirken muss. Als
wünschenswert wurde eine fachärztliche Versorgung in Verantwortung der
Ärzteschaft und nicht über Krankenkassen fremdgesteuert angesehen, die –
abgestuft nach medizinischen Versorgungsnotwendigkeiten – eine wohnortnahe patientengerechte
Versorgung weiterhin sicherstellt; eine „Hollandisierung“ würde diesen
Anforderungen an eine qualitätsvolle fachärztliche Versorgung nicht gerecht,
wie Erfahrungen im Grenzgebiet zu Holland zeigen. Als ideale Organisationsform
aus ärztlicher Sicht wurde eine freiberufliche sektorübergreifende Versorgung
im Teamarztmodell angesehen, die die Abschottung der Versorgungsbereiche
überwindet und eine durchgehende ärztliche Versorgung bei einheitlichen
Vergütungsstrukturen sicherstellt. Diese Variante ist das absolute Gegenmodell
zu den derzeit diskutierten politischen Lösungsansätzen, die darauf abzielen,
die Freiberuflichkeit des Arztberufes weit gehend zu beseitigen. Die Diskussion
über zukünftige Strukturen fach-ärztlicher Tätigkeit soll in der Akademie
fortgesetzt und je nach Entwicklungsstand und Stand der politischen Debatte
innerärztlich abgestimmt werden.
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