BÄK warnt vor Zentralisierung der medizinischen Nutzenbewertung

Berlin - In einer vorläufigen fachlichen Einschätzung bezieht die Bundesärztekammer (BÄK) Position zu den Plänen der Europäischen Kommission, die medizinische Nutzenbewertung von Arzneimitteln, Medizinprodukten und weiteren Versorgungsleistungen (Health Technology Assessment, HTA) zu zentralisieren.

Grundsätzlich sei die Absicht begrüßenswert, systematische, evidenzbasierte Nutzenbewertungen innerhalb der EU zu fördern, heißt es in dem Papier. Allerdings überzeuge der konkrete Vorschlag der EU-Kommission  nur bedingt, denn sie habe sich entschlossen, eine Angleichung zu erzwingen.

Dabei gelte die Sorge der Kommission weniger den möglicherweise parallel beschäftigten HTA-Institutionen, sondern vor allem den wirtschaftlichen Interessen der Hersteller von Arznei- und Medizinprodukten. Für die bedeute die Zentralisierung nämlich eine erhöhte Planungssicherheit sowie eine leichtere Einflussnahme auf die Bewertung.

Hinzu kämen methodische Defizite. So möchte die EU-Kommission absehbaren Konflikten bei Preisfindung und Kostenübernahme vorbeugen, indem sie lediglich die Bewertung des medizinischen Nutzens zentralisiert. Die Bewertung der sozialen, ethischen oder ökonomischen Dimension soll hingegen weiter in den Händen der Nationalstaaten liegen.

Aus Sicht der BÄK ist diese Trennung „artifiziell“. Das HTA-Verfahren erfordere ein Gesamtkonzept. Zudem sei eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Kategorien „nicht so trennscharf möglich, wie es im Kommissionspapier unterstellt wird.“

Auch das Argument der Kommission, die singuläre Bewertung trage zu einem besseren Patientenschutz bei, kann nach Ansicht der Ärzteschaft nicht überzeugen. So lieferten gerade divergierende Ergebnisse in verschiedenen HTA-Verfahren wichtige Warnsignale und Hinweise auf weiteren Klärungsbedarf. Die BÄK verweist in diesem Zusammenhang auf die wachsende Bedeutung des Mehraugenprinzips und von Zweitmeinungsverfahren.

In der Summe ziele der Vorstoß in Richtung Binnenmarkt-Harmonisierung auf einen weiteren Kompetenzverlust der Nationalstaaten für ihre Gesundheits- und Sozialsysteme, bilanziert die Bundesärztekammer.