Lundershausen: „Es muss ein Umdenken in den Köpfen geben“

5 Fragen an Dr. Ellen Lundershausen, Vizepräsidentin der Bundesärzte­kammer

Den Beruf als Ärztin, Berufspolitik und Privatleben unter einen Hut zu bekommen ist seit Jahrzehnten eine Herausforderung. Dabei müsse es diese Diskussionen gar nicht mehr geben, sagt Dr. Ellen Lundershausen, Präsidentin der Landesärztekammer Thüringen und Vizepräsidentin der Bundesärztekammer. Denn eigentlich müssten die Hürden für Ärztinnen, echte Vereinbarkeit zu leben, aus dem Weg geräumt sein. Dafür benötige es aber weiter ein deutliches Umdenken in den Köpfen.

5 Fragen an Dr. Ellen Lundershausen, Vizepräsidentin der Bundesärzte­kammer

Wo sehen Sie die Ärztinnen in ihrer Berufstätigkeit heute – junge wie ältere Kolleginnen?

Dr. Ellen Lundershausen: Sie sind ein wichtiger Teil der medizinischen Versorgung der Bevölkerung. Aber das waren sie schon immer, man muss sie aber auch lassen.

Man muss sie aber auch lassen – welche Hürden sind aus Ihrer Sicht im Weiterkommen für Ärztinnen noch nicht aus dem Weg geräumt?

Lundershausen: Es ist nach wie vor so, dass nicht alle die gleichen Chancen besitzen, wenn es darum geht, Familie und Beruf mit einan­der zu vereinbaren. Die Angebote für eine Kinderbetreuung sind oft noch nicht gegeben.

Seit Jahren erzähle ich das Beispiel, dass ein Kindergarten auf dem Klinikgelände um 16 Uhr schließt. Das passt für mich nicht zusamm­en. Und diese Diskussionen lassen mich resignieren. Auf der anderen Seite muss man auch einräumen, dass es auch biologische Grenzen gibt. Schwangere Frauen müssen eine Zeit aussetzen, bevor sie wieder anfangen können. Viele arbeiten dann in Teilzeit.

Leider trägt dies nicht zur größeren Akzeptanz der ärztlichen Leistung von Frauen in der Medizin bei. Gleich­zeitig ist es eine Schande, dass wir im 21. Jahr­hundert noch über diese Themen diskutieren müssen. Denn all das müsste längst eine Selbstverständlich­keit sein.

Die berufstätige Ärzteschaft ist bereits fast zur Hälfte weiblich. Wie verändert das den Versorgungsalltag?

Lundershausen: Das Umdenken in den Köpfen ist sehr wichtig. Man erlebt nach wie vor, dass Geschäfts­füh­rer oder ärztliche Leiter negativ über den hohen Frauenanteil in der Medizin sprechen. Die Argu­mente sind dann, dass die Organisationsstrukturen belastet seien oder man nicht wisse, wie man die Dienste besetzen solle. Hier muss ein Umdenken einsetzen. Die Situation muss akzeptiert werden.

Denn auch männliche Führungskräfte wollen in Familienstrukturen leben. Und ich glaube schon, dass es organisato­risch möglich ist, Frauen auch in Teilzeit einzubinden. Sie können gute Arbeit effizient leisten. Ich hab oft scherzhaft gesagt, Frauen schaffen das in sechs Stunden, wofür Männer acht benötigen.

In diesen Diskussionen müssen Frauen durchsetzungsfähig bleiben, die eigene Leistungsfähigkeit artikulieren und sich nicht bei einem ersten Widerstand zurückziehen. Denn das macht es dem Umfeld leicht, zu sagen, die wollen ja alle nicht.

Am 7. März ist in diesem Jahr der Equal-Pay-Day in Deutschland – auch in der Ärzteschaft gibt es in den ein oder anderen Auswertungen Hinweise, dass es im niedergelassenen Bereich Gehaltsunter­schiede geben kann, da Frauen in der Versorgung nachgesagt wird, sie nähmen sich beispielsweise mehr Zeit für die Kommunika­tion mit Patienten. Teilen Sie diese Einschätzung?

Lundershausen: Genaue Zahlen würde ich da gerne sehen, denn ich glaube das nicht ganz. Ich habe selbst mehr als 30 Jahre eine Praxis gehabt. Vielleicht sind einige Frauen, um es vorsichtig zu formulieren, nicht ganz zielorientiert bei der Abrechnung wie Männer. Da es den EBM gibt, werden alle gleich bezahlt. Es kann nur sein, dass Frauen auch im niedergelassenen Bereich versuchen, ihre Arbeitszeit mit der Familie zu ver­einen und daher weniger arbeiten.

Im berufspolitischen Engagement sind Ärztinnen ebenfalls unterrepräsentiert. Was unternehmen beispiels­weise die Kammern, hier für mehr interessierten Nachwuchs zu sorgen?

Lundershausen: Die Kammern werben schon sehr um junge Leute. Wie schon gesagt, haben wir fast mehr Frauen als Männer in der Medizin. Es ist aber auch schwer, junge Leute zu motivieren. Wir haben in der Kammer Thüringen sehr lange gebraucht, bis wir die „Junge Kammer“ gründen konnten. Wir haben alle Mitglieder unter 40 Jahren per E-Mail angesprochen. Es haben sich aber nur wenige gemeldet.

Wir beklagen in der Medizin auch die Arbeitsverdichtung und zu viel Bürokratie – da steht in der Lebens­pla­nung nicht auch noch Berufspolitik an vorderster Stelle. Viele junge Leute haben eine Familie gegründet und haben kleinere Kinder. Da überlegt man sich, ob man sich berufspolitisch engagiert und noch an vielen Sitzungen teilnehmen kann.

Das ist auch ein Stück Normalität. Berufspolitische Arbeit fängt vielleicht dann auch jenseits der 40 an. Zwar ist das schade, aber oft nicht anders zur realisieren, solange Medizin so ein hohes Arbeitsaufkommen wie derzeit hat. Geleichzeitig finden wir an der ein oder anderen Stelle gerade junge Frauen, die sehr strukturiert sind. Da ist manche Sitzung deutlich kürzer. © bee/aerzteblatt.de