Die
Sicherung der Qualität der eigenen Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil der
ärztlichen Berufsausübung. Voraussetzung der Qualitätssicherung ist die
Bereitschaft zur selbstkritischen Überprüfung der diagnostischen und
therapeutischen Prozesse. Dies kann in der Regel nur funktionieren, wenn die
Qualitätssicherung von den Betroffenen akzeptiert und von ihnen selbst ein- und
durchgeführt sowie weiterentwickelt wird. Kontrollprinzipien, Sanktionen oder
Bestrafungen sind dagegen kontraproduktiv. Akzeptanz durch die Betroffenen ist
eine wichtige Voraussetzung und Schlüssel zum Erfolg aller eingeleiteten
Maßnahmen.
Qualitätssicherung
ist kein Selbstzweck, sondern ein zielgerichteter Prozess zur Verbesserung der
Patientenversorgung.
– Zur Qualitätssicherung gehören die Qualifikation von
Ärzten und Fachpersonal sowie die Ausstattung der Arbeitsstätte
(Strukturqualität).
– Qualitätssicherung umfasst die Bewertung des Nutzens
von Diagnostik und Therapie für den Patienten. Sie nimmt Einfluss auf die
Abläufe in den verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens und optimiert die
Indikationsstellung zur Durchführung der diagnostischen und therapeutischen
Maßnahme (Prozessqualität).
– Qualitätssicherung erstreckt sich auch auf die Beobachtung
und Prüfung der Ergebnisse diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen
(Ergebnisqualität).
In den
letzten Jahren ist in immer stärkerem Maße die Notwendigkeit gewachsen,
Qualitätssicherung systematisch zu betreiben und für die Öffentlichkeit
transparent zu machen. Wie bereits in den Tätigkeitsberichten vorangegangener
Jahre ausgeführt, gibt es immer mehr Leistungsbereiche, in denen konkrete
Qualitätssicherungsmaßnahmen von der Ärzteschaft entwickelt und durchgeführt
werden. Dies erfordert normative Grundlagen und ein stärker formalisiertes
Vorgehen. Die Ärzteschaft selbst hat eine ausdrückliche Verpflichtung zur
Teilnahme an Qualitätssicherungsmaßnahmen in den ärztlichen Berufsordnungen
bereits seit 1988 verankert. Durch das Sozialgesetzbuch V hat später der
Bundesgesetzgeber den Beteiligten im Gesundheitswesen und damit auch der
Ärzteschaft die Verpflichtung zur Entwicklung und Durchführung von
Qualitätssicherungsmaßnahmen zur Aufgabe gemacht. Mit dem
GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000,das am 1. Januar 2000
in Kraft getreten ist, und das Gesetz zur Reform zum Risikostrukturausgleichs
in der gesetzlichen Krankenversicherung mit den §§ 137 f und 137 g ist die
Entwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen im Sozialgesetzbuch V vorerst
zum Abschluss gekommen. Im Sozialrecht wurde damit die Zahl der Bestimmungen
zur Qualitätssicherung erhöht, die Zahl der Gremien ist angestiegen und die
Kompetenzen wurden auf die beteiligten Akteure im Gesundheitswesen neu
verteilt. Mit der Streichung des unter Bundesminister Seehofer eingeführten §
137 a wurde die Ärzteschaft auf dem Felde der Qualitätssicherung de facto in
die Rolle eines Beraters zurückgedrängt, legt man z. B. die zahlenmäßige
Verteilung im Koordinierungsausschuss zu Grunde, wo lediglich ein Vertreter der
Bundesärztekammer bei der Beschlussfassung mitwirkt. Dabei ist dem Gesetzgeber
mit der Etablierung des Koordinierungsausschusses (§ 137 e SGB V) und der
Schaffung des Ausschusses „Krankenhaus“ (§ 137 c SGB V) durchaus nicht
abzusprechen, dass damit konsequent eine wesentliche Lücke in der
Qualitätssicherung und der Qualitätssteuerung im Gesundheitswesen geschlossen
wurde. Mit dem Ziel, die Qualität der medizinischen Versorgung zu sichern und
zu vermeiden, dass medizinisch fragwürdige Leistungen zu Lasten der sozialen
Krankenversicherung erbracht werden, wurde in Anlehnung an die in der
ambulanten Versorgung etablierten Gremien eine Institution geschaffen, die die
Art und Qualität der in der Krankenhausbehandlung erbrachten Leistungen
dahingehend überprüft, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und
wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des
allgemein anerkannten Standes der medizinischen Wissenschaft erforderlich sind.
Der Koordinierungsausschuss hingegen dient der Absicherung der
sektorübergreifenden Verzahnung und einer einheitlichen Methodik bei der
Sichtung und Aufbereitung des wissenschaftlichen Datenmaterials für die
Bewertung der Wirksamkeit sowie der Kosten medizinischer Verfahren und
Technologien. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Beschlüsse zu
neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im vertragsärztlichen Bereich auch
im stationären Bereich Berücksichtigung erfahren. Während diese Intention noch
nicht in jeder Hinsicht abgesichert zu sein scheint, wird es methodisch
problematisch, mit den weiteren vorgesehenen Aufgaben des
Koordinierungsausschusses für mindestens 10 Krankheiten pro Jahr Kriterien für
die Leistungserbringung der Vertragsärzte und der Krankenhäuser festzulegen, um
Hinweise auf unzureichende, fehlerhafte oder übermäßige Versorgung zu
identifizieren bzw. abzustellen und durch deren Beseitigung die Morbidität und
Mortalität der Bevölkerung nachhaltig zu beeinflussen. Aus Sicht der
Ärzteschaft ist dieser Ansatz kaum operationalisierbar, da auf dem Boden von
Leitlinien für ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden kaum
Versorgungsabläufe definiert werden können, die zwingend zur Grundlage von
vertraglichen Regelungen gemacht werden. Hier bedarf es gesonderter Setzungen,
die von Leitlinien ex definitione als Behandlungskorridore nicht erfüllt werden
können.
Das
Konstrukt des Koordinierungsausschusses mit seinen Unterausschüssen „Ärzte/
Krankenkassen“ und dem „Krankenhausausschuss“ etc. ist bestechend und auch
plausibel. Der Ansatz ist theoretisch einleuchtend: Aus der Erkenntnis von
Über-, Unter- und Fehlversorgung, Verlagerung der Finanzströme abzuleiten und
dabei die Patientenversorgung zu optimieren. Bei der konkreten Ausgestaltung
von strukturierten Versorgungsprogrammen, die in die vertragsärztliche
Versorgung überführt werden sollen, wird sich jedoch zeigen, wie weit die
Prinzipien einer leitlinienorientierten, evidenzbasierten Medizin zur Basis qualitätsgesicherter
vertraglicher Regelungen gemacht werden können, die justitiabel sind und den
Prinzipien einer zweckmäßigen und wirtschaftlichen Leistungserbringung
entsprechen. Zugespitzt formuliert bedeutet es, dass sich die Medizin auf dem
Wege zu einer weitestgehend standardisierten Medizin befindet, die eingebunden
in ein Regelwerk den inhaltlichen Vorgaben der Vertragspartner zu folgen hat.
Der Freiheitsraum eines freiberuflich tätigen Arztes, dessen Handlungsziel auf
den Patienten und seine individuellen Bedürfnisse ausgerichtet ist, wird immer
mehr beschnitten. Wege zu solchen strukturierten Behandlungsprogrammen sind
unter anderem die so genannten Disease-Management-Programme, wie sie im § 137 f
und g vorgesehen sind (dazu detaillierter im entsprechenden Abschnitt).
Nicht nur
das Disease-Management sondern darüber hinausgehend jedwede Reglementierung
ärztlichen Handelns war das zentrale Thema des Tagesordnungspunkt 2 des 105.
Deutschen Ärztetages 2002 in Rostock. Unter dem Titel „Individualisierung oder
Standardisierung in der Medizin“ kamen nach einleitenden Referaten von
Professor Kolkmann, zu dem Zeitpunkt Präsident der Ärztekammer
Baden-Württemberg und zuständiges Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer für
Fragen der Qualitätssicherung, und Herrn Professor Enke, Präsident der AWMF,
der Ärztetag im Schulterschluss mit der AWMF zu der Auffassung, dass es zwar
notwendig ist, Handlungsanleitung z. B. in Form von Leitlinien zur Verfügung zu
stellen, dass aber die Entscheidung über die jeweils angemessene Versorgung im
Einzelfall vom Arzt im Einvernehmen mit dem Patienten zu treffen ist. In dem
entsprechenden Beschluss des Deutschen Ärztetages heißt es u.a., dass
wissenschaftlich begründetet Leitlinien für den praktizierenden Arzt ein
wichtiges Hilfsmittel sein können, um den jeweils aktuellen Stand
wissenschaftlicher Erkenntnisse zu nutzen. Allerdings dürften evidenzbasierte
Medizin, pauschalierte Abrechungssysteme und strukturierte Behandlungsprogramme
nicht instrumentalisiert werden, um Patienten zu typisieren und
Behandlungsabläufe zu schematisieren.
Einen
aktuellen Überblick zum Thema Qualitätssicherung bietet die Internetseite der
Bundesärztekammer unter www.baek.de / Themen A-Z / Qualitätssicherung. Hier
sind allgemeine Informationen ebenso zu finden, wie zahlreiche Texte und Links
zu anderen Organisationen.
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