Die
Gesundheit zu erhalten und zu fördern, aus dem Arbeitsleben resultierende schädliche
Einflüsse zu verhindern, Krankheiten und Gesundheitsschäden früh zu erkennen
sowie eine berufliche Wiedereingliederung nach länger dauerndem
krankheitsbedingtem Ausfall zu begleiten, ist Ziel einer wirksamen
Gesundheitsvorsorge am Arbeitsplatz. Insbesondere vor dem Hintergrund auch
neuer rechtlicher Grundlagen haben die hierauf ausgerichteten Bemühungen der
Arbeitsmedizin an Bedeutung gewonnen. Angesichts zunehmender Erkenntnisse über
eine Vielzahl von Faktoren, die arbeitsbedingte Erkrankungen beeinflussen, hat
sich die Arbeitsmedizin in den letzten Jahrzehnten zu einem selbständigen
ärztlichen Gebiet entwickelt. Schon Anfang der siebziger Jahre erarbeitete die
Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin die Definition des
Gebietes Arbeitsmedizin als
„die
Lehre von den Wechselbeziehungen zwischen Arbeit und Beruf einerseits sowie dem
Menschen, seiner Gesundheit und seinen Krankheiten andererseits. Sie beruht auf
dem Studium der physischen und psychischen Reaktion des Menschen auf Arbeit und
Arbeitsumwelt. Diese Reaktionen werden mit normalen Methoden objektiviert und
qualifiziert. Die arbeitsbedingten Gesundheitsschäden müssen aufgedeckt werden.
Aufgabe der Arbeitsmedizin ist es, das Verhältnis zwischen Mensch und Arbeit zu
harmonisieren. Durch präventive und hygienische Maßnahmen sind Schäden an Leben
und Gesundheit zu verhüten. Aufgetretenen gesundheitlichen Störungen aller Art
muss durch den Einsatz moderner Früh- und Feindiagnostik und umfassender
Therapie in Klinik und Praxis entgegengewirkt werden. Das trifft auch speziell
für die Erkennung und Behandlung der anerkannten Berufskrankheiten am
Arbeitsplatz zu. Dem Geschädigten ist die Wiederanpassung durch Rehabilitation
an seine Arbeitsumwelt zu erleichtern. Zumindest ist aber für ihn durch eine
objektive und sachkundige Wertung und fachgerechte Begutachtung eine optimale
Entschädigung zu erwirken.“
Die
Arbeitsmedizin in Deutschland entwickelt sich einhergehend mit dem Wandel von
einer Industrie- in eine Dienstleistungsgesellschaft weiter, da neue Aufgaben
und Erwartungen an die betriebsärztliche Tätigkeit gestellt werden. Der Wechsel
der Paradigmen des Arbeitsund Gesundheitsschutzes bewirkt, dass sich der
Arbeits- und Gesundheitsschutz in seiner modernen Prägung als Verwalter von Sicherheit
und Gesundheit nicht mehr als Zustand, sondern als Prozess versteht. Die neuen
Rollenanforderungen an den Werksarzt oder Betriebsarzt können wie folgt
beschrieben werden: er ist Berater bei der strategischen Planung von
Gesundheitsvorsorge; er ist Manager mit Stabs- und Linienfunktionen im
Unternehmen in der operativen Planung und Überwachung arbeitsmedizinischer
Leistungen sowie in der Durchführung arbeitsmedizinischer Untersuchungen; er
ist Partner im Arzt-Patienten-Verhältnis; er ist Experte in der Medizin,
Toxikologie, Physiologie, Psychologie, Ergonomie und der angewandten
EDV-Technik; er ist Verwaltungsfachmann in der Bearbeitung der Auslegung von
Gesetzen, Vorschriften und Richtlinien; er ist Partner der Wissenschaft bei der
Analyse arbeitsmedizinischer Untersuchungsergebnisse, ferner ist er auch
verantwortungsvoller und loyaler „Unternehmer“ innerhalb des Unternehmens,
indem er Kosten- und Erlösverantwortung in der Organisation und Führung seiner
Dienststelle unter Beweis stellt. In diesem Sinne wird der Werks- oder
Betriebsarzt zunehmend mehr ein verantwortlicher Projektmanager für die
Gesundheit im Unternehmen. Zentral bedeutsam ist die Erfüllung des gesetzlichen
Auftrages in der Beratungs- und Untersuchungsmedizin sowie in der Gesundheitsvorsorge,
die Verbesserung der Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements auch durch
eine arbeitsmedizinisch relevante informationstechnische Unterstützung des
Arztes.
Die
Arbeitsmedizin stellt sich bereits diesen neuen Aufgaben. So werden im Rahmen
der in 2003 anstehenden Novellierung der (Muster-)Weiterbildungsordnung die
Definition der Arbeitsmedizin sowie die Weiterbildungsinhalte aktualisiert. Das
Kursbuch für den dreimonatigen theoretischen Weiterbildungskurs beinhaltet neue
Aufgaben der Arbeitsmedizin. Die bisherige Fixierung auf spezielle
arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen muss im Sinne einer ganzheitlichen
Sichtweise des Betriebes und des Beschäftigten einen neuen Stellenwert
bekommen. Der Umbruch von der Industrie- zur Informationsgesellschaft muss von
der Arbeitsmedizin als Chance begriffen werden, es sollen nicht Vertreter
anderer Professionen wie Soziologen, Psychologen etc. das Feld der
Arbeitsmedizin besetzen. Die Förderung des arbeitsmedizinischen Nachwuchses
wird eine vorrangige Aufgabe sein müssen. Bereits jetzt ist erkennbar, dass
nicht genügend Weiterbildungsstellen vorhanden sind, dass viele Betriebsärzte
demnächst aus Altersgründen aus dem Arbeitsprozess ausscheiden werden und dass
insgesamt weniger junge Ärztinnen und Ärzte dem Arbeitsmarkt zur Verfügung
stehen. An die Arbeitgeber muss appelliert werden, vermehrt betriebsärztliche
Sachkompetenz einzusetzen, damit mehr Weiterbildungsstellen eingerichtet und
finanziert werden können. Zunehmend muss beim ärztlichen Nachwuchs geworben und
herausgestellt werden, dass die Arbeitsmedizin ein wichtiges Aufgabenfeld mit
attraktiven Bedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten ist. Der Betriebsarzt
muss sich als Gesundheitsmanager den neuen Rollenanforderungen stellen, jedoch
muss er den Wandel zum sog. Gesundheitsmanager vor allem mit seinem ärztlichen
Selbstverständnis prägen. Die ärztliche Kompetenz muss immer Mittelpunkt seines
Handelns sein.
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