Australian Refined-DRG-System als Basis des deutschen Fallpauschalensystems

§ 17 b KHG i. d. F. des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 sieht für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen die Einführung eines durchgängigen leistungsorientierten pauschalierenden und international erprobten Vergütungssystems vor. Dieses hat Komplexitäten und Comorbiditäten abzubilden. Sein Differenzierungsgrad soll praktikabel sein sowie Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergüten. Soweit allgemeine Krankenhausleistungen nicht in solche Entgelte einbezogen werden können, weil der Finanzierungstatbestand nicht in allen Krankenhäusern vorliegt, sind bundeseinheitlich Regelungen für Zu- oder Abschläge zu vereinbaren, insbesondere für die Notfallversorgung und eine zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung notwendige Vorhaltung von Leistungen, die auf Grund des geringen Versorgungsbedarfs mit diesen Entgelten nicht kostendeckend finanzierbar ist sowie für Ausbildungsstätten und Ausbildungsvergütungen. Die Fallgruppen und ihre Bewertungsrelationen sind bundeseinheitlich festzulegen; die Punktwerte können nach Regionen differenziert festgelegt werden. Die Bewertungsrelationen sind als Relativgewichte auf eine Bezugsleistung zu definieren.

Die Vertragspartner GKV-Spitzenverbände, PKV-Verband und Deutsche Krankenhausgesellschaft erhielten hiermit den gesetzlichen Auftrag zur Vereinbarung eines Vergütungssystems, das sich an einem international bereits eingesetzten System auf der Grundlage der Diagnosis Related Groups (DRG) orientiert, einschließlich der Punktwerte sowie seiner Weiterentwicklung und Anpassung an die medizinische Entwicklung und an Kostenentwicklungen. Nach gesetzlicher Vorgabe mussten die Vertragspartner bis zum 30. Juni 2000 die Grundstrukturen des Vergütungssystems und des Verfahrens zur Ermittlung der Bewertungsrelationen auf Bundesebene (Bewertungsverfahren), insbesondere der zu Grunde zu legenden Fallgruppen sowie die Grundzüge ihres Verfahrens zur laufenden Pflege des Systems auf Bundesebene vereinbaren. Die Bewertungsrelationen selbst sowie die Bewertung der Zu- und Abschläge waren bis zum 31. Dezember 2001 zu vereinbaren, wobei die Bewertungsrelationen auf der Grundlage der Fallkosten einer Stichprobe von Krankenhäusern kalkuliert, aus international bereits eingesetzten Bewertungsrelationen übernommen oder auf ihrer Grundlage weiterentwickelt werden konnten. Zum 01. Januar 2004 soll das neue Vergütungssystem die bisherigen Entgeltformen ersetzen, wobei es für das Jahr 2003 optional umgesetzt werden kann. Bei den im Zusammenhang mit der Einführung dieses neuen pauschalierenden Entgeltsystems vorgesehenen Vereinbarungen hat der Gesetzgeber der Bundesärztekammer ein Recht zur Stellungnahme eingeräumt, „soweit medizinische Fragen der Entgelte und der zu Grunde liegenden Leistungsabgrenzung betroffen sind.“

Bereits im Vorfeld gemeinsamer Besprechungen der Vertragsparteien über den Beratungsstand zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems nach § 17 b KHG hat die Bundesärztekammer im Mai 2000 eine grundlegende Stellungnahme in Form einer Entschließung des 103. Deutschen Ärztetages 2000 in die anstehenden Beratungen über die System-Entscheidung eingebracht, welche im Tätigkeitsbericht 1999/2000 abgedruckt war.

Nach intensiven Recherchen und umfangreichen Prüfungen verschiedener ausländischer Systeme haben sich fristgerecht zum 30. Juni 2000 die Vertragspartner auf das Australische AR-Patientenklassifikationssystem geeinigt. In einer vorherigen Beratungsrunde haben sowohl der Deutsche Pflegerat als auch die Bundesärztekammer ihre grundsätzliche Zustimmung zu diesem Einigungsergebnis erklärt. Die „Australian Refined Diagnosis Related Groups (AR-DRG)“ erfüllen nach Einschätzung der Bundesärztekammer die in der Entschließung des 103. Deutschen Ärztetages 2000 an ein solches System zu richtenden Anforderungen und Voraussetzungen im Vergleich zu den übrigen internationalen Systemen am ehesten. In einer gemeinsamen Presseerklärung bezeichneten die Vertragspartner (Deutsche Krankenhausgesellschaft und Krankenkassenspitzenverbände) die erfolgte Einigung als Beweis für die Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung, auch in kürzester Zeit und während des gesetzlich vorgegebenen Zeitrahmens zu einer für alle Beteiligten tragfähigen und richtungsweisenden Lösung kommen zu können.

Die Einführung des neuen Vergütungssystems gem. § 17 b KHG wird weit reichende Konsequenzen und Veränderungen für Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland nach sich ziehen. Das ausgewählte AR-DRG-System muss den Gegebenheiten der Krankenhausversorgung in Deutschland angepasst werden. Neben der Einigung über die Grundsätze der Kalkulation der Entgelte vereinbarten die Selbstverwaltungspartner, dass sich an die budgetneutrale Einführung des neuen Vergütungssystems im Jahr 2004 eine zweijährige Übergangsphase („Konvergenzphase“) anschließen soll. Die Anzahl der voll und teilstationär abrechenbaren Fallgruppen wurde zunächst auf eine Bandbreite von 600 bis maximal 800 DRGs festgelegt. Nach einer selbst gesetzten Nachverhandlungsfrist haben sich die Vertragspartner gem. § 17 b KHG am 15. Dezember 2000 weiterhin in einem Vertrag über die Regelung von Zu- und Abschlägen für die künftigen Fallpauschalen im Krankenhaus geeinigt. Damit haben sie bundeseinheitliche Kriterien geschaffen, nach denen neben den pauschalen Entgelten für Krankenhausleistungen individuelle Besonderheiten der Krankenhäuser berücksichtigt werden können. Der Vertrag sieht vor, dass Krankenhäuser, die nicht an der Notfallversorgung teilnehmen, künftig einen Abschlag auf ihre Fallpauschalen hinzunehmen haben. Für die Aufnahme von Begleitpersonen der stationär aufgenommenen Patienten sollen die Krankenhäuser dagegen eine gesonderte Vergütung erhalten. Weiterhin waren sich die Vertragspartner darin einig, dass Kriterien entwickelt werden müssen, unter welchen solche Krankenhäuser einen Zuschlag erhalten, die im Sinne der Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung nicht kostendeckend finanziert werden können. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der neuen Regelung sind die Zuschläge bei der Finanzierung von Ausbildungsstätten in Krankenhäusern. Hierfür präferierten die Selbstverwaltungspartner eine Fondslösung, für die der Gesetzgeber noch die Rahmenbedingungen schaffen muss. Um die Einführung von Innovationen zu Gunsten der Patienten zu unterstützen, vereinbarten die Beteiligten eine jährliche Überprüfung und Anpassung der Klassifikation außerhalb der Zuschlagsregelung.

Mit dem Ziel der öffentlichkeitswirksamen Unterstützung der Vorschläge der Ärzteschaft zur Einführung eines DRG-Fallpauschalensystems sowie insbesondere des Aufzeigens der erheblichen hiermit verbundenen Risiken unterstrich die Bundesärztekammer gemeinsam mit dem Marburger Bund und dem Verband der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e. V. Anfang Februar 2001 gegenüber Politik und Öffentlichkeit im Rahmen einer Pressekonferenz die Voraussetzungen, welche bei der Einführung eines DRG-Systems für die weitere Sicherstellung einer optimalen ärztlichen Patientenversorgung an Krankenhäusern erfüllt sein müssen. Die hierzu von den drei genannten ärztlichen Organisationen herausgegebene Presseerklärung ist im Tätigkeitsbericht 2001/2002 abgedruckt worden.

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