Prognosen im Hinblick auf Integrationsmodelle der Zukunft

Es ist abzusehen, dass das deutsche Gesundheitswesen in der derzeitigen Form an seine Finanzierungsgrenzen gestoßen ist. Gründe sind die starre Anbindung der Krankenversicherungsbeiträge an die Entwicklung der Löhne und Gehälter trotz stetig abnehmender Lohnquote, die demografische Entwicklung hin zu einer Gesellschaft des langen Lebens bei einer sinkenden Anzahl von Erwerbstätigen und der schnell voranschreitende medizinische und medizinisch-technische Fortschritt mit einem stetig wachsenden Angebot an Gesundheitsleistungen. Die Reaktion der Bundesregierung auf diese  angespannte finanzielle Lage des Gesundheitssystems ist, dass sie den Akteuren im Gesundheitswesen einen weiteren Handlungsspielraum durch Wettbewerb, z. B. bei der Neugestaltung der Vertragsbeziehungen eröffnen will, wie den Abschluss von Einzelverträgen neben dem bisherigen Kollektivvertragsrecht. Weiterhin sind der Ausbau der Integrationsversorgung sowie alle Möglichkeiten der Verzahnung oder des konkurrierenden Versorgungsangebotes von Krankenhäusern und medizinischen Zentren vorgesehen und somit wird der Wettbewerb zwischen den Versicherern und den Leistungserbringern gefördert. Der Wettbewerb zwischen freiberuflichen Ärztinnen und Ärzten, Gesundheitszentren und institutionell geöffneten Krankenhäusern stellt die Bedarfsplanung in Frage. Eine zusätzliche staatliche Steuerung wird den Gestaltungsspielraum der Selbstverwaltung einengen.

Im Hinblick auf unterschiedliche Konzepte der zukünftigen integrierten Versorgung können folgende Trends identifiziert werden:

1.    Polikliniken, Gesundheitszentren und institutionell geöffnete Krankenhäuser können in Anbindung an ambulante Diagnose-, Versorgungs-, Reha-, und Pflegeeinrichtungen zusätzlich neben den freiberuflich tätigen Fachärzten im ambulanten Bereich tätig werden.

2.    Die bisherige arbeitsteilige Struktur mit unterschiedlichen Zuständigkeiten bleibt aufrechterhalten mit Verbesserungen in der Zusammenarbeit. Darüber hinaus ist weiterhin denkbar, dass selbstständige niedergelassene Fachärzte ihre Leistungen im Sinne einer konsiliarärztlichen Tätigkeit dem Krankenhaus anbieten oder sich im oder am Krankenhaus niederlassen.

Die erste Option führt dazu, dass das Krankenhaus zentraler (Macht-)Faktor im Versorgungsgeschehen wird. Es verteilt aus DRGs z. B. Finanzmittel für Leistungen, die an ambulant tätige Ärzte delegiert werden, es wählt „zuarbeitende“ und „nacharbeitende“ Ärzte, Reha- und Pflegeeinrichtungen aus, mit denen es zusammenarbeiten will. Langfristig werden Fachärzte wegen ihrer wachsenden wirtschaftlichen Abhängigkeit ans Krankhaus gebunden, traditionell niedergelassen tätige Fachärzte sind nur noch bedingt existenzfähig. Es entwickelt sich allmählich die so genannte holländische Struktur der Versorgung mit zwei Ebenen, auf der einen Seite die hausärztliche Versorgung auf der anderen die ambulante fachärztliche Versorgung im Krankenhaus zusammen mit der stationären Versorgung.

Die zweite Option sieht weiterhin eine Arbeitsteilung zwischen hausärztlicher, fachärztlicher und stationärer Versorgung vor mit freiberuflichem Status der niedergelassenen Ärzte und Angestelltenstatus der Krankenhausärzte. Verbesserungen der Zusammenarbeit sind zu erreichen über Kooperationsmodelle, verbesserte Kommunikation, gemeinsame Nutzung ihrer Medizintechnik, Zusammenarbeit im Bereich der Telematik, gegenseitige Vertretung, Einsatz von „border-aid“-Pflegekräften, die Patientenübergänge zu den einzelnen Versorgungsbereichen organisieren bzw. koordinieren und Angleichung der Vergütungssysteme, d.h. gleiche Vergütung für gleiche Leistungen in Form von DRGs, insbesondere für den Schnittstellenbereich. Die freiberufliche Ausprägung des Arztberufes im niedergelassenen Bereich bleibt erhalten, ebenso wie eine fachärztliche Versorgung durch niedergelassene Ärzte. Das Krankenhaus beschränkt sich auf die stationäre Versorgung.

Der Ausschuss „Integration“ hat sich für die zweite Option ausgesprochen mit einer weiterhin arbeitsteiligen Patientenversorgung zwischen hausärztlicher, fachärztlicher und stationärer Versorgung mit freiberuflichem Status der niedergelassenen Ärzte und Angestelltenstatus für Ärzte im Krankenhaus.

Ein einheitliches Vergütungssystem beider Versorgungsbereiche ist - unabhängig von Problemen im Zusammenhang mit der Leistungsdifferenzierung - nur möglich durch Aufhebung der sektoralen Budgets sowie unter Berücksichtigung der Mengenentwicklung und des Morbiditätsindexes.

Einige Möglichkeiten zur Lösung sind denkbar: im Hinblick auf das ambulante Operieren sollte die Vergütung für ärztliche Leistungen auf den Behandlungsfall beziehbar sein, damit die Vergütung je nach Zuordnung des Behandlungsfalles der Leistung folgen kann. Auch ist denkbar, dass die Vergütung im Rahmen eines kombinierten Budgets für das Netz erfolgt, in dem die Kassenärztlichen Vereinigungen die Hälfte des Budgets bestreiten und die andere Hälfte aus dem Krankenhausbudget stammt.

© 2003, Bundesärztekammer.