Zwecks
Bündelung der verschiedenen HTA-Aktivitäten wurde unter Federführung von
Dezernat IV ein HTA-Arbeitskreis unter Beteilung der Dezernate III, V, VI sowie
der Hauptgeschäftsführung errichtet. Im Arbeitskreis werden die Informationen
und Erfahrungen aus den verschiedenen, mit Beteiligung der Bundesärztekammer
laufenden HTA-Projekten zusammengeführt (aus der gemeinsamen HTA-Arbeitsgruppe
von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung; aus den
Arbeitsgruppen „Protonentherapie“, „Autologe Chondrozytenimplantation“, sowie
„Hyperbare Sauerstofftherapie“ des Arbeitsausschusses „Methodenbewertung“ des Ausschusses
„Krankenhaus nach § 137c SGB V“; aus dem Kuratorium „Bewertung medizinischer
Verfahren und Technologien“ nach Artikel 19 Abs. 1 GKV-Gesundheitsreformgesetz
2000), sowie Schnittstellen mit den Bereichen der Qualitätssicherung und
Versorgungsforschung identifiziert. Zusätzlich wird ein intensiver
Erfahrungsaustausch mit dem Dezernat „Leistungsevaluation“ der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung gepflegt, das bis zum 01.03.2002 die Geschäftsführung für den
Arbeitsausschuss „Ärztliche Behandlung“ des Bundesausschusses der Ärzte und
Krankenkassen inne hatte, und während dieses Zeitraums erhebliche Vorleistungen
auf dem Gebiet von Health Technology Assessment in Deutschland – noch vor
Implementierung evidenzbasierter Entscheidungsfindung im GKV-Gesundheitsreformgesetz
2000 – geleistet hat, durch Erstellung evidenzbasierter Abschlussberichte zu
den jeweils zur Prüfung gemäß § 135 Abs. 1 SGB V beantragten neuen
Untersuchungs- oder Behandlungsmethode.
Vor
dem Hintergrund der gestiegenen Effizienzerwartungen im deutschen
Gesundheitswesen hat die Bewertung medizinischer Untersuchungs- und
Behandlungsverfahren einen unumkehrbaren Wandel erfahren. Diese Entwicklung
betrifft nicht nur die Leistungsevaluation in der gesetzlichen
Krankenversicherung, sondern tangiert die Methodik medizinischer
Verfahrensbewertung und das Selbstverständnis von ärztlicher Kompetenz in
diesem Feld allgemein. So wird u. a. auch vom PKV-Verband eine evidenzbasierte
Verfahrensbewertung neuer medizinischer Verfahren und Technologien mit Betonung
gesundheitsökonomischer Aspekte ausdrücklich befürwortet. Während die Zulassung
neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 135 Abs. 1 SGB V oder die
Anerkennung neuer Methoden in anderem Zusammenhang (z.B. gemäß
Beihilfevorschriften oder nach der Gebührenordnung für Ärzte) sich traditionell
auf die Sachverständigenanhörung stützte, wird nach heutigen Maßstäben eine
Verbreiterung der Informationsbasis gefordert. International hat sich der
Einsatz von HTA-Methodik zur medizinischen Verfahrensbewertung etabliert. HTA
(Health Technology Assessment) ist ein auf umfassender Recherche der
wissenschaftlichen Literatur und Analyse der Primärstudienqualität erstelltes
evidenzbasiertes Gutachten über den wissenschaftlichen und klinischen
Stellenwert und/oder die gesundheitsökonomische Relevanz einer Untersuchungs-
oder Behandlungsmethode (oder einer anderen „Health Technology“, wie z.B.
Medikamentenrichtlinien, Einsatz von Medizinprodukten und anderen). Positive
Potentiale der HTA-Methodik liegen in der Breite der Informationsbasis, der
Systematik und Transparenz der Vorgehensweise, sowie der Fokussierung des
klinischen Nutzens der zu bewertenden Methode unter Alltagsbedingungen
(Effectiveness) sowie der Fokussierung patientenzentrierter Outcome-Parameter. Daneben
kann Health Technology Assessment einen wertvollen Beitrag zur Aufdeckung von
Defiziten in der klinischen Evaluation eines Verfahrens oder der
Qualitätssicherung eines Verfahrens leisten. Wissenschaftliche Vorbehalte
bestehen insbesondere gegenüber der in Health Technology Assessments üblichen
Verwendung von Evidenzschemata, die nur eine auf deskriptiven Kriterien
basierende Klassifikation der klinischen Studien ermöglichen, aber keinesfalls
eine abschließende Aussage über die Studienqualität erlauben, sowie gegenüber
dem Einsatz gesundheits-ökonomischer Modellanalysen, die entweder vom Ansatz
her problematisch erscheinen, weil sie, wie z.B. die Messung von
Gesundheitseffekten in QUALYS (Quality adjusted life years =
qualitätskorrigierte Lebensjahre) ethische Fragen aufwerfen, und/oder
wissenschaftlich noch nicht ausgereift oder standardisiert sind.
Aus Sicht
der Bundesärztekammer ist eine Einbindung medizinisch-wissenschaftlichen und
klinisch erfahrenen Sachverstands auf allen Ebenen des HTA-Generierungsprozesses
im Interesse der klinischen Relevanz und Umsetzbarkeit der Ergebnisse in den
Versorgungsalltag unerlässlich. Der Informationsaustausch im Arbeitskreis HTA
der Bundesärztekammer dient einer kritischen Begleitung der HTA-Entwicklung in
Deutschland, die ohne Mitwirkung der Ärzteschaft Gefahr läuft, einseitig im
Sinne eines gesundheitsökonomischen Rationierungsinstruments vereinnahmt zu
werden. Durch Informationsveranstaltungen, z. B. im Rahmen der Akademie der
Gebietsärzte am 16.11.2002, werden die medizinischen Fachgesellschaften und
Berufsverbände aktiv in die Diskussion über den Stellenwert von HTA in
Deutschland unter Abwägung der positiven wissenschaftskritischen Potentiale
dieser Methodik und den Nachteilen durch Missbrauchsmöglichkeit als ein die
Ärzteschaft bevormundendes Steuerungselement einbezogen.
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