Baden-Württemberg: Corona: Krisenbewältigung bislang gut gelungen

Landesärztekammer mit erstem Zwischenfazit bei Online-Konferenz / Öffentlicher Gesundheitsdienst muss dringend gestärkt werden
Baden-Württemberg

Stuttgart - Die Landesärztekammer Baden-Württemberg hat ein erstes Zwischenfazit der Coronakrise und ihrer Bewältigung in Baden-Württemberg gezogen. In einer Online-Konferenz von über 100 ärztlichen Funktionsträgern aus allen Landesteilen wurden die bisherigen Aktivitäten der Körperschaft und ihrer über 70.000 Mitglieder analysiert. Kammerpräsident Dr. Wolfgang Miller ist demnach überzeugt: „Trotz widriger Rahmenbedingungen wie anfänglichem Mangel an Schutzausrüstung und Corona-Tests ist die Bewältigung der Krise bislang gut gelungen. Das verdanken wir auch der hervorragenden Arbeit der Ärztinnen und Ärzte in den Praxen und Kliniken.“ Dazu beigetragen habe aber auch der kontinuierliche Austausch und die enge Kooperation aller Leistungsträger des Gesundheitswesens und der Landesregierung.

Der Präsident betonte besonders die der Ärztekammer in Krisenzeiten zukommende Scharnierfunktion zwischen Staat und Ärzteschaft: So schrieb die Kammer in der Corona-Pandemie beispielsweise Ärztinnen und Ärzte außerhalb der Regelversorgung an, um sie für die Mithilfe bei der Krisenbewältigung zu gewinnen – über 2.000 von ihnen stellten sich daraufhin zur Verfügung, um vor Ort in den Landkreisen Engpässe zu beheben und die Patientenversorgung zu sichern. Darüber hinaus bat die Kammer unter anderem medizinische Fachangestellte um Unterstützung, vermittelte qualifizierte Ärztinnen und Ärzte für eine Hotline für Menschen mit psychischen Problemen und passte unbürokratisch die Berufsordnung hinsichtlich der ausschließlichen ärztlichen Fernbehandlung an, um Ärztinnen und Ärzten Rechtssicherheit in puncto Telemedizin zu geben. Dies alles geschah in engem Austausch mit den anderen Akteuren im Gesundheitssektor, denen Präsident Dr. Miller für die stets unkomplizierte Zusammenarbeit dankte.

Eine ganz wesentliche Rolle hatten nach den Worten von Dr. Miller auch die Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD): „Sie sind für uns ein wichtiger Partner, wir brauchen die Expertise der Kolleginnen und Kollegen dort.“ Dem ÖGD kommen während der Corona-Pandemie unter anderem grundlegende Aufgaben des Pandemie-Managements zu: Testungen auf SARS-CoV-2 durchführen, Verdachtsfälle und bestehende Infektionen erkennen, das Meldewesen organisieren und dokumentieren, Kontaktpersonen von Infizierten ermitteln, Kontakte von Infizierten nachverfolgen, Quarantänemaßnahmen veranlassen und deren Einhaltung begleiten sowie bei der Vermittlung ambulant zu versorgender Infizierter unterstützen, damit eine unverzügliche medizinische Versorgung bei klinischer Verschlechterung garantiert werden kann – dies alles vor dem Hintergrund einer seit vielen Jahren bestehenden chronischen Unterbesetzung. Die bei der Konferenz anwesende Dr. Karlin Stark, Präsidentin des Landesgesundheitsamtes, hob hervor, dass über die Jahre die Stellenanzahl der Fachärzte für öffentliches Gesundheitswesen insgesamt rückläufig sei und dass es in Baden-Württemberg lediglich 400 Ärztinnen und Ärzte im ÖGD (Fachärzte, Nichtfachärzte und Zahnärzte) gebe – gegenüber rund 21.000 Ärztinnen und Ärzten in der ambulanten Versorgung. Für einen leistungsfähigen ÖGD werde nach den Worten von Dr. Stark von der Politik die Bereitschaft benötigt, Gesundheitsämter dauerhaft mit mehr Personal und Technik auszustatten.

Fehlende Attraktivität der Stellen spielt hier eine große Rolle. Kammerpräsident Dr. Miller drückte in diesem Zusammenhang sein Unverständnis darüber aus, dass die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände die Tarifverhandlungen für Ärztinnen und Ärzte im kommunalen ÖGD gerade aufgrund der aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie bis auf Weiteres abgebrochen habe. „Ärztinnen und Ärzte im kommunalen Öffentlichen Dienst werden damit weiterhin nicht nach dem branchenüblichen Tarif bezahlt, was einen finanziellen Verlust von bis zu 1.500 Euro pro Monat bedeutet. Damit ist verständlich, dass diese wichtige Tätigkeit weiterhin für viele Kolleginnen und Kollegen unattraktiv ist und der Öffentliche Gesundheitsdienst unterbesetzt bleibt.“

Die Ärztekammer wird sich weiterhin intensiv darum bemühen, den Öffentlichen Gesundheitsdienst in Baden-Württemberg nachhaltig zu stärken –auch vor dem Hintergrund der Gefahr wieder steigender Corona-Infektionszahlen. Auch bei der Bundesärztekammer setzt sich Dr. Miller für die Kolleginnen und Kollegen im ÖGD ein. Zusammen mit Dr. Susanne Johna, der Vorsitzenden des Marburger Bundes, leitet er hier die Arbeitsgruppe „ÖGD in der Corona-Pandemie“. Neben einer leistungsgerechten Vergütung fordert die Bundesärztekammer eine verlässliche Stellenplanung, die Verankerung des ÖGD im Studium und den Aufbau von entsprechenden Lehrstühlen an den medizinischen Fakultäten. Der von der Politik angekündigte Pakt für den ÖGD muss entschlossen umgesetzt werden.

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