Abschwellende Nasentropfen/-sprays

  • 1. Wie hat sich die Verschreibung in den letzten Jahren entwickelt?

    Als abschwellende Nasentropfen/-sprays werden im Wesentlichen die Alpha1-Sympathomimetika Xylometazolin und Oxymetazolin eingesetzt. Es handelt sich um die meistverkauften rezeptfreien Medikamente (auch bezeichnet als OTC = over the counter) in Deutschland. Unter den zehn meistverkauften OTC befanden sich 2019 auf den Plätzen 1, 5, 7 und 8 Präparate mit dem Wirkstoff Xylometazolin mit einer Gesamtzahl von 59,5 Millionen verkaufter Packungen. 1972 befanden sich in Westdeutschland noch lediglich 7,4 Millionen Packungen Xylometazolin-Präparate unter den zehn meistverkauften OTC.


  • 2. Welche Fehlindikationen sind bei den Verschreibungen zu beachten?

    Jede durchgehende Anwendung für mehr als sieben Tage ist als Fehlgebrauch zu bezeichnen. Bei längerer Anwendung kommt es dann durch Reboundphänomene zu einem verstärkten Gefühl einer verstopften Nase, was bei uninformierten Patientinnen und Patienten wiederum zu einer Fortsetzung und Dosiserhöhung der Anwendung führt. Die längerfristige Applikation abschwellender Nasentropfen führt zu einer Atrophie der Nasenschleimhaut mit konsekutiver Ausbildung von Nekrosen, Schleimhautrissen, Borken und Nasenbluten. Hieraus wiederum resultiert eine erhöhte Anfälligkeit für Atemwegsinfektionen. Als besondere Komplikation ist die Besiedlung der Nasenschleimhaut mit Klebsiella ozaenae gefürchtet, was aufgrund des unangenehmen Geruchs dieses Bakteriums zu einer sogenannten „Stinknase“ führt. Die Sanierung einer „Stinknase“ ist häufig kaum möglich.


  • 3. Wie ist das Abhängigkeitspotenzial zu bewerten?

    Aufgrund fehlender psychotroper Effekte führen abschwellende Nasentropfen nicht zu einer psychischen Abhängigkeit, wie sie zum Beispiel von Benzodiazepinen oder Opiaten bekannt ist. Aufgrund des bei längerer Anwendung auftretenden Reboundeffekts (kompensatorisch verstärktes Anschwellen der Nasenschleimhäute mit einem chronischen Gefühl einer verstopften Nase) kann sich aber eine Entwicklung einstellen, die einer Suchtentwicklung vergleichbar ist. In der Folge kommt es zu Suchtcharakteristika wie Toleranzentwicklung, Dosissteigerung und fortgesetzter Konsum trotz erkennbarer negativer Schäden (etwa Nasenbluten). Aufgrund einer Erstickungsangst wenden die Betroffenen die abschwellenden Mittel hochfrequent und hochdosiert an und tragen Tropfen oder Sprays stets bei sich.


  • 4. Wie lassen sich Anzeichen für einen schädlichen oder abhängigen Konsum feststellen?

    Da abschwellende Rhinologika frei verkäuflich sind, ist die wichtigste Maßnahme, Patientinnen und Patienten gezielt nach einer regelmäßigen oder längerfristigen Anwendung zu befragen, unabhängig vom konkreten medizinischen Kontext. Hinweise auf eine missbräuchliche Anwendung sind die typischen Komplikationen wie häufige Atemwegsinfektionen, atrophierte oder eingerissene Nasenschleimhaut, intranasal Borken, Nasenbluten oder eine übelriechende Besiedlung mit Klebsiella ozaenae.


  • 5. Gibt es Besonderheiten, die bei Kindern und Jugendlichen zu beachten sind?

    Für Kinder und Jugendliche gelten die gleichen Anwendungsregeln und Vorsichtsmaßnahmen. Für Kinder und Säuglinge stehen niedriger dosierte Nasentropfen und -sprays zur Verfügung.


  • 6. Welche Behandlungsalternativen stehen zur Verfügung?

    Patientinnen und Patienten sind darüber aufzuklären, dass eine Anwendung für länger als fünf bis sieben Tage nicht indiziert und in aller Regel auch nicht erforderlich ist, da die typischen grippalen Infekte in diesem Zeitraum nachlassen. Wichtige Alternativen sind eine Inhalation mit Salzlösungen oder pflanzlichen Stoffen und ölige oder Meerwassersprays/‑tropfen/-salben zur Befeuchtung der Nasenschleimhaut. Eine gesunde Lebensweise reduziert das Risiko grippaler Infekte, eine Grippeimpfung das einer Influenzainfektion.


  • 7. Wie sollte eine missbrauchspräventive Verschreibung erfolgen?

    Die Entwicklung einer chronischen, missbräuchlichen Anwendung geschieht zumeist ärztlich unbemerkt, da die Rhinologika frei verkäuflich sind. Patientinnen und Patienten mit akuten Atemwegsinfektionen sollten deutlich darüber aufgeklärt werden, dass abschwellende Nasentropfen/-sprays nicht länger als sieben Tage angewendet werden dürfen und welche Risiken ein längerfristiger Gebrauch birgt. In der hausärztlichen Behandlung sollte dieses Thema auch unabhängig von akuten Atemwegsinfektionen angesprochen werden. Hierbei sollte auch erfragt werden, ob vielleicht ein längerfristiger, regelmäßiger Gebrauch bereits besteht.


  • 8. Welche Behandlung eines Missbrauchs von abschwellenden Nasentropfen/ -sprays kann ambulant durchgeführt werden? Wann sollte eine stationäre Überweisung bzw. Weiterbehandlung erfolgen?

    Die Behandlung ist in der Regel ambulant durchzuführen. Sie kann aber sehr gut auch während eines aus anderem Grund erforderlichen Krankenhausaufenthaltes durchgeführt werden. Der Entzug besteht in der konsequenten, schrittweisen Entwöhnung von abschwellenden Nasentropfen/-sprays. Aufgrund der häufigen Erstickungsangst der Patienten ist es ratsam, zunächst mit einem Nasenloch zu beginnen. Hilfreich für eine schrittweise Dosisreduktion ist der Einsatz von niedriger dosierten Kinder- und Säuglingssprays. Zur Befeuchtung und Pflege der Nasenschleimhaut können Meerwassersprays und Nasensalben, zum Beispiel mit Dexpanthenol, angewendet werden.

    Da abschwellende Nasentropfen/-sprays nicht verschreibungspflichtig sind, ist die proaktive Erfragung eines längerfristigen, regelmäßigen Gebrauchs durch Ärzte erforderlich. Da die wenigsten Patientinnen und Patienten über die Risiken und Komplikationen einer längerfristigen Anwendung informiert sind, besteht ein hoher Aufklärungsbedarf, der nicht nur im Rahmen eines Patientenkontakts aufgrund von Atemwegsinfektionen, sondern auch im Rahmen längerfristiger hausärztlicher Betreuung gedeckt werden sollte.

    Für die Entwöhnung von einem Fehlgebrauch abschwellender Nasentropfen/-sprays wird in der Regel keine stationäre Behandlung bezahlt. Eine stationäre Behandlung ist nur bei schwerwiegenden HNO-ärztlichen Komplikationen indiziert. Die schrittweise Entwöhnung ist in aller Regel ambulant durchzuführen, vorzugsweise im hausärztlichen oder HNO-ärztlichen Setting.