Ausbildung zum Arzt, Hochschule und Medizinische Fakultäten

Der Ausschuss „Ausbildung zum Arzt, Hochschule und Medizinische Fakultäten“ unter Vorsitz von Herrn Prof. Dr. Jan Schulze, Präsident der Sächsischen Landesärztekammer, und stellvertretendem Vorsitz von Herrn Prof. Dr. Eggert Beleites, Präsident der Landesärztekammer Thüringen, versteht sich als ein Gremium für die Beziehungspflege und Abstimmung zwischen den verfassten Organen der Hochschulkliniken und der Ärzteschaft. Außerdem werden Inhalte und Möglichkeiten der ärztlichen Ausbildung fortlaufend kritisch begleitet und ggf. Änderungsbedarf daraus abgeleitet.

Obwohl ein Entwurf zur Novelle der „Approbationsordnung für Ärzte“ dem Bundesrat bereits seit seiner Verabschiedung durch das Bundeskabinett im Jahr 1997 zur Abstimmung vorlag, gelang es erst am 27.06.2002 die längst überfällige Novelle zu verabschieden. Stellungnahmen u. a. der Bundesärztekammer und des Medizinischen Fakultätentages hatten Eingang in diesen Gesetzentwurf gefunden. In mehrfachen mündlichen und schriftlichen Stellungnahmen hatte Prof. Dr. Dr. h.c. Hoppe als Präsident der Bundesärztekammer die Öffentlichkeit und die jeweils amtierende Bundesgesundheitsministerin auf den drängenden Reformbedarf in der ärztlichen Ausbildung hingewiesen. Am 01.10.2003 tritt diese neue Approbationsordnung in Kraft. Der zeitliche Vorlauf bis dahin muss dazu genutzt werden, die angestrebte Reduzierung der Studienanfängerzahlen in den Kapazitätsverordnungen der Länder, die Neuberechnung der Zulassungszahlen durch die Hochschulen und die notwendige Novellierung der Studienordnungen durch die Hochschulen vornehmen zu können. Für diejenigen, die das Medizinstudium vor dem 01.10.2003 aufgenommen haben, gilt die alte Approbationsordnung, so dass erst im Jahr 2009 mit den ersten Ärztinnen und Ärzte gerechnet werden kann, die die neue Ausbildung komplett durchlaufen haben. Die wesentlichen Charakteristika der Reform sind:

    Ausweitung und Verbesserung des praxisbezogenen Unterrichtes insbesondere auch bei der Untersuchung von und Demonstration am Patienten

    die Möglichkeit, fächerübergreifend problemorientiert am Lehrgegenstand den Unterricht auszurichten sowie

    Einführung von Blockpraktika

    Einführung von Wahlfächern

    Straffung und Neuausrichtung des Prüfungswesens

    Einführung der Allgemeinmedizin als obligatorisches Lehrgebiet und ihre Einführung als mögliches Wahlfach im Praktischen Jahr

    stärkere Einbeziehung außeruniversitärer Einrichtungen


Prof. Dr. Schulze hatte wiederholt, sowohl mit der Kultusministerkonferenz als auch mit der amtierenden Bundesgesundheitsministerin Kontakt aufgenommen, um auf die Dringlichkeit des Reformbedarfes hinzuweisen und einen untragbaren Kompromiss zwischen einer Reform des Medizinstudiums und kontraproduktiver Anpassung der Kapazitätsverordnungen zu verhindern. Die gemeinsame Verständigung mündete in einer vom Bundesgesundheitsministerium und der Bundesärztekammer gemeinsam ausgerichteten Dialogveranstaltung mit dem Titel „Reformbedarf aktuell: Zukunft Medizinstudium“ am 02.07.2001 in Berlin. Ein Grund für die über 5-jährige Verzögerung der Befassung des Bundesrates mit dem Entwurf der Novelle war die Diskussion um eine Reduzierung der Studienanfängerzahlen von ca. 20 %, die erforderlich gewesen wäre, um auf dem Boden der vorhandenen personellen Ressourcen eine praxisnähere Ausbildung insbesondere auch durch eine reduzierte Gruppenstärke beim Unterricht am Krankenbett zu ermöglichen.

Für den Unterricht in Form der Patientendemonstration ist nunmehr künftig eine Gruppengröße von höchsten 6 Studierenden und für die direkte Untersuchung eines Patienten von höchsten 3 Studierenden vorgesehen und nicht wie im Entwurf zunächst vorgesehen nur von höchsten 2 Studierenden. Für die Umsetzung dieser Vorgaben ist eine Reduzierung der Ausbildungskapazitäten von knapp 10 % vorauszusehen.

Zwar wurde seitens des Gesetzgebers eingeräumt, dass die Beibehaltung der AiP-Phase beim verbesserten Studium nach neuer Approbationsordnung entbehrlich sei, die tatsächliche Abschaffung der AiP-Phase, wie sie von der verfassten Ärzteschaft gefordert wird, ist aber auch in diesem Reformschritt nicht enthalten gewesen. Durch die zunehmend bessere Verzahnung von theoretischen und praktischen Unterrichtsanteilen und die faktische Abschaffung der Niederlassungsmöglichkeit direkt nach dem Universitätsstudium durch die seit 1991 für eine KV-Zulassung erforderliche Facharztqualifikation kann aus Sicht der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages unverzüglich die notwendige Änderung der Bundesärzteordnung erfolgen, um die AiP-Phase abzuschaffen. Auch der Bundesrat hatte in seinem Beschluss vom 26.04.2002 den Bundesgesetzgeber dazu aufgefordert.

Insbesondere wegen der Besorgnis erregenden Entwicklung aktueller Ärztestatistiken mit einem bereits versorgungsrelevanten Rückgang der Arztzahlen, vor allem in den ostdeutschen Bundesländern, ist eine verbesserte Ausbildung und ein Berufseinstieg mit existenzsichernden Konditionen unbedingt erforderlich.

Im März 2002 wurde im Rahmen einer Vorstands-Arbeitsgruppe der Bundesärztekammer zur Arztzahlentwicklung Handlungsbedarf in zweierlei Hinsicht gesehen. Als kurzfristige Strategie wurde herausgestellt, dass offensichtlich der Arztberuf derzeit unterbewertet ist und daher an Attraktivität verloren hat. Diese Situation muss in der politischen Auseinandersetzung deutlich dargelegt und akute Lösungen für bessere Rahmenbedingungen – z. B. über arbeits- und tarifrechtliche Wege – gefunden werden, so dass weniger Ärzte in andere Berufe abwandern bzw. frühzeitig aus diesem Beruf aussteigen. Desweiteren wird es notwendig sein, längerfristige Aspekte im Auge zu behalten. Die statistische Erfassung von Daten muss verbessert werden, um für die Zukunft spezifische Daten vorhalten zu können, die auch Subanalysen zulassen, in deren Folge dann weitere Handlungskonzepte formuliert werden. Weitere Quellen für die Datenerhebung sind zu erschließen, insbesondere bezüglich der akut angestiegenen Anzahl an Studienabbrechern und der Abwanderung in alternative Berufsfelder.

Am 24.08.1998 trat das 4. Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes in Kraft. In den Tätigkeitsberichten der letzten Jahre wurden die Überlegungen zur Neugestaltung von Struktur und Finanzierung der Hochschulmedizin der Kultusministerkonferenz sowie Stellungnahmen des Wissenschaftsrates zur Entwicklung der Hochschulmedizin und die Neuregelungen des Hochschulrahmengesetzes ausführlich dargelegt. Die vom Wissenschaftsrat im Juli 1999 öffentlich formulierten Empfehlungen zur Struktur der Hochschulmedizin wurden im Ausschuss „Ausbildung zum Arzt, Hochschule und Medizinische Fakultäten“ erörtert. Der Ausschuss hat sich ausführlich mit der geplanten Trennung der Mittelströme für Forschung und Krankenversorgung durch Änderung der Universitätsgesetze befasst. Insbesondere unter den Restriktionen sektoraler Budgets im Gesundheitswesen ist zu befürchten, dass die schon bestehende Tendenz weiter zunehmen wird und dass die Hochschulklinika vermehrt aufwändige und teure Krankenversorgungen übernehmen müssen, ohne hierfür angemessene Ausgleichszahlungen zu erhalten. Manche moderne Therapieverfahren werden derzeit  nur durch drittmittelgestützte klinische Forschungsvorhaben den Patienten zugänglich. Die Universitätsambulanzen sind sowohl für die Krankenversorgung als auch für die Forschung und Lehre in der Medizin unentbehrlich.

Daneben hat das nunmehr ab Februar 2002 in Kraft befindliche 5. Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes und insbesondere die darin verankerte Möglichkeit einer Junior Professur zu einer Meinungsbildung im Ausschuss geführt. Demnach ist für Mediziner eine Alternative zur Junior-Professur notwendig, da die damit verbundene wesentliche wissenschaftliche Vorleistung und das Auswahlverfahren mit interner Ausschreibung und externer Begutachtung für Mediziner parallel zu einer klinischen Tätigkeit praktisch kaum erfolgreich abzuleisten ist. Geplante Zwischenevaluationen sind für die Verlängerung der Junior Professur existenziell wichtig und greifen praktisch sämtliche Ressourcen der Kandidaten ab, so dass es einer ausschließlichen Konzentration auf die Forschung bedarf.

Es ist festzustellen, dass das jetzige Habilitationsverfahren ergänzender Überlegungen bedarf, da 4/5 aller Habilitanden in die klinische Versorgung gehen und damit ein enormes wissenschaftliches Leistungspotenzial nicht weiter ausgeschöpft wird.

Der Ausschuss „Ausbildung zum Arzt, Hochschule und Medizinische Fakultäten“ der Bundesärztekammer hat sich mit Reformideen für das Medizinstudium, insbesondere aber auch mit der Qualität der Lehre beschäftigt. Die Bedeutung von „evidence based medicine“ für die ärztliche Aus-, Weiter- und Fortbildung wurden ebenso erörtert wie die Sinnhaftigkeit Multiple-Choice-Gestürzter Prüfungsverfahren.

Außerdem wurde nach entsprechender Beratung der Vorschlag, den Titel „Hausärztliche Lehrpraxis“ auf dem Praxisschild ankündigungsfähig werden zu lassen, an die Berufsordnungsgremien herangetragen, die in diesem Anliegen - auch auf Grund der neuen Rechtsprechung - kein Problem sehen. Das für neue Ärztegenerationen notwendige Wissen in der Allgemeinmedizin halten die Hochschulen alleine nicht vor. Daher wird die fortgesetzte Einbindung von Lehrkrankenhäusern und künftig auch von Lehrpraxen als wichtig angesehen.

Für die Meldung zur Ärztlichen Prüfung reicht neben dem Zeugnis über die Allgemeine Hochschulreife seit einigen Jahren auch „der Nachweis der Hochschulzugangsberechtigung“ aus. Auch davor war in einzelnen Bundesländern die Hochschulzugangsberechtigung, für die das Abitur nicht unbedingt erforderlich ist, als Voraussetzung für die Zulassung zum Medizinstudium möglich. Bisher ist festzustellen, dass diese Möglichkeit zur Zulassung zum Medizinstudium quantitativ eine sehr untergeordnete Rolle spielt und die entsprechenden Bestimmungen in vielen Bundesländern noch vage und uneinheitlich sind. Der Ausschuss wird weiterhin kritisch diese Entwicklung verfolgen.

Im Rahmen der fortgesetzten Befassung mit Modellstudiengängen wurde deutlich, dass bisher vier Medizinische Fakultäten (Berlin, Bochum, Hamburg, Witten-Herdecke) die mit der 8. Änderungsverordnung der Approbationsordnung für Ärzte im Februar 1999 geschaffene Zulassungsmöglichkeit für Modellstudiengänge als Reformweg gewählt haben. Zahlreiche andere Fakultäten haben unabhängig von der Modellklausel Reformen durchgeführt.

Eine Übertragbarkeit der in Reformstudiengängen verfolgten Konzepte auf die ganze Breite der studentischen Ausbildung ist auf Grund der mangelnden Bereitstellung dafür erforderlicher zusätzlicher Finanzmittel nur eingeschränkt möglich. Die Prinzipien fachübergreifender Planung des Studienganges, die Verzahnung von Vorklinik und Klinik, die Vermittlung natur- und geisteswissenschaftlicher Inhalte und die Beschränkung auf für die studentische Ausbildung notwendige Basiskenntnisse stellen Grundideen von Reformansätzen dar. In Seminaren, Übungen und problemorientierten Lerngruppen findet ein anwendungsbezogenes Lernen mit im Verlauf der Ausbildung zunehmendem Praxisbezug statt. Von der Einbindung hausärztlicher Lehrpraxen in die studentische Ausbildung sind sehr positive Erfahrungen zu berichten. Die bereits breiten und guten Erfahrungen des Studenten- und Tutorenaustauschs im Rahmen von Kooperationen mit medizinischen Fakultäten anderer Länder gilt es in modernen Studienkonzepten zu integrieren.

Grundsätzlich ist der Mut zu neuen Wegen in der Medizinerausbildung zu begrüßen und der hohe Stellenwert einer begleitenden Evaluationsforschung zu unterstreichen.

Dabei ist festzustellen, dass für die Auswertung von Modellstudiengängen keine Kontrollgruppen zu verzeichnen sind. Somit bleibt derzeit nur die Erfassung und der Vergleich über die das Studium abschließende Prüfung. Dieser Parameter dürfte allerdings wesentlich weniger aussagekräftig sein als eine Endpunktuntersuchung 5 Jahre nach Studienabgang. Zur Zeit ist lediglich die Evaluation von Zwischenständen (z. B. die Lernmotivation der Studenten oder die Einstellung des Lehrpersonals) möglich.

Die Bundesärztekammer wird, wie bisher, die weiteren hochschulpolitischen Entwicklungen sorgfältig beobachten und dafür Sorge tragen, dass neben Forschung und Lehre – den Kernbereichen von Hochschulen – weiterhin die Krankenversorgung als integrativer Teil der ärztlich-medizinischen Aufgaben an Universitätskliniken eingebunden bleibt.

© 2003, Bundesärztekammer.