Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern

Im Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung auftretende Komplikationen belasten Patientinnen und Patienten, Angehörige sowie Ärztinnen und Ärzte. Die Betroffenen erwarten zu Recht einen offenen, ehrlichen und fairen Umgang mit dem Geschehen.

Eine Unterstützung bei Klärung der Frage, ob der Komplikation ein Behandlungsfehler zugrunde liegt, bieten seit 40 Jahren die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern. Oft können sie dabei helfen, eine Einigung zu erreichen und Gerichtsprozesse zu vermeiden.

Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens vor der Gutachterkommission oder Schlichtungsstelle steht den Beteiligten auch der Klageweg weiterhin offen.

Das Verfahren bei den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen ist für Patientinnen und Patienten kostenfrei.

Die Erkenntnisse aus der Arbeit der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen fließen kontinuierlich in Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen der Ärzteschaft ein.

Nähere Informationen erhalten Sie bei der Gutachterkommission oder Schlichtungsstelle, in deren Zuständigkeitsbereich die Behandlung stattgefunden hat.

Das Verfahren

Die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern arbeiten auf Grundlage der einschlägigen Landesgesetze nach unterschiedlichen Verfahrensordnungen bzw. Statuten.

Das Verfahren ist für Patientinnen und Patienten kostenfrei und wird regelmäßig schriftlich durchgeführt.

Die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen werden auf Antrag tätig. Nähere Informationen zum Antragsverfahren stehen auf der Website der jeweiligen Gutachterkommission und Schlichtungstelle zur Verfügung.

Unabhängige Ärztinnen und Ärzte sowie Juristinnen und Juristen beurteilen unter anderem aufgrund der Behandlungsdokumentation, ob ein der Ärztin oder dem Arzt vorwerfbarer Behandlungsfehler vorliegt, durch den die Patientin oder der Patient einen Gesundheitsschaden erlitten hat.

Die Verfahrensdauer (ab der ersten Kontaktnahme des Patienten bis zur abschließenden Bewertung) in den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen ist unterschiedlich.

Dies ergibt sich zum Teil aus den Schwierigkeiten des zu beurteilenden Sachverhaltes oder Wartezeiten auf Stellungnahmen, Berichte oder Sachverständigengutachten.

Ein Verfahren dauert durchschnittlich 15 Monate und ist damit deutlich kürzer als ein Gerichtsverfahren.

Die Verfahrensbeteiligten erhalten eine schriftliche Mitteilung über das Ergebnis der gutachterlichen Prüfung; mithin eine Stellungnahme, ob nach ärztlicher sowie juristischer Bewertung ein Behandlungsfehler vorliegt, der zu einem Gesundheitsschaden geführt hat und damit ein Anspruch auf Schadensersatz besteht.

Zur Höhe etwaiger Schadenersatz- oder Schmerzensgeldansprüche wird keine Stellung genommen. Das Gutachten ist für die Beteiligten rechtlich nicht verbindlich.

Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens vor der Gutachterkommission oder Schlichtungsstelle steht den Beteiligten der Klageweg weiterhin offen.

Nähere Informationen erhalten Sie bei der Gutachterkommission oder Schlichtungsstelle der Ärztekammer, in deren Zuständigkeitsbereich die Behandlung stattgefunden hat.

Rechtliches

  • Wer muss darlegen und beweisen, dass der Behandlungsfehler ursächlich für den Gesundheitsschaden war?

    Grundsätzlich trägt die Patientin oder der Patient wie in anderen zivilrechtlichen Verfahren auch die sogenannte Beweislast dafür, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und die Ursache für einen in Rede stehenden Gesundheitsschaden war.

    Der Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden muss mit dem „für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit geführt werden, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen“ (BGH, Urteil vom 16.04.2013 – VI ZR 44/12, m.w.N.). Eine mathematisch-naturwissenschaftliche Sicherheit oder eine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“ muss nicht belegt werden.

    In bestimmten gesetzlich geregelten Fallkonstellationen gibt es sogenannte Beweiserleichterungen für die Patientin oder den Patienten, bei denen die Ärztin oder der Arzt die Beweislast in Teilen möglicherweise auch vollständig trägt.

    Eine Umkehr der Beweislast tritt beispielsweise beim groben Behandlungsfehler (§ 630h Abs. 5 BGB) ein, wenn die Ärztin oder der Arzt besonders schwerwiegend gegen den medizinischen Standard verstoßen hat. Ein grober Behandlungsfehler wird in ständiger Rechtsprechung (BGH, VersR 2005, 228, m.w.N.) bejaht, wenn „der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf“.

    Auch greift eine Beweiserleichterung für Patientinnen und Patienten ein, wenn eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis nicht dokumentiert wurden. Dann wird vermutet, dass der Arzt oder die Ärztin diese Maßnahme nicht getroffen hat (§ 630h Abs. 3 BGB).


  • Was ist ein Behandlungsfehler?

    Der Bundesgerichtshof definiert in ständiger Rechtsprechung (Urteil vom 24.02.2015, Az. VI ZR 106/13, m.w.N.) das Handeln oder Unterlassen eines Arztes als Behandlungsfehler „wenn es dem im Zeitpunkt der Behandlung bestehenden medizinischen Standard zuwiderlief. Der Standard gibt Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften oder aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung vorausgesetzt und erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat“.

    Das heißt: Eine Ärztin oder ein Arzt kann den Erfolg der Behandlung nicht garantieren. Die Patientin oder der Patient muss jedoch mit der erforderlichen Sorgfalt behandelt werden.

    Ein Behandlungsfehler kann darin bestehen, dass ärztliche Maßnahmen in Diagnostik und/ oder Therapie entweder unnötigerweise, unter Verstoß gegen die einzuhaltende Sorgfaltspflicht vorgenommen oder dass notwendige ärztliche Maßnahmen unterlassen werden.


  • Was ist ein "Gesundheitsschaden"?

    Der Begriff des „Gesundheitsschadens“ beschreibt einen gesundheitlichen Nachteil, der zusätzlich zu den krankheitsbedingten Beeinträchtigungen eines Patienten oder einer Patientin durch eine ärztliche Behandlung eintritt. „Gesundheitsschäden“ müssen nicht notwendigerweise bleibend sein. Es genügt grundsätzlich eine nicht völlig unbedeutende gesundheitliche physische und/oder psychische Beeinträchtigung, wie z. B. vorübergehende Schmerzen oder eine erneute Operation.