Sanitätswesen

Das Sanitätswesen und die Belange der Versorgung der Soldaten haben und hatten stets die besondere Aufmerksamkeit der Bundesärztekammer. Auf Grund der großen thematischen Nähe, die unter anderem Ausdruck in den Überlegungen und Aktivitäten zur zivilmilitärischen Zusammenarbeit findet, wurden der Ausschuss „Sanitätswesen“ und der Ausschuss „Notfall- und Katastrophenmedizin“ der Bundesärztekammer vom Vorstand der Bundesärztekammer am 19.06.1999 zusammengeführt. Frau Dr. Auerswald, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer und Präsidentin der Ärztekammer Bremen, wurde zur Vorsitzenden dieses Gremiums berufen und Herr Dr. Gadomski, Präsident der Ärztekammer des Saarlandes, als stellvertretender Vorsitzender gewonnen.

Bereits im Frieden wird bei der Planung der Verteidigungsstrukturen konzeptionell eine enge zivil-militärische Zusammenarbeit angestrebt. Ziel ist ein Ausbildungs- und Leistungsverbund zwischen dem Sanitätsdienst der Bundeswehr und zivilen Krankenhausversorgungsträgern. Entsprechende Vereinbarungen zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft über Grundsätze einer Zusammenarbeit zwischen einem zivilen Krankenhaus und einer Reservelazarettgruppe wurden in einem Mustervertrag formuliert. In der Präambel dazu heißt es: Eine enge Zusammenarbeit schon zu Friedenszeiten in Fragen der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie die gemeinsame Nutzung von Material und Gerät bilden die Grundlage für eine derartige Kooperation. Das Zusammenwirken zivilen und militärischen Personals, welches sich in seinen individuellen Fähigkeiten kennt und mit vertrautem Gerät arbeitet, schafft zudem die Basis für die Kooperation im Falle der Landes- und Bündnisverteidigung.

Der Sanitätsdienst der Bundeswehr vollzieht zurzeit eine umfassende Strukturreform. Dabei spielt weiterhin die enge Kooperation mit dem zivilen Gesundheitswesen eine wichtige Rolle. Bei einer künftigen geplanten Gesamtstärke von 285.000 Soldaten in der Bundeswehr werden ca. 26.600 Dienstposten im zentralen Sanitätsdienst zusammengefasst. Es ist und bleibt erklärtes Ziel der Bundeswehr, eine dem fachlichen Standard des zivilen Bereiches vergleichbare medizinische Versorgung der Soldaten im In- und Ausland zu gewährleisten. Neben der angemessenen Präsenz erfordert dies eine hohe Einsatzbereitschaft und Mobilität sowie die sehr wichtige Durchhaltefähigkeit mit regelmäßig erforderlichem Personalwechsel an möglichen Einsatzorten. Die Bundesärztekammer leistet unter Wahrung der rechtlichen Vorschriften der Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern Unterstützung, damit den in der Bundeswehr tätigen Ärztinnen und Ärzten keine Weiterbildungsbenachteiligungen entstehen. Die neue Aufgaben- und Kräfteordnung im zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr erfordert auch eine neue Führungsstruktur. Das Sanitätsführungskommando und das Sanitätsamt der Bundeswehr bilden die Säulen der neuen Führungsorganisation. Die Neustrukturierung des Sanitätsdienstes für eine veränderte sicherheitspolitische Lage ist sehr weit fortgeschritten und dient dem Ziel, den Streitkräften eine jederzeit bedarfsgerechte sanitätsdienstliche Unterstützung bereitzustellen. Eine enge Verzahnung des zivilen und militärischen Bereiches soll nach Mobilmachung unter anderem im Bereich der Reservelazarettgruppen mit den zivilen Krankenhäusern stattfinden. Die Bundeswehrkrankenhäuser sollen als Partner im Gesundheitswesen auch zivilen Patienten offen stehen. Eine angemessene Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie die notwendige Inübunghaltung ist in Friedenszeiten durch die Versorgung ausschließlich militärischer Patienten in den Bundeswehrkrankenhäusern allein nicht zu gewährleisten. Für die Bundeswehr ist es wichtig, den tatsächlichen Arbeitsanfall in einem Einsatz, der in erheblichem Umfang traumatologisch ausgerichtet ist, in eigenen Bundeswehrkrankenhäusern abzubilden.

Die von der Politik entschiedene Vorgabe für die Bundeswehr ist es, bei insgesamt weniger Kapazitäten, die Funktionsfähigkeit für ihre Kernaufgaben zu gewährleisten, womit die Bundeswehr im Katastrophenschutz und im zivilen Rettungsdienst immer nur subsidiär tätig werden kann. Sie kann daher im Fall der Überlastung des zivilen Sektors eine ergänzende Kraft darstellen, nicht aber zu einer fest verplanten Größe für diesen Bereich zur Verfügung stehen. Insbesondere im Bereich des Lufttransportes ist eine Materialentscheidung hin zu einem neuen Hubschrauber vom Typ NH90 gefällt worden, womit das Aufsuchen von zivilen Unfällen mit Fluggerät der Bundeswehr auf Grund der Größe des neuen Hubschraubers zumeist nicht mehr möglich sein wird. Die Bundeswehr ist aber bereit, die Besetzung zivil betriebener kleinerer Rettungshubschrauber mit ihrem Personal vorzunehmen.

Die Bundesärztekammer weist auf die in § 16 Zivilschutzgesetz verankerte Notwendigkeit hin, wonach Einrichtungen der gesundheitlichen Versorgung ihre Leistungsfähigkeit auf die Anforderungen im Verteidigungsfall umstellen, erweitern und ihre Einsatzbereitschaft herstellen können müssen. Die Notwendigkeit einer Reservekapazität für Ereignisse mit massenhaftem Anfall medizinisch versorgungsbedürftiger Menschen ist ein zu berücksichtigender Teil der Versorgungs- und Bedarfsplanung.

Die Bundesärztekammer hat sich hinsichtlich der Bevorratung von Arzneimitteln für den Verteidigungsfall, in Großschadenslagen und bei Katastrophen inhaltlich hinter das Konzept der Deutschen Gesellschaft für Katastrophenmedizin e. V. gestellt, das unter Beachtung der Gebote der Praktikabilität und der Wirtschaftlichkeit erarbeitet wurde und geeignet ist, eine Verfügbarkeit von Arzneimitteln in den genannten Fällen zu gewährleisten. Das Zivilschutzgesetz definiert in § 17 Anforderungen an die Sanitätsmaterialbevorratung nach Maßgabe des Artikels 80 a des Grundgesetzes für den zusätzlichen Bedarf im Verteidigungsfall. Prof. Dr. med. Dr. h.c. J.-D. Hoppe hat gegenüber der Gesundheitsministerkonferenz auf die zwingend gebotene Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften auf Landesebene eindringlich hingewiesen. Konzepte der kooperativen Notfallbevorratung, die eine Einbindung von Arzneimittelvorräten in den Klinikbedarf vorsehen, werden als sinnvoll erachtet, da auf diese Weise viele Substanzen nicht durch Erreichen des Verfallsdatums verworfen werden müssen. Zwar wurde gegenüber der Bundesärztekammer seitens der Gesundheitsministerkonferenz versichert, dass die Bundesländer den Bedarf erkannt und aufgegriffen hätten, jedoch sind entsprechende Gesetzesinitiativen erst in einzelnen Bundesländern verankert worden. In Zeiten einer erhöhten Aufmerksamkeit gegenüber möglichen Bedrohungslagen infolge der terroristischen Anschläge auf das World Trade Center in New York im September 2001 wurden die Gesundheitsminister der Länder von Frau Dr. Auerswald als Vorsitzende des Ausschusses „Notfall-/Katastrophenmedizin und Sanitätswesen“ und Vizepräsidentin der Bundesärztekammer erneut und nachdrücklich darauf hingewiesen, ihre Bemühungen bezüglich der Arzneimittelbevorratung für Großschadensereignisse, Katastrophenfälle und im Verteidigungsfall zu intensivieren und darzulegen.

Die Mitglieder des Ausschusses „Notfall-/Katastrophenmedizin und Sanitätswesen“ der Bundesärztekammer haben sich intensiv mit den neuen Strukturen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr sowie der Nutzung von Bundeswehrkrankenhäusern durch zivile Patienten und sanitätsdienstliche Hilfeleistungen der Bundeswehr bei Naturkatastrophen, besonders schweren Unglücksfällen und im Rahmen der dringenden Nothilfe befasst.

Auf Grund veränderter Dienstbereiche wurde als Vertreter der Bundeswehr im Ausschuss „Notfall-/Katastrophenmedizin und Sanitätswesen“ anstelle von Admiralarzt Dr. Ocker mit Beschluss des Vorstandes der Bundesärztekammer vom 23.11.2001 gemäß dem Vorschlag des Inspekteurs des Sanitätswesens der Bundeswehr Dr. Demmer nunmehr Generalarzt Dr. Neuburger in den Ausschuss berufen. Die gute und kooperative Zusammenarbeit zwischen Bundesärztekammer und Bundeswehr kann damit auch an dieser Stelle fortgesetzt werden.

Es wird durch die Bundesärztekammer und die Inspektion des Sanitätsdienstes im Bundesministerium der Verteidigung weiterhin angestrebt, dass die in den Sanitätseinrichtungen vorhandene Weiterbildungskapazität besser genutzt und den auf der Ebene der Standortsanitätszentren eingesetzten Sanitätsoffizieren eine möglichst umfassende, anerkennungsfähige Weiterbildung zuteil wird.

Im Rahmen der Weiterentwicklung von Forschung und Lehre und zum Schritthalten mit Wissenschaft und Technik nutzt der Sanitätsdienst zunehmend moderne Informationstechniken. Medizinische Spezialkenntnisse können somit über beliebige Entfernungen hinzugezogen werden, womit eine Verbesserung der Qualität der ärztlichen Versorgung im Einsatz und die Überwindung personeller Engpässe bei spezialisierten Fachärzten der Bundeswehr verbunden ist. Entsprechende telemedizinische Verfahren werden daher konsequent verfolgt.

Im Dezember 2002 befanden sich 2.803 Sanitätsoffiziere (davon 575 Frauen) und 1.671 Sanitätsoffizier-Anwärter (davon 910 Frauen) im Sanitätsdienst der Bundeswehr. Die Gesamtzahl der Ärztinnen und Ärzte im Sanitätsdienst betrug 2.079, darunter 394 Ärztinnen. Ende 2002 befanden sich insgesamt 139 Sanitätsoffiziere (davon 20 Frauen) der Bundeswehr im Bereich des ehemaligen Jugoslawiens, im Kosovo, in Afghanistan, in Mazedonien und am Horn von Afrika im Auslandseinsatz.

Der Bedarf an qualifiziertem Personal wird weiterhin zum großen Teil durch sogenannte Sanitätsoffizier-Anwärter gedeckt, die bereits vor Beginn des Studiums eingestellt werden. Darüber hinaus werden zur Personalregeneration auch sogenannte Seiteneinsteiger, d. h. approbierte Ärztinnen und Ärzte, eingestellt. Im Vordergrund der Gewinnungs- und internen Qualifikationsbemühungen stehen rettungsmedizinische Belange und vor allem traumatologisch relevante Aspekte der Einsatzmedizin.

Die Bundesärztekammer wird weiterhin dazu beitragen, dass die traditionell guten Verbindungen zwischen dem Sanitätsdienst der Bundeswehr, den Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen und den ärztlichen Organisationen insbesondere auch in der Fort- und Weiterbildung und der Qualitätssicherung gepflegt und ausgebaut werden.

© 2003, Bundesärztekammer.