Humanitäre Hilfe

Im Rahmen staatlicher und nichtstaatlicher Entwicklungshilfe sind zahlreiche deutsche Ärztinnen und Ärzte in vielen Ländern engagiert. Eine solche Tätigkeit erfordert naturgemäß ein hohes Maß an spezifischen Qualifikationen, die Mediziner in Europa nicht ohne weiteres während ihrer Aus-, Weiter- und Fortbildung erhalten. Sowohl Entwicklungshilfe Organisationen als auch Entsender Organisationen für kurzfristige humanitäre Hilfseinsätze investieren erheblich in Qualifikationsmaßnahmen für die von ihnen entsandten Ärztinnen und Ärzte. Mit Förderung der Bundesregierung werden von den für tropenmedizinische Fragen zuständigen Institutionen der Universitäten Hamburg, Heidelberg und Tübingen Vorbereitungskurse für eine ärztliche Tätigkeit im Ausland durchgeführt.

Die Bundesärztekammer setzt sich für einen hohen Standard in der medizinischen Fortbildung als Grundlage für die Durchführung von Hilfseinsätzen durch qualifiziertes und gut informiertes ärztliches Personal ein. Neben den erforderlichen Qualifikationen stellen die zeitliche Verfügbarkeit und die notwendigen Sprachkenntnisse die Hauptprobleme bei der Rekrutierung des ärztlichen Personals dar. Einsätze im Rahmen der Entwicklungshilfe sind im Gegensatz zu humanitären Hilfseinsätzen zumeist für mindestens ein Jahr ausgerichtet. Für Kontaktaufnahmen stehen den Ärztinnen und Ärzten, die sich für eine Tätigkeit in der Entwicklungshilfe oder in der humanitären Nothilfe interessieren, Anschriften zur Verfügung, die bei der Bundesärztekammer abgerufen werden können.

Die Bundesärztekammer hat sich wiederholt für die Erleichterung der Freistellung von Ärztinnen und Ärzten für internationale humanitäre Hilfseinsätze ausgesprochen. Mehrfach hat die Bundesärztekammer in gemeinsamen Appellen mit dem Verband der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e. V., dem Marburger Bund und der Deutschen Krankenhausgesellschaft zur Unterstützung humanitärer Hilfseinsätze aufgerufen. Darin heißt es: „Um die freiwillige Bereitschaft des Einzelnen für den Hilfseinsatz von Krankenhausärztinnen und -ärzten zu unterstützen, ist es entscheidend, dass Krankenhausträger und leitende Ärzte deren zeitweise und unter Umständen recht kurzfristige Freistellung tolerieren. In der Regel werden die Einsatzkosten sowie anteilig die Gehälter von der Hilfsorganisation übernommen. Damit eine Entsendung von Hilfsbereiten möglichst friktionsarm verläuft, sollte die Krankenhausleitung den Ärztinnen und Ärzten eine Rückkehr in gesicherte Strukturen ermöglichen. Die Rahmenbedingungen der ärztlichen Berufsausübung wie auch die Finanzierungsgrundlagen der Krankenhäuser werden sich infolge der aktuellen gesundheitspolitischen Entwicklungen dramatisch verändern. Trotz dieser Entwicklung sollten die individuelle ärztliche Bereitschaft und die Unterstützungsmöglichkeiten des Krankenhausträgers für einen Einsatz wohlwollend geprüft werden. Ansehen und Erfolg der deutschen humanitären Hilfe hängen in hohem Maße von der Mitarbeit qualifizierter und motivierter Ärztinnen und Ärzte ab“.

Der Gesetzgeber wurde auch von den Delegierten Deutscher Ärztetage dazu aufgefordert, Möglichkeiten der Arbeitsplatzgarantie und der Freistellungsverpflichtung sowie der Erleichterung für humanitäre Hilfseinsätze beispielsweise durch geeignete Arbeitszeitmodelle zu fördern.

Die Bundesärztekammer befürwortet die Prüfung von Anrechnungsmöglichkeiten humanitärer Hilfseinsätze auf die ärztliche Weiterbildung im Rahmen bestehender Ermessensspielräume.

Die Bundesärztekammer setzt sich dafür ein, dass junge Ärztinnen und Ärzte aus anderen Staaten dieser Welt eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung in der Bundesrepublik Deutschland erhalten können.

Im Rahmen ihrer amtlichen Publikationsmedien trägt die verfasste Ärzteschaft durch Einsatzberichte, Übersichtsartikel bis hin zu Spendenaufrufen zur Bewusstseinsbildung und zur konkreten finanziellen Unterstützung für humanitäre Hilfseinsätze bei.

Die Bundesärztekammer ist Mitglied im Arbeitskreis für Medizinische Entwicklungshilfe (AKME). Die etwa zweimal jährlich stattfindenden Sitzungen des AKME dienen als Kommunikationsplattform für zahlreiche Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen im Bereich der humanitären Hilfe.

Der Deutsche Ärztetag und die Bundesärztekammer begleiten kritisch den Rückgang der Bundesmittel für die gesamte Entwicklungszusammenarbeit und dabei insbesondere im Gesundheitssektor und setzen sich bei der Regierung dafür ein, dem Gesundheitssektor in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit die notwendige Förderung zukommen zu lassen. Für einen großen Teil der Armutserkrankungen existieren effektive Vorbeuge- und Bekämpfungsmaßnahmen sowie Behandlungen, die aber aus Ressourcenmangel nicht angewendet werden können. Unter maßgeblicher ärztlicher Beteiligung wurde in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland das für die Unterstützung nötige personelle und institutionelle Know-how aufgebaut. Der Rückgang der Mittel bedroht wichtige bereits erreichte Fortschritte.

Die Bundesärztekammer setzt sich für die Verbreitung neuer Erkenntnisse zur Makroökonomik und Gesundheit ein. Demnach ist der schlechte Gesundheitszustand der Menschen in den armen Ländern nicht nur die Folge weit verbreiteter Armut und wirtschaftlicher Unterentwicklung, sondern ihre wesentliche Ursache. Niedrige Lebenserwartung und hohe Morbidität halten die Menschen in einer Armutsfalle gefangen. Der Rückgang der Sterblichkeit in den Ländern der Dritten Welt ist eine Bedingung für den Auf und Ausbau leistungsfähiger Sozial- und Wirtschaftssysteme. Da die am wenigsten entwickelten Länder nicht aus eigener Kraft ein Mindestmaß an Gesundheitsversorgung finanzieren können, ist eine nachhaltige Unterstützung aus den Industrienationen notwendig. Die Gründung des Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria, der 2001 anlässlich einer UN-Sondergeneralversammlung ins Leben gerufen wurde, stellt einen richtigen Schritt dar. Auch seitens der deutschen Politik müssen die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, um den unheilvollen Kreislauf von Krankheit, Armut, Unterentwicklung und politischer Instabilität zu durchbrechen. Dem gegenüber sind aber nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die sektoralen Zuwendungen für Basisgesundheitsdienste von 115 Millionen Euro im Jahr 1999 auf 51 Millionen Euro im Jahr 2002 zurückgegangen.

Die Bundesärztekammer setzt sich für eine sinnvolle Arzneimittelspendenpraxis ein. Arzneimittelspenden haben nicht immer den gewünschten Erfolg, da die gespendeten Präparate oftmals nicht am Bedarf des Empfängerlandes orientiert sind und Packungsgrößen, Beschriftungen und Hinweise bzw. Anleitungen vor Ort unbrauchbar sind. Die Bundesärztekammer hat gemeinsam mit zahlreichen Hilfsorganisationen ein Faltblatt als Ratgeber für Aktionsgruppen und spendenwillige Ärztinnen und Ärzte auf der Basis der 1996 von Dachverbänden internationaler Organisationen gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation veröffentlichten „Leitlinien für Arzneimittelspenden“ erstellt.

Die Bundesärztekammer hat sich gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit, dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung und den Fraktionsvorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien dafür eingesetzt, dass ein bürgerschaftliches Engagement durch arbeitslose Ärztinnen und Ärzte in ehrenamtlichen humanitären Hilfseinsätzen nicht automatisch den Anspruch auf deren Arbeitslosengeld verwirkt. Immer wieder engagieren sich Ärztinnen und Ärzte auch in den Phasen ihrer Arbeitslosigkeit als humanitäre Helfer. Während dieser Hilfseinsätze werden keinerlei Einnahmen erzielt, oftmals tragen die Ärztinnen und Ärzte sogar ihre Reisekosten selbst, dennoch verloren sie dabei bislang ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld, obwohl die Arbeit den Not leidenden Menschen in den ärmsten Ländern der Welt dient und auch durch die praktische Berufserfahrung die Wiedereinstiegschancen in die ärztliche Tätigkeit innerhalb Deutschlands erhöht werden. Diese engagierten und hochmotivierten Ärztinnen und Ärzte sind herausragende Botschafter unseres Landes in der Welt und durch ihren humanitären Hilfseinsatz sehr wertvoll auch für das deutsche Gesundheitswesen. Die vor Ort gewonnenen ärztlichen Eindrücke und Erfahrungen stellen eine große Bereicherung für die weitere Arbeit in Deutschland dar. In dieser Weise geprägte Ärztinnen und Ärzte sind es gewohnt, mit einfachen Mitteln wirkungsvolle Nothilfe zu leisten. Der Blick für Verhaltens- und Verhältniseinflüsse auf den Gesundheitszustand der Menschen wird durch die sehr unmittelbaren Eindrücke tief gefestigt. Häufig zeigen genau diese Ärztinnen und Ärzte auch auf ihrem weiteren Berufs- und Lebensweg ein großes bürgerschaftliches Engagement. Die Bundesärztekammer hat daher darauf gedrungen, die Möglichkeiten für arbeitslose Ärztinnen und Ärzte, sich ehrenamtlich zu betätigen, ohne den Anspruch auf Leistungen der Arbeitsförderung zu verlieren, durch gesetzgeberische Regelungen erheblich zu erweitern. Es konnte erreicht werden, dass seit Beginn des Jahres 2002 ehrenamtliche humanitäre Hilfseinsätze bis zu 6 Wochen nunmehr unter Wahrung der Ansprüche auf Arbeitslosengeld bzw. -hilfe möglich sind.

© 2003, Bundesärztekammer.