Baden-Württemberg: Landeskongress Gesundheit nimmt Folgen und Lehren der Corona-Krise in den Fokus

Baden-Württemberg

Stuttgart - Wie ist die Corona-Lage? Welche Lehren sind aus der Krise zu ziehen? Ist und bleibt das Gesundheitssystem leistungsfähig, um aktuelle sowie künftige Herausforderungen zu meistern? Dies waren zentrale Themen des Landeskongresses Gesundheit Baden-Württemberg, der in diesem Jahr erstmals per digitalem Livestream stattfand. Hochkarätige Referenten sowie Vertreter politischer Parteien auf Landesebene bezogen unter anderem Stellung dazu, welche weiteren Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie geboten sind und wie effektive Gesundheitspolitik vor dem Hintergrund der kommenden Landtagswahlen aussehen muss. Die Kongressteilnehmer konnten ihre Fragen und Diskussionsbeiträge per Chatfunktion einsenden.

„Der Landeskongress Gesundheit ist die zentrale Plattform für alle Akteure im baden-württembergischen Gesundheitswesen, um bereichsübergreifend Erfahrungen auszutauschen, gesundheitspolitische Diskussionen zu führen und Impulse für die Zukunft zu setzen“, sagt Dr. Wolfgang Miller, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg. „Das Coronavirus hat es nicht geschafft, diesen Dialog zu verhindern – ein wichtiges Zeichen der Handlungsfähigkeit und Verlässlichkeit unseres Gesundheitswesens.“ Unterstrichen wird die zentrale Bedeutung des Kongresses auch durch die Schirmherrschaft des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann.

Die Kongressreferenten, der Virologe Prof. Dr. Hendrik Streeck und der Jurist und ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Ferdinand Kirchhof untersuchten die Pandemiesituation aus ihren jeweiligen Perspektiven heraus. Die Fachexperten gingen unabhängig voneinander davon aus, dass die Gesellschaft sich darauf einstellen müsse, längerfristig mit dem Coronavirus umzugehen. Hinsichtlich zu treffender Maßnahmen sprachen sich die Referenten für passgenaue und auf das jeweilige Infektionsgeschehen vor Ort abgestimmte Einschränkungen aus. Auch gelte es, diese Einschränkungen im Verhältnis zu den gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen zu sehen und sie gegebenenfalls zu modifizieren.

Prof. Streeck forderte von den Verantwortlichen unter anderem mehr Mut dazu, lokale beziehungsweise regionale Maßnahmen-Konzepte auszuprobieren. Darüber hinaus appellierte er, Maßnahmen nicht ausschließlich von Corona-Fallzahlen abhängig zu machen, sondern Meldungen und Warnungen hinsichtlich intensivmedizinischer Kapazitäten in Kliniken in Schutzkonzepte einzubeziehen. Auch forderte er eine zentrale und unabhängige Koordinierung der Forschung zum Coronavirus. Prof. Kirchhof betonte, genauere Untersuchungen zum Infektionsgeschehen seien nötig – beispielsweise sei der Aspekt der ausgeübten Tätigkeit mit einzubeziehen, um mehr Informationen über mögliche Ansteckungsherde zu erhalten. Zudem mahnte er an, beim Aspekt der Mobilität in der Diskussion über neue Maßnahmen nicht ausschließlich in freizeitlicher oder touristischer Dimension zu denken: Studenten müssten langfristig an die Universitäten, Schüler in die Schule, bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern an ihre Arbeitsplätze, um sich voll zu entfalten beziehungsweise effizient wirken zu können.

Beide Experten stellten zudem heraus, dass gesellschaftlich einschneidende Pandemien gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels auch in Zukunft möglich und realistisch seien – was also tun, um vorbereitet zu sein? Diskutiert wurde unter anderem über eine Stärkung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie über die Konzeptionierung eines Stresstests im Gesundheitswesen analog zum sogenannten Banken-Stresstest im Finanzbereich, um mögliche Krisenszenarien besser antizipieren zu können.

Nach den Referenten bekamen Vertreterinnen und Vertreter der baden-württembergischen Parteienlandschaft Gelegenheit, politische Positionen und Projekte zu aktuellen und grundsätzlichen Fragen im Gesundheitswesen zu skizzieren. So stellte die die Landtagsabgeordnete Petra Krebs (Bündnis 90 / Grüne) das Vorhaben heraus, pflegende Angehörige effektiv unterstützen sowie das Thema Gesundheit in alle Bereichen der Landespolitik transportieren zu wollen. Der SPD-Abgeordnete Rainer Hinderer (SPD) sprach vom Ausbau und der Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdiensts (ÖGD) sowie einer Aufwertung der Gesundheitsberufe. Die CDU-Landtagsabgeordnete Claudia Martin thematisierte ebenfalls einen Ausbau / eine Stärkung der Pflege und stellte Überlegungen vor, das Thema Gesundheit im Rahmen eines eigenen Ministeriums gesellschaftlich zu verankern. Dem FDP-Landtagsabgeordneten Jochen Haußmann ging es unter anderem darum, Baden-Württemberg „pandemie- und demografiefest“ zu machen und die Attraktivität des Landes für die Gesundheitsberufe zu steigern.

„Der Landeskongress Gesundheit ist auch in diesem Jahr seiner Aufgabe gerecht geworden, interdisziplinär zu denken und wichtige Anregungen zu geben“, resümiert Ärztekammerpräsident Dr. Miller. „Dies ist gerade in Zeiten einer Pandemie bemerkenswert.“

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