Kuratorium „Bewertung medizinischer Verfahren und Technologien“ (Health Technology Assessment) beim Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI)

Auf der Grundlage von Artikel 19 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 erhielt das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) den Auftrag, ein datenbankgestütztes Informationssystem für die Bewertung der Wirksamkeit oder der Effektivität sowie der Kosten medizinischer Verfahren und Technologien zu errichten sowie Forschungsaufträge zur Bewertung medizinischer Verfahren und Technologien, die aus Mitteln des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung gefördert werden, zu verteilen. Bei beiden Aufgaben soll das DIMDI gemäß Artikel 19 Abs. 2 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 durch eine Kuratorium „Bewertung medizinischer Verfahren und Technologien“ (Health Technology Assessment) sowie einen wissenschaftlichen Beirat unterstützt werden.

Am 21.02.2002 konstituierte sich das Kuratorium, das sich aus Vertretern einer vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung zusammengestellten repräsentativen Auswahl verschiedener Spitzenorganisationen des deutschen Gesundheitswesens zusammensetzt. Neben der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, dem Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen, den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Verband der privaten Krankenversicherung, dem Deutschem Pflegerat und der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientinnenstellen und Initiativen sowie der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften und dem Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirates „Health Technology Assessment“ beim DIMDI mit jeweils einer Stimme sind als nicht stimmberechtigte ständige Gäste der Bundesverband der Medizintechnologie, der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, sowie der Verband Forschender Arzneimittelhersteller im Kuratorium vertreten. Die Aufgabe des Kuratoriums besteht insbesondere darin (vgl. § 1 der Geschäftsordnung des Kuratoriums), beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information eingereichte Themenvorschläge zur Bewertung medizinischer Verfahren und Technologien im Hinblick auf die medizinische Relevanz der Thematik, insbesondere für die gesetzliche Krankenversicherung, zu priorisieren. Die vom Kuratorium mittels Delphi-Verfahren ausgewählten und beschlossenen Themen werden anschließend von der zu diesem Zweck geschaffenen HTA-Agentur (DAHTA@DIMDI) als Forschungsaufträge ausgeschrieben.

Im Rahmen der ersten Themenvergaberunde im Jahr 2002 wurde das Kuratorium zusätzlich aufgefordert, selbst Themenvorschläge in den HTA-Themenpool beim DIMDI einzustellen. Das von der Bundesärztekammer u. a. eingereichte Thema der vergleichenden Bewertung unterschiedlicher Untersuchungsmethoden zur Früherkennung des Mammakarzinoms wurde vom Kuratorium an die erste Stelle des HTA-Auftragsvergabeverfahrens priorisiert, im weiteren Verlauf jedoch von der Geschäftsführung der HTA-Agentur des DIMDI wegen einer sich zeitlich überschneidenden Veröffentlichung eines neuen kanadischen Berichts zum Mammakarzinom-Screening zurückgestellt. Das Thema war von der Bundesärztekammer mit der Intention eingebracht worden, die im Koordinierungsausschuss nach §§ 137 e und f vorgesehene Entwicklung eines strukturierten Behandlungsprogramms des Mammakarzinoms durch eine aktuelle, evidenzbasierte Bewertung der unterschiedlichen Konzepte zur Früherkennung des Mammakarzinoms, insbesondere der im internationalen Vergleich teilweise erheblich differierenden Screening-Projekte, zu unterstützen.

Mit Beginn der aktuell laufenden Themenvergaberunde für die Jahre 2002/2003 wurde der HTA-Themenpool bei DIMDI für die breite interessierte Öffentlichkeit geöffnet. Viele der aktuell eingereichten Themenvorschläge lassen jedoch aus Sicht der Bundesärztekammer eine präzise Fragestellung oder eine plausible Begründung der Relevanz für die gesetzliche Krankenversicherung vermissen. Dies und weitere Defizite im Verfahren (u. a. konnten von den insgesamt 35 HTA-Themen der ersten Themenvergaberunde lediglich sechs HTA-Berichte in Auftrag gegeben werden, ein fertiger Bericht konnte von der HTA-Agentur des DIMDI bislang noch nicht vorgelegt werden) haben letztendlich zu einem sinkendem Interesse eines Großteils der Kuratoriumsmitglieder, sowie zu einer aus Sicht des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung bislang enttäuschend niedrigen Beteiligung des Zielpublikums (wissenschaftliche Institute und Patientenvertreterorganisationen) an dem Projekt geführt.

Aus Sicht der Bundesärztekammer bestehen große Zweifel, ob die vom BMGS angestrebte Initiierung von HTA-Aktivitäten beim DIMDI tatsächlich dem gesetzlichen Auftrag nach Artikel 19 Abs. 1 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 gerecht werden kann. Das jetzige Konzept lässt nicht erkennen, wie die zukünftig hieraus resultierenden HTA-Berichte, die -allen Priorisierungsbemühungen des Kuratoriums zum Trotz - inhaltlich und/oder chronologisch entkoppelt vom tatsächlichen Entscheidungsbedarf, z.B. in den Gremien nach SGB V, erstellt werden, eine Wirkung im Versorgungsalltag entfalten sollen. Aus Sicht der Bundesärztekammer sollte eine ressourcenschonende Unterstützung der bereits durch die ärztliche Selbstverwaltung zur Sicherung der Qualität im Gesundheitswesen geschaffenen Strukturen und Institutionen angestrebt werden. Prioritär sollte deshalb vom DIMDI die in Artikel 19 Abs. 1 Satz 1 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 beschriebene Errichtung eines funktionierenden Informationssystems zur Bewertung medizinischer Verfahren und Technologien umgesetzt werden.

Die Bundesärztekammer wird ihre Mitwirkung im Kuratorium „Bewertung medizinischer Verfahren und Technologien“ fortsetzen. Health Technology Assessment (HTA) ist ein Grundbaustein der vom Gesetzgeber angestrebten, im GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 implementierten evidenzbasierten Entscheidungsfindung auf verschiedenen Ebenen des deutschen Gesundheitswesen. Die hierzu vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung entfaltete HTA-Initiative, zur Zeit durch Förderung der durch die HTA-Agentur beim DIMDI zu vergebenden HTA-Aufträge, bedarf einer kritischen Begleitung, insbesondere auch angesichts der möglicherweise im Jahre 2004 bevorstehenden Auflösung der Arbeitsgemeinschaft „Koordinierungsausschuss“ und Ablösung der zur Zeit noch durch die Organe der ärztlichen Selbstverwaltung in den Bundesausschüssen (§§ 92, 135 (1) SGB V) bzw. dem Ausschuss „Krankenhaus (§ 137 c SGB V)“ getragenen Bewertung medizinischer Verfahren und Technologien durch das geplante Deutsche Zentrum für Qualität in der Medizin.

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