Ambulante Versorgung: Einflussnahme fachfremder Finanzinvestoren begrenzen

Kommerzialisierung

Ambulante Gesundheitseinrichtungen dürfen nicht zu Spekulationsobjekten von fachfremden Finanzinvestoren werden. Mit großer Mehrheit haben die Abgeordneten des 125. Deutschen Ärztetages sich für eine patientenzentrierte statt renditeorientierte Gesundheitsversorgung ausgesprochen.

Kurz darauf forderte auch die Gesundheitsministerkonferenz unter anderem mehr Transparenz über Träger von Medizinischen Versorgungszentren. Damit wurden zum Teil langjährige Forderungen der Ärzteschaft aufgegriffen.

Mit Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) 2004 wurde der Weg für die Einführung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) geebnet. Seitdem ist die Anzahl an MVZ stetig angestiegen – insbesondere nach der Einführung „arztgruppengleicher“ MVZ durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VStG) im Jahr 2015. Problematisch ist dabei die Bildung konzernartiger Strukturen, wenn sogenannte Private-Equity-Gesellschaften Arztpraxen und andere medizinische Gesundheitseinrichtungen übernehmen.

Bedingt durch eine vorwiegend renditeorientierte Motivation der Fremdinvestoren besteht die Gefahr, dass medizinische Entscheidungen zugunsten einer kommerziell motivierten Leistungserbringung getroffen werden. Zu befürchten ist außerdem eine Konzentration von investorenbetriebenen medizinischen Einrichtungen vor allem in Ballungsräumen zulasten der Versorgung in ländlichen Gebieten sowie die Konzentration auf besonders profitable Leistungen zulasten der medizinischen Grundversorgung.

Wirtschaftliche Zielvorgaben gefährden Patientenwohl

„Diese Kommerzialisierung bringt das Grundgerüst eines solidarisch und gemeinschaftlich organisierten Gesundheitswesens ins Wanken. Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, braucht es klare gesetzliche Regelungen“, stellten die Abgeordneten des 125. Deutschen Ärztetages klar. Sie sprachen sich mit großer Mehrheit für ein Fremdbesitzverbot für Arztpraxen und MVZ aus.

Und auch Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt betonte in seiner Eröffnungsrede: „Ärztinnen und Ärzte wollen keine Entscheidungen treffen und auch keine medizinischen Maßnahmen durchführen, die aufgrund wirtschaftlicher Zielvorgaben und Überlegungen erfolgen und dabei das Patientenwohl gefährden“. Die Politik sei gefordert, diese ärztliche Grundhaltung mit konkreten gesetzgeberischen Gegenmaßnahmen zu unterstützen.

Aus Sicht des Ärzteparlaments sollte der Besitz von ärztlich geleiteten Einrichtungen der ambulanten Patientenversorgung unter Veränderung des vertragsärztlichen Zulassungsrechts auf Ärztinnen und Ärzte als persönliche Rechtsträger beschränkt werden.

Erforderlich sei zumindest, den Versorgungsauftrag von MVZ zur Wahrung der Trägerpluralität und der freien Arztwahl zu begrenzen. MVZ-Gründungen durch Krankenhäuser sind an einen fachlichen und räumlichen Bezug zu deren Versorgungsauftrag zu koppeln. Anträge auf Zulassung sowie auf Anstellung einer Ärztin bzw. eines Arztes im MVZ sind dann zu versagen, wenn der Träger des MVZs dadurch in einer Region eine marktbeherrschende Stellung erlangen würde.

Gewinnabführungsverträge mit externen Kapitalgebern sind zu begrenzen, da die Gewinne aus Sozialversicherungsbeiträgen generiert werden.

Der 125. Deutsche Ärztetag forderte außerdem eine Veröffentlichungspflicht unter anderem des Leistungsangebotes, der Personalstruktur und der Eigentumsverhältnisse von MVZ analog den Qualitätsberichten der Krankenhäuser.

GMK: MVZ-Zulassungen stärker reglementieren

Einige der Forderungen sehen die Gesundheitsminister der Länder ähnlich. In einem Beschluss zu MVZ von Anfang November 2021 positionieren sie sich zu mehr Transparenz und strengeren Zulassungsvoraussetzungen bei der Trägerschaft von medizinischen Versorgungszentren und Arztpraxen bei juristischen Personen. Sie fordern unter anderem:

  • eine MVZ-Schilderpflicht (Kennzeichnungspflicht für Träger und Betreiber auf dem Praxisschild) sowie
  • eine Strukturtransparenz (Schaffung eines MVZ-Registers, bzw. Ausweitung des Arztregisters).

Darüber hinaus wurde das Bundesgesundheitsministerium aufgefordert, eine gesetzliche Regelung zu veranlassen

  • zur Beschränkung der Zulassung auf einen regionalen Bezug (KV-Bezirk des Arztsitzes) sowie
  • zur Beschränkung des Versorgungsanteils der MVZ pro Facharztgruppe auf 25 Prozent.

Um weitere Regulierungserfordernisse zu identifizieren und zu prüfen, soll der Bund zudem eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einrichten und bis spätestens Juni 2022 Vorschläge für eine Regelung der Gründung und des Betriebs von MVZ vorlegen. Zusätzlich sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Zulassung kommunaler MVZ vereinfachen.

In dem GMK-Beschluss finden sich einige der Forderungen wieder, die die Bundesärztekammer (BÄK) bereits vor dem 125. Deutsche Ärztetag in ihrem Sofortprogramm zur Bundestagswahl formuliert hatte – so etwa die Begrenzung von Versorgungsaufträgen von MVZ, die Kopplung von MVZ-Gründungen durch Krankenhäuser an einen fachlichen und regionalen Bezug sowie die Schaffung eines MVZ-Registers. Zusätzlich fordert die BÄK in dem Papier, Gewinnabführverträge mit externen Kapitalgebern zu begrenzen und Regelungen zu schaffen, die angestellten Ärztinnen und Ärzten explizit die Einhaltung berufsrechtlicher Vorgaben ermöglichen.

Eine erste Forderung der GMK wurde im Koalitionsvertrag der neuen sogenannten „Ampelregierung“ aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP bereits aufgegriffen. Um die Versorgung in unterversorgten Gebieten sicherzustellen, kündigt die Koalition an, die Gründung von kommunal getragenen MVZ und deren Zweigpraxen zu erleichtern und bürokratische Hürden abzubauen. Zudem sollen Entscheidungen des Zulassungsausschusses künftig durch die zuständige Landesbehörde bestätigt werden.

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