Angeregt
durch Novellierungsabsichten landesgesetzlicher Regelungen zur Durchführung der
Leichenschau hat der Vorstand der Bundesärztekammer im Januar 2002 über
Möglichkeiten ihrer Verbesserung diskutiert. So beschloss er, den Arbeitskreis
„Pathologie“ zu aktivieren und unter Hinzuziehung eines Vertreters der
Rechtsmedizin eine Situationsanalyse vorzunehmen und einen Vorschlag zu
Verbesserungsmöglichkeiten zu erarbeiten.
Das
Beratungsgremium hat im Berichtszeitraum zweimal getagt und einen Vorschlag in
Form eines Mustergesetz zur ärztlichen Leichenschau und Ausstellung der
Todesbescheinigung erarbeitet. Der Ausschuss „Qualitätssicherung ärztlicher
Berufsausübung“ der Bundesärztekammer hat diesen Gesetzentwurf zustimmend zur
Kenntnis genommen. Der Vorstand der Bundesärztekammer hat in seiner Sitzung im
Dezember 2002 dem Ausschussvorschlag folgend beschlossen, in einem Schreiben
ein Problemaufriss der Situation aus rechtlicher medizinischer und
epidemiologischer Sicht darzulegen und den Mitgliedern der Konferenz für das
Gesundheitswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder (GMK) den
Entwurf eines Mustergesetztes beizufügen mit der Bitte, um Berücksichtigung bei
anstehenden gesetzlichen Änderungen auf Landesebene. Zielsetzung sollte es
sein, mittelfristig eine einheitliche gesetzliche Grundlage zu erreichen, um
damit sowohl die Situation für die Aus- und Weiterbildung zu verbessern als auch
für die Durchführung der Leichenschau in der Praxis.
In dem
Schreiben an die GMK heißt es u.a.:„Die Ärzte sind bei der Leichenschau auf
Grund der zeitlich knapp bemessenen Ausbildung und der mehr oder weniger
seltenen Durchführung der Leichenschau unsicher. Eine Befragung zufällig
ausgewählter Leichenschauärzte ergab, dass nur 45 % mehr als zehn
Leichenschauen im Jahr durchführten (Vennemann, Du Chesne, Brinkmann: Die
Praxis der ärztlichen Leichenschau, DMW 126, 712-716, 2001). Ungeachtet der
rechtsmedizinischen Forderung, die Untersuchung an der unbekleideten Leiche
durchzuführen gab nur ein Viertel der Ärzte an, die Leiche in jedem Fall zu
entkleiden (bei den Hausärzten nur 1 %). Insbesondere bei der Entscheidung,
polizeiliche Ermittlungen zum Todesfall zu veranlassen, werden niedergelassene
Ärzte und Notärzte bei der Leichenschau durch Angehörige – und paradoxerweise –
durch Polizeibeamte beeinflusst. Eine solche Beeinflussung durch die Polizei
gaben Notärzte in 47 %, niedergelassene Ärzte in 41 % an. .... Eine im Jahre
1997 veröffentliche Studie zu Fehlleistungen bei der Leichenschau in der
Bundesrepublik Deutschland (Brinkmann et al.: Archiv für Kriminologie 199:1-12
und 65-74,1997) lässt darauf schließen, dass mindestens 11.000 „nicht
natürliche Todesfälle“ darunter 1.200 Tötungsdelikte pro Jahr der Statistik
entgehen, weil sie bei der Leichenschau als „natürliche Todesfälle“ deklariert
werden. Auf Grund dieser Studie ist nach wie vor die Feststellung der
Generalstaatsanwälte der Länder und des Generalbundesanwaltes aus dem Jahre
1983 aktuell, wonach durch „die Leichenschau in der zur Zeit normierten Form
.... die sichere Feststellung nicht natürlicher Todesfälle nicht gewährleistet
ist“.
„Die
Ursachen für die Misere der Leichenschau liegen z. T. in der mangelnden
Sorgfaltsaufwendung durch die Ärzte, z. T. im deutschen Leichenschausystem. Da
eine Durchführung der Leichenschau durch spezialisierte Ärzte derzeit in
Deutschland nicht praktikabel erscheint, sollten zumindest bestimmte
Fallkategorien einer zweiten spezialisierten Leichenschau zugeführt werden.
Grundsätzlich sollte der erste leichenschauhaltende Arzt die Möglichkeit haben
zu signalisieren, dass er eine weitere Leichenschau durch einen zweiten Arzt
für erforderlich hält, etwa mangels erforderlicher Kenntnisse und Erfahrungen
oder weil äußere Bedingungen eine sorgfältige Leichenschau zunächst nicht
erlauben. Auch wenn der Tod möglicherweise in ursächlichem Zusammenhang mit
medizinischen Maßnahmen eingetreten ist, sollte eine zweite Leichenschau durch
einen an der Behandlung nicht beteiligten Arzt erfolgen. Gleiches gilt bei Tod
in Behandlung durch einen Familienarzt“.
Der
Entwurf eines Mustergesetzes, welcher mit entsprechendem
Begleitschreibschreiben Ende Januar 2003 der GMK zugestellt wurde, ist im
Dokumentationsteil des Tätigkeitsberichts vollständig wiedergegeben. Auf das
Schreiben der Bundesärztekammer an die GMK erfolgte bis zum Redaktionsschluss
dieses Berichts keine Resonanz durch die GMK. Parallel hierzu wurden auch die
Landesärztekammern aufgefordert, in Gesprächen mit ihren jeweiligen
Aufsichtsministerien die Initiative der Bundesärztekammer aufzugreifen.
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