Hamburg: Beistand, Schutz und Transparenz

Sterbehilfe: Ärzteschaft beteiligt sich an Debatte

Hamburg - Die Delegiertenversammlung der Ärztekammer Hamburg hat  in ihrer gestrigen Sitzung einstimmig bei einer Enthaltung Eckpunkte für  eine Neuregelung der Sterbehilfe beschlossen und sich darin unter anderem für eine Verbesserung des Schutzes von Sterbewilligen ausgesprochen.

Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu § 217 StGB im Februar 2020 ist die geschäftsmäßige Förderung eines Suizides nicht mehr strafbar. Das Gericht erkannte zudem das Recht auf selbstbestimmtes Sterben als Ausdruck von Autonomie an und damit auch die Freiheit jedes und jeder Einzelnen, Suizidhilfe bei fachkundigen,  kompetenten Dritten zu suchen, um Suizid schmerzfrei und sicher umzusetzen. Der Gesetzgeber ist durch die Entscheidung aufgefordert, neue Regelungen zu treffen, erste Gesetzentwürfe liegen dazu vor. Das Urteil bringt zudem Ärztinnen und Ärzte in Konflikt mit ihrer (Muster-)Berufsordnung – die auch in Hamburg gilt. Dort heißt es in

§ 16 Beistand für den Sterbenden
Der Arzt hat dem Sterbenden unter Wahrung seiner Würde und Achtung seines Willens beizustehen. Es ist ihm verboten, einen Patienten auf dessen Verlangen zu töten. Er darf keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.

Die Delegiertenversammlung befürwortet, dass sich die Ärztekammer  Hamburg weiterhin an der gesellschaftlichen Diskussion über den assistierten Suizid beteiligt. Sie fordert eine Regelung, die in der Ärzteschaft konsentiert und möglichst breit verankert ist. Sie beabsichtigt zudem, die in Hamburg bisher geltende Berufsordnung mit dem Verbot der Suizidbeihilfe unter Berücksichtigung des BVerfG-Urteils anzupassen.

Hier die beschlossenen Eckpunkte im Einzelnen:

  • Die (Muster-)Berufsordnung sollte unter Berücksichtigung des Bundesverfassungsgerichtsurteils angepasst werden.
  • Ärztinnen und Ärzte dürfen keinem Strafbarkeitsrisiko aus-gesetzt werden.
  • Eine Verpflichtung zum ärztlich assistierten Suizid darf es nicht geben.
  • Eine Tötung auf Verlangen durch Ärztinnen oder Ärzte darf es weiterhin nicht geben.
  • Suizidwünsche von gesunden Personen dürfen nicht primär an Ärztinnen und Ärzte adressiert werden.
  • Schutzbestimmungen für Suizidwillige:
    • Die Aktivitäten zur Suizidprävention und zur Beratung Suizidwilliger sollen verstärkt werden.
    • Die Möglichkeiten der Inanspruchnahme der  Palliativmedizin sollten verstärkt werden.
    • Bei einer Beratung muss auch auf alternative Handlungsoptionen verwiesen werden. Dabei   sollten auch konkrete Hilfsangebote sowie  Behandlungsmöglichkeiten unterbreitet werden.
    • Suizidwillige müssen ihren Willen frei und unbeeinflusst von einer psychischen Störung  und ohne unzulässige Einflussnahme oder Druck bilden können.
    • Eine klare Trennung zwischen den Instanzen,  die den Suizidwunsch bewerten und denen,  die diesen umsetzen, muss gewahrt sein.
    • Wenn Ärztinnen und Ärzte an Entscheidungen über die Gewährung einer Suizidassistenz  beteiligt sind, müssen bei der Einzelfallentscheidung jeweils mehr als ein/e  Arzt/Ärztin beteiligt sein (z.B. Gremium aus entsprechenden Fachdisziplinen).
    • Der Prozess der Bewertung und der Umsetzung des Suizidwunsches  muss  transparent vollzogen und dokumentiert  werden. Im Nachgang muss eine ret-rospektive Bewertung / Überprüfung des  Vorgangs stattfinden.

Zwei Online-Fortbildungsveranstaltungen zu dem Thema mit insgesamt weit über 500 teilnehmenden Ärztinnen und Ärzten hatten die Grundlage für die nun beschlossenen Eckpunkte gelegt. „Ich bin sehr stolz auf die  Beteiligung der Hamburger Ärzteschaft bei den Veranstaltungen, aber auch bei der gestrigen Diskussion. Es war eine sehr ernsthafte Auseinandersetzung, die von hohem Respekt der unterschiedlichen  Positionen geprägt war“, sagte Kammerpräsident Dr. Pedram Emami nach der Delegiertenversammlung. Der Vorstand der Ärztekammer Hamburg hatte den Prozess auch in Hinblick auf den Deutschen Ärztetag angestoßen, der sich Anfang Mai mit dem Thema beschäftigen wird. „Ich freue mich, dass wir mit einem starken Votum ausgestattet sind, uns als Ärzteschaft an der gesellschaftlichen und politischen Debatte zu beteiligen. Ich halte das für einen Meilenstein“, so Vizepräsidentin PD Dr. Birgit Wulff.

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