Schleswig-Holstein: Arzneimittelversorgung in Schleswig-Holstein: Problem für Patient, Arzt & Apotheker
Bad Segeberg – Antibiotika, Antidepressiva, Impfstoffe – viele Arzneimittel sind zurzeit schwer erhältlich. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zählte zuletzt 239 von Lieferengpässen betroffene Arzneimittel (Stand September 2019). Apotheker, Ärzte und Politiker aus dem Norden sind gleichermaßen alarmiert, denn auch in Schleswig-Holstein fehlen Arzneimittel. Die Ärztekammer Schleswig-Holstein (ÄKSH) fordert daher ein Rückführung der Arzneimittelproduktion nach Europa, eine Erhöhung der Lagerkapazitäten sowie eine Meldepflicht für Hersteller, die bereits bei einer Arzneimittelknappheit in Kraft tritt.
Falsch gespart und fehlende Anreize
In den vergangen Jahren ist die Produktion von Arzneimitteln und Medikamenten größtenteils in das außereuropäische Ausland, in Länder mit großen Billiglohnsektoren, verlagert worden. Um Liefer- und Versorgungsengpässe künftig besser verhindern zu können, spricht sich die ÄKSH für eine Produktion von Arzneimitteln innerhalb der Europäischen Union aus. „Die Rückverlagerung der Arzneimittelproduktion führt zu kürzeren Lieferwegen und schnellen Rückkopplungen mit den Apotheken vor Ort. Ebenso werden Produktionskontrollen vereinfacht, wodurch eine höhere Qualität der Arzneien sichergestellt werden kann“, meint Dr. Henrik Herrmann, Präsident der ÄKSH. Höhere Lagerkapazitäten könnten zudem kurzfristige Lieferengpässe auffangen. „Letztlich liegt die Entscheidungsgewalt bei der Politik. Das Bundesgesundheitsministerium ist gefordert, sich dem Thema anzunehmen. Es muss Anreize schaffen, damit Arzneimittel vermehrt in der EU produziert werden. Ebenso müssen regionale Anbieter berücksichtigt und höhere Lagerkapazitäten für versorgungsrelevante Arzneien eingeführt werden. Wir fordern zudem eine Meldepflicht der Herstellerfirmen, die bereits bei einer Arzneimittelknappheit in Kraft tritt“, so Herrmann.
Vertrauensverlust der Patienten – Mehraufwand für alle Beteiligten
Zuletzt hatte die Bundesvereinigung Deutscher Apotheker e. V. davon berichtet, dass Apotheker zehn Prozent ihrer Arbeitszeit für die Bearbeitung und Umgehung von Lieferengpässen benötigen. Solange derselbe Wirkstoff durch ein Medikament eines anderen Anbieters erhältlich ist, müssen Lieferengpässe nicht zwangsläufig mit Schwierigkeiten für den Patienten verbunden sein. Problematisch wird es, wenn der Patient auf ein bestimmtes Medikament eingestellt ist und auf ein alternatives Präparat mit anderen Wirkstoffen ausgewichen werden muss. In diesem Fall reicht der Rückkopplungseffekt bis zum Mediziner. Es folgt ein erneuter Termin beim behandelnden Arzt, einschließlich Beratung, Aufklärung und Abwägung von Alternativen. Am Ende müssen die Präparate erneut verschrieben und der Patient neu eingestellt werden. „Neben Ärzten und Apothekern sind vor allem die Patientinnen und Patienten unmittelbar von den Auswirkungen der Liefer- und Versorgungsengpässe betroffen. So etwas darf nicht vorkommen, da es die Patientensicherheit gefährdet. Zudem führen Probleme dieser Art zu einem Vertrauensverlust in das deutsche Gesundheitssystem“, warnt die ÄKSH.