75 Jahre Nürnberger Kodex: Ethisches Manifest darf nicht missbraucht werden

Berlin

Anlässlich des 75. Jahrestages des Nürnberger Kodex am 20. August 2022 erinnert die Ärztekammer Berlin an das Manifest, das bis heute Einfluss auf das ärztliche Handeln hat. Die Kammer wendet sich zudem entschieden gegen die Fehlinterpretation durch Gegner:innen der Corona-Impfungen, die in den Impfungen eine Verletzung des Kodex sehen, und warnt vor dem Missbrauch des ethischen Manifestes.

Der Nürnberger Kodex hat bis heute Einfluss auf die ethischen Grundsätze ärztlichen Handelns. Vor 75 Jahren ist er im Laufe des ersten Nürnberger Ärzteprozesses entstanden. Anlässlich dieses Jahrestages erinnert die Ärztekammer Berlin an dieses wichtige Manifest.

In dem Prozess wurden 1946/47 hochrangige Mediziner:innen und Gesundheitsbeamte wegen Euthanasie und Menschenversuchen während der Zeit des Nationalsozialismus angeklagt. Sie hatten mit der Begründung, kriegswichtige medizinische Forschung zu betreiben, grausame Verbrechen an wehrlosen KZ-Häftlingen unternommen.

Am 20. August 1947 verkündete das amerikanische Militärgericht mit den Urteilen auch zehn medizinethische Grundsätze, den Nürnberger Kodex. Die Gebote fanden unter anderem Niederschlag in der 1964 verabschiedeten „Deklaration von Helsinki“ und wirken damit bis heute in den ethischen Grundsätzen für die medizinische Forschung am Menschen nach. Erstes und wesentliches Prinzip des Kodex ist „die freiwillige Zustimmung der Versuchsperson“, die informiert und in der Lage sein muss, eine freie Entscheidung zu treffen.

„Genau dies war bei den klinischen Studien zu den Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 der Fall“, erklärt PD Dr. med. Peter Bobbert, Präsident der Ärztekammer Berlin. Tausende von Freiwilligen nahmen an den Studien zu Wirksamkeit und Risiken der Corona-Impfstoffe, die zuvor sorgfältigen wissenschaftlichen Untersuchungen unterzogen worden waren, teil. Erst danach wurden die Impfungen zugelassen. 

Dennoch beziehen sich einige Gegner:innen der Corona-Impfungen auf den Kodex. Sie betrachten die Impfungen als Verstoß gegen die ethischen Grundregeln und vermuten ein großes Experiment an der Bevölkerung. 

„Die Corona-Impfungen verstoßen nicht gegen den Nürnberger Kodex”, betont Bobbert. „Die Impfstoffe wurden gründlich getestet, zunächst an Tieren, wie es auch der Kodex vorsieht, danach an – freiwilligen – Testpersonen. Von einem Massenexperiment bei den Corona-Impfungen zu sprechen, ist daher völlig unzutreffend“, betont Bobbert.

„Die Impfstoffe sind gut untersucht und sie schützen – uns selbst und unsere Mitmenschen“, erklärt auch Dr. med. Matthias Blöchle, Vizepräsident der Ärztekammer Berlin. „Parallelen zu den menschenverachtenden und grausamen Experimenten im NS-Staat herzustellen, ist infam und inakzeptabel. Es zeugt von vollkommener Unkenntnis der historischen Tatsachen und wird einer sachlichen Auseinandersetzung nicht gerecht.“

„Die Gräuel des Nationalsozialismus dürfen nicht vergessen werden“, erklärt Bobbert. „Gerade deshalb sind wir verpflichtet, einer missbräuchlichen Interpretation des Nürnberger Kodex, der bis heute auf die Grundlagen des ärztlichen Handelns Einfluss hat, entgegenzuwirken.“

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