55 BÄK-Stellungnahme zu Urteil des Bundesverfassungsgerichts Krankenhausvorbehalt bei ärztlichen Zwangsmaßnahmen Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit seinem Urteil vom 26. November 2024 (Az. 1 BvL 1/24) entschieden, dass das ausnahmslose Verbot ärztlicher Zwangsmaßnahmen außerhalb von Krankenhäusern teilweise verfassungswidrig ist. Die gesetzliche Regelung sei mit dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit nicht in vollem Umfang vereinbar. Grundsätzlich sei die Bindung der ärztlichen Zwangsmaßnahme an einen stationären Aufenthalt im Krankenhaus zwar zulässig. Die ausnahmslose Regelung, dass diese ausschließlich im Krankenhaus erfolgen müsse, sei jedoch unverhältnismäßig und damit verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Die Bundesärztekammer hatte im Verfahren am 17. April 2024 eine schriftliche Stellungnahme abgegeben und legte darin dar, dass die Durchführung von Zwangsbehandlungen unter bestimmten, klar zu definierenden Voraussetzungen – etwa zur Qualifikation und Anwesenheit beziehungsweise nachgelagerten Verfügbarkeit qualifizierten Personals – auch außerhalb einer stationären Behandlung in Betracht kommen könne. Ferner war die Bundesärztekammer als „sachkundige Person“ auch im Rahmen der mündlichen Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht am 16. Juli 2024 beteiligt und wies unter anderem darauf hin, dass die Belastung der Betroffenen im Einzelfall zu ermitteln sei. Entsprechend betonte auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil, dass bei der Anwendung ärztlicher Zwangsmaßnahmen der Einzelfall besonders berücksichtigt werden müsse. Die geltende Regelung berücksichtige hingegen nicht ausreichend die individuellen Bedürfnisse der betroffenen Personen und die Möglichkeit, solche Maßnahmen auch außerhalb eines Krankenhauses durchzuführen, sofern dies sicher und fachgerecht geschehen kann. Mit dem Urteil wird die ausschließliche Bindung an stationäre Einrichtungen aufgehoben, sofern alternative medizinisch gleichwertige Strukturen vorhanden sind. Demnach sei eine Zwangsbehandlung auch in anderen Einrichtungen zulässig – vorausgesetzt, ● der Betroffene erleidet durch den Krankenhausaufenthalt erhebliche Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit, ● die Einrichtung, in der der Patient untergebracht ist, kann eine gleichwertige medizinische Versorgung gewährleisten und ● die drohende gesundheitliche Beeinträchtigung kann durch die Maßnahme dort signifikant reduziert oder vermieden werden. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber verpflichtet, bis Ende 2026 eine Neuregelung zu schaffen. Bis dahin gilt das bisherige Recht. Die Thematik wird von der Bundesärztekammer weiter beobachtet. Sie wird sich aktiv bei der notwendigen Gesetzesanpassung einbringen. ■ © picture alliance/dpa/Uli Deck Bundesverfassungsgericht erklärt strikten Krankenhausvorbehalt bei ärztlichen Zwangsmaßnahmen für teilweise verfassungswidrig.
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