... Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch: Sonografie bei Verwendung eines Intrauterinpessars
01.06.2011

Stellungnahme der Bundesärztekammer gem. § 91 Abs. 5 SGB V über eine Änderung der Richtlinien über künstliche Befruchtung: Beratung über die Risiken einer Rötelninfektion und Erfassung der Immunitätslage und Änderung der Richtlinie zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch: Sonografie bei Verwendung eines Intrauterinpessars [PDF]

Die Bundesärztekammer wurde mit Schreiben vom 06.05.2011 durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) aufgefordert, eine Stellungnahme gem. § 91 Abs. 5 SGB V über eine Änderung der Richtlinien über künstliche Befruchtung (KB-RL) - Beratung über die Risiken einer Rötelninfektion und Erfassung der Immunitätslage - und eine Änderung der Richtlinie zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch (ESA-RL) - Sonografie bei Verwendung eines Intrauterinpessars - abzugeben.

  • Änderung der Richtlinien über künstliche Befruchtung (KB-RL):

Für die KB-RL ist geplant, das Vorhandensein (bzw. einen entsprechenden Nachweis) eines ausreichenden Schutzes gegen eine Rötelninfektion bei der Frau als Voraussetzung für die Durchführung von Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung durch eine Beratung über die Risiken einer Röteln- und Varizelleninfektion in einer späteren Schwangerschaft zu ersetzen, wie sie in Abschnitt B. 5. der ESA-RL beschrieben ist.

Der Wortlaut der Änderungen in der KB-RL, Abschnitt „Leistungsvoraussetzungen“, Nr. 6, gestaltet sich wie folgt (neuer Text durch Fettdruck hervorgehoben):

"Voraussetzung für die Durchführung von Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung ist, dass bei beiden Ehegatten der HlV-Status bekannt ist und dass bei der Frau ein ausreichender Schutz gegen eine Rötelninfektion besteht.. Vor Behandlungsbeginn sollen die in der Richtlinie zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch (ESA-RL) unter Abschnitt B Nummer 5 genannten Beratungen erfolgt sein.

Der hierin genannte Abschnitt B Nr. 5 der ESA-RL lautet (vorbehaltlich der Nichtbeanstandung der am 19.05.2011 vom Plenum des G-BA an dieser Stelle beschlossenen Änderung der ESA-RL durch das BMG):

"Die Beratung soll sich auch auf die Risiken einer Röteln- und Varizelleninfektion in einer späteren Schwangerschaft erstrecken. Bei Frauen mit dokumentierter zweimaliger Rötelnimpfung ist von Immunität auszugehen. Eine Antikörperbestimmung ist in diesen Fällen nicht erforderlich. Frauen mit fehlender oder nur einmaliger Impfung soll die Rötelnimpfung bzw. deren Komplettierung empfohlen werden.

Ergibt sich in dem Beratungsgespräch, dass die Immunitätslage gegen Röteln oder Varizellen ungeklärt ist, so soll eine entsprechende Antikörper-Bestimmung gemäß Schutzimpfungs-Richtlinie durchgeführt werden. Das Ergebnis ist in einer besonderen Bescheinigung zu dokumentieren oder im Impfbuch einzutragen.

Die Immunitätslage ist als geklärt anzusehen, wenn das Ergebnis einer früheren Röteln oder Varizellen-Antikörper-Bestimmung den Nachweis spezifischer Antikörper erbracht hat. Eine entsprechende Bescheinigung ist von der Versicherten anzufordern. Wird diese vorgelegt, ist eine Antikörper-Bestimmung nicht mehr erforderlich.

Ist keine Immunität vorhanden, soll eine Röteln oder Varizellen-Schutzimpfung empfohlen werden. Die Impfungen selbst sind nicht Gegenstand dieser Richtlinie.

Ferner sollte im Rahmen dieser Beratung auch das Impfbuch der Versicherten auf gemäß Schutzimpfungs-Richtlinie empfohlene Impfungen durchgesehen werden und die Durchführung fehlender Impfungen ggf. empfohlen werden. Insbesondere soll Frauen mit Kinderwunsch eine Pertussisschutzimpfung empfohlen werden, sofern die letzte Impfung gegen Pertussis länger als 10 Jahre zurückliegt.

Die Impfungen selbst sind nicht Gegenstand dieser Richtlinie."

  • Änderung der Richtlinie zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch (ESA-RL):

In der Richtlinie sollen für Personenbezeichnungen stets die weiblichen und die männlichen Formen genannt werden.

Darüber hinaus soll in Nr. 10 b) des Abschnitts B „Empfängnisregelung“ die Regelung, dass der Sitz eines Intrauterinpessars frühestens acht, jedoch spätestens vierzehn Tage nach Applikation überprüft werden soll, gestrichen werden. Laut tragenden Gründen ist die Festlegung eines bestimmten Zeitraumes für die Überprüfung des korrekten Sitzes nicht sinnvoll, der Zeitpunkt dieser Überprüfung könne unmittelbar nach der Insertion oder, je nach Situation, auch später liegen.

Die Bundesärztekammer nimmt zum Beschlussentwurf wie folgt Stellung:

  • Zur Änderung der Richtlinien über künstliche Befruchtung (KB-RL):

Die Bundesärztekammer hält die vorgesehene Änderung für nicht angemessen.

Bei den vorgesehenen Änderungen handelt es sich aus Sicht der Bundesärztekammer nicht  - wie im Begleitschreiben zur Stellungnahmeaufforderung formuliert - um eine Anpassung der KB-RL an die Vorgaben der aktuellen Schutzimpfungs-Richtlinie. Ebenso wenig trägt der Hinweis in den tragenden Gründen, wonach „die Überprüfung des Impfstatus den geltenden Vorgaben der Schutzimpfungs-Richtlinie“ entspreche“ - in der aktuellen Fassung der Schutzimpfungs-Richtlinie ist die Überprüfung des Impfstatus gegen Röteln an keiner Stelle thematisiert; es wird lediglich empfohlen, Frauen „im gebärfähigen Alter mit unklarem Impfstatus“ gegen Röteln eine zweimalige Impfung zukommen zu lassen.

Auch an anderer Stelle passen die tragenden Gründe nicht zu den beabsichtigten Änderungen, etwa wenn erklärt wird, es solle eine „entsprechende Antikörperbestimmung gemäß Schutzimpfungsrichtlinie durchgeführt werden“, wenn sich in dem Beratungsgespräch ergibt, „dass die Immunitätslage gegen Röteln oder Varizellen ungeklärt ist“. Nach dem Wortlaut der am 19.5.2011 verabschiedeten ESA-RL ist die Betrachtung der Immunitätslage gegen Röteln nicht mehr Gegenstand des Beratungsgesprächs (siehe dort die mehrfache Streichung der Wörter „…Röteln oder…“). Die Beratung soll künftig vielmehr darauf beschränkt sein, Frauen mit fehlender oder einmaliger Impfung die Rötelnimpfung bzw. deren Komplettierung zu empfehlen - mehr nicht. Dass eine Antikörperbestimmung gegen Röteln in diesen Fällen ev. doch vorausgesetzt wird, erschließt sich allenfalls durch Hinzuziehung der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission im Originalton, und auch hier nur implizit bzw. durch Umkehrschluss: „Bei 2-mal geimpften Frauen im gebärfähigen Alter ist die Überprüfung des Serostatus nicht mehr erforderlich.“ [siehe die Begründung der STIKO zur Änderung ihrer Empfehlungen zur Impfung gegen Röteln (Epid. Bull. 32, 2010), die im Frühjahr 2011 zu der oben erwähnten Änderung der ESA-RL geführt hatten].

Bei einer Interpretation der ESA-RL im Sinne einer potentiell folgenlosen Beratung der Frau, d. h., wenn offen bleibt, ob sich die Frau für eine Impfung gegen Röteln entscheidet oder nicht, wäre ein Schutz gegen eine Rötelninfektion nicht länger Voraussetzung für die Durchführung einer künstlichen Befruchtung – mit entsprechenden Folgerisiken.

Aus medizinischer Sicht kann hier auch keine Parallelität zu Paaren mit positivem HIV-Status gezogen werden - mit Beschluss vom 16.10.2010 hatte der G-BA erklärt, dass „ein Ausschluss HIV positiver Versicherter von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit Blick auf die Gleichbehandlung gegenüber Versicherten mit anderen Erkrankungen nicht zu rechtfertigen ist“, da sich „ein Sonderstatus der HIV- Infektion“ in Zusammenhang mit dem „individuellen Risiko einer Schwangerschaft und/oder deren Herbeiführung durch Maßnahmen der künstlichen Befruchtung“ medizinisch nicht begründen lasse (siehe die tragenden Gründe zum Beschluss vom 16.10.2010).

Im Gegensatz zum HI-Virus, gegen das es derzeit keine Immunisierung gibt, kann gegen das Rötelnvirus durch eine Immunisierung eine lebenslange Immunität erzielt und somit eine potentielle Rötelnembryofetopathie während einer durch Maßnahmen der künstlichen Befruchtung induzierten Schwangerschaft im Vorfeld vermieden werden.

Wird eine Schwangerschaft durch eine künstliche Befruchtung induziert, stellt sich im Falle einer Rötelninfektion während der Schwangerschaft für den behandelnden Arzt u. a. auch die Frage haftungsrechtlicher Konsequenzen, wenn infektionsbedingt Fehlbildungen des Kindes entstehen oder es zu einer Fehlgeburt kommt. Denn diese Komplikationen wären - insbesondere angesichts der bewusst mit ärztlicher Hilfe induzierten Schwangerschaft - durch eine ausreichende Immunität gegen das Rötelnvirus vermeidbar gewesen.

Regelungstechnisch wird der G-BA somit der besonderen Situation einer assistierten Reproduktion durch schlichtes Querverweisen der hierfür spezifischen Richtlinie auf die allgemeinere Richtlinie zur Empfängnisregelung und von hier aus auf die Schutzimpfungs-Richtlinie nicht gerecht, zumindest nicht mit der wünschenswerten Klarheit.

Angesichts der nicht unerheblichen Gesamtkosten für Maßnahmen einer assistierten Reproduktion wäre auch zu hinterfragen, inwieweit die Einsparung von Antikörpertiter-Bestimmungen gegen Röteln angesichts der erheblichen Risiken für das ungeborene Kind durch eine Infektion tatsächlich sinnvoll ist.

  • Zur Änderung der Richtlinie zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch:

Zu den vorgesehenen Änderungen der ESA-RL („Genderung“ und „Sonografie bei Verwendung eines Intrauterinpessars“) hat die Bundesärztekammer keine inhaltlichen Änderungshinweise.

Redaktionell erscheint der letzte Satz der tragenden Gründe überarbeitungsbedürftig:

„Die Festlegung eines bestimmten Zeitraumes für die Überprüfung des korrekten Sitzes einer IUP ist nicht sinnvoll, (da) der Zeitpunkt dieser Überprüfung unmittelbar nach der Insertion, aber je nach Situation auch später liegen kann.“

Berlin, 01.06.2011
Dr. rer. nat. Ulrich Zorn, MPH
Bereichsleiter im Dezernat 3