Möglichkeiten der Objektivierung von Verlagerungseffekten aus dem stationären in den ambulanten Versorgungsbereich

Durch die Einführung der DRGs ist eine umfassende Begleitung in Form von Modellprojekten erforderlich, um Verlagerungseffekte zu Lasten der Patientenversorgung frühzeitig zu erkennen und zu verhindern sowie sachgerechte Schnittstellenlösungen für den Übergang zwischen den verschiedenen Versorgungsbereichen finden zu können. Die Grenzen ärztlich verantwortbarer Leistungsverlagerungen müssen schon jetzt klar definiert werden. Ferner müssen medizinisch geprägte Prüfkriterien bei der Aufnahme sowie bei der Entlassung erarbeitet werden. Eine Analyse erfordert politische Unterstützung zur Erhebung von Daten, die versichertenbezogen sektorübergreifend sein müssen.

Da mit umfänglichen Leistungsverlagerungen aus dem stationären in den ambulanten Bereich zu rechnen ist, bedeutet dies auch im Rahmen des „gedeckelten“ sektoralen Budgets mehr Leistung für gleiches Honorar. Um die Auswirkungen dieser Leistungsverlagerungen auf objektive Weise belegen zu können, ist es auch notwendig, den Ist-Zustand der Leistungsstrukturen vor DRG-Einführung zu erfassen. Dies bedeutet aber auch, dass insbesondere in dieser Phase dokumentiert werden muss, wie viele prä- und poststationäre Behandlungen in den Praxen erfolgen. Auf Grund dessen wird derzeit ein Modellprojekt des Zentralinstitutes für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (ZI) zum „Aufbau eines Informationssystems zur Ermittlung von Verlagerungseffekten aus dem stationären in den ambulanten Bereich im Zusammenhang mit der Einführung von DRGs“ im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung durchgeführt.

Um noch aussagekräftige Daten über die Zeit vor der Einführung des DRG-Vergütungssystems bereits im Jahr 2003 zu erhalten, ist mit dem Modellprojekt bereits 2002 bei niedergelassenen Ärzten in Schleswig-Holstein, Koblenz, Hessen und Niedersachen begonnen worden. Folgende Hypothesen sollen untersucht werden:

    Durch die Einführung der DRGs kommt es zu vermehrter prä- und poststationärer Diagnostik und Therapie im ambulanten Versorgungsbereich, insbesondere bei radiologischen, labormedizinischen und sonographischen Leistungen.

    Die vermehrte poststationäre Behandlung wird mit einer deutlichen Zunahme von Arzneimittelverschreibungen einhergehen.

    Die Zunahme prä- und poststationärer Leistungserbringung im ambulanten Bereich wird sich insbesondere auf pflegeintensive Indikationen konzentrieren. Sie führt zu einer Ausweitung der belegärztlichen Tätigkeit u. a. in Folge vermehrter Umwandlung von Haupt- in Belegabteilungen.

    Die DRG-Einführung wird einen Anstieg von Behandlungsfällen im ambulanten Bereich bedingen, die im Krankenhaus nicht mehr behandelt werden.

Das Ergebnis der Studie wird Grundlage einer gemeinsamen Positionierung der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gegenüber dem Gesetzgeber sein.

Neben den direkten Auswirkungen auf die Patientenversorgung, z. B. bei frühzeitiger Entlassung, Zunahme von Notfällen, Zunahme der Wiedereinweisung auf Grund fraktionierter Versorgung müssen neben der Studie des Zentralinstitutes weitere Instrumente geschaffen werden, die eine Analyse von Verlagerungseffekten ermöglichen. Dazu bieten sich beispielsweise auf Grundlage von Leitlinien für Versorgungsketten und auf dem Morbiditätsindex zur Erfassung der Morbiditätsentwicklung folgende Vorgehensweisen an wie:

    Entwicklung von Prüfkriterien bei der Aufnahme sowie bei der Entlassung. Die bisherige Fehlbelegungsüberprüfung wird umgestaltet in eine Überprüfung der Aufnahmenotwendigkeit und eine Entlassungsprüfung bzw. Prüfung der notwendigen Länge der Verweildauer, hierzu sollen Kriterien entwickelt werden. Der MDS erarbeitet derzeit einen Kriterienkatalog, der allerdings schwer durchsetzbar erscheint, weil er mehr medizinisch als ökonomisch geprägt ist. Regionale Unterschiede bezüglich der Kriterien sind nicht auszuschließen.

    Katalog nach § 115 b Sozialgesetzbuch V. Dieser Katalog könnte Ansatzpunkte hinsichtlich der Zuordnung von Leistungen ausschließlich zum ambulanten oder zum stationären Versorgungsbereich bieten oder Leistungen beiden Bereichen zuordnen.

    DRG-Begleitforschung gemäß § 17 b Abs. 8 KHG. Die durch das Fallpauschalengesetz vorgesehene Begleitforschung zur DRG-Einführung ist so auszugestalten, dass sie auch die Erfassung von oben genannten Verlagerungseffekten beinhaltet. Es stellt sich aber die Frage, inwieweit der Umstand, dass die mit der Umsetzung der DRG-Einführung beauftragten Vertragsparteien nun auch die Begleitforschung im Sinne der „Selbstkontrolle“ eigenverantwortlich und neutral durchführen sollen, auch tatsächlich zu aussagekräftigen Ergebnissen verhilft.


Der Ausschuss „Integration“ fordert, dass die Begleitforschung gemäß § 17 b Abs. 8 KHG nicht nur von der Deutschen Krankenhausgesellschaft und den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenversicherungen gestaltet und inhaltlich bestimmt werden darf. Hier muss zwingend die Einbeziehung der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vorgesehen werden.

© 2003, Bundesärztekammer.