Ergebnisse der Studie zur Altersstruktur- und Arztzahlentwicklung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesärztekammer (aktualisiert)

  1. Das Durchschnittsalter der Vertragsärzteschaft ist seit 1993 um über drei einhalb Jahre auf rund 50,2 Jahre im Jahre 2002 gestiegen. Das Durchschnittsalter der Krankenhausärzte erhöhte sich im gleichen Zeitraum um über zwei einviertel Jahre.
  2. Zwischen 1995 und 2002 ist der Anteil der über 59-jährigen Ärzte an allen ambulant tätigen Ärzten um 55 % gestiegen, der Anteil der über 59-jährigen Ärzte an allen berufstätigen Ärzten ist sogar um 58 % angewachsen.
  3. Zugleich sinkt der Anteil der jungen Ärzte. Waren 1991 noch 27,4 % aller berufstätigen Ärzte unter 35 Jahre alt, so betrug dieser Anteil im Jahre 2002 nur noch 17 % - ein Rückgang um 38 %.
  4. Die Nachwuchsentwicklung ist alarmierend. Zwar ist die Zahl der Studienanfänger in den letzten acht Jahren relativ konstant geblieben, aber gleichzeitig sinkt seit neun Jahren die Gesamtzahl der Medizinstudentenkontinuierlich (um insgesamt knapp 14 %) und seit acht Jahren ist die Zahl der Absolventen rückläufig (um insgesamt 25 %). Dies kann nur dadurch erklärt werden, dass die Zahl der Studienabbrecher bzw. Studienplatzwechsler ständig angestiegen ist und weiterhin ansteigt. Mittlerweile liegt ihre Zahl bei etwa 2.600 jährlich (entspricht etwa 20 % eines Studenten-Jahrganges).
  5. Die Zahl der Ärzte im Praktikum ist zwischen 1994 und 2002 um knapp ein Viertel gesunken, die Zahl der Approbationen um 22 %. Bei den Facharztanerkennungen ist eine leicht rückläufige Tendenz zu erkennen.
  6. Die Politik wünscht beim Verhältnis von Hausärzten zu Fachärzten eine Relation von 60 zu 40. Diese existierte im Jahre 1991, seitdem ist der Fachärzteanteil um ein Viertel auf 49,5 % gestiegen. Der Trend zur fachärztlichen Versorgung besteht allerdings nicht erst seit jenem Jahr, er ist vielmehr eine dauerhafte Entwicklung und lässt sich belegen seit entsprechende Statistiken geführt werden.
  7. Der Anteil der berufstätigen Ärzte, der in anderen Bereichen tätig ist, liegt seit Jahren bei etwa 9 % und ist damit relativ konstant. Damit gibt es keinen Hinweis, dass (approbierte) Ärzte ihren klassischen Tätigkeitsfeldern - Krankenhaus und Praxis - den Rücken kehren und sich vermehrt Tätigkeiten in anderen Bereichen zuwenden.
  8. Die Abschätzung der zukünftigen Entwicklung auf Grund der Altersstruktur ergibt, dass ab dem Jahre 2004 verschiedene Facharztgruppen sehr wahrscheinlich mit einem Rückgang der Vertragsarztzahlen zu rechnen haben. Dies wird im Jahre 2004 die Augenärzte betreffen und im Jahr darauf die Radiologen. Ab dem Jahre 2006 werden aller Voraussicht nach die Zahlen der Allgemein-/Praktischen Ärzte, Frauenärzte und Kinderärzte sinken. 2007 betrifft es dann die HNO-Ärzte, Urologen und Internisten. Schließlich sind im Jahre 2008 auch die Chirurgen, Hautärzte und Orthopäden davon tangiert.
  9. Durch das altersbedingte Ausscheiden von Ärzten kommt es zu einer Konsolidierung der Vertragsarzt-Zahlen. Die gegenwärtig bestehende Einwohner-Vertragsarzt-Relation verändert sich bis zum Jahre 2010 kaum, da auch die Bevölkerungszahl rückläufig ist.
  10. Die Analyse der demografischen Entwicklung der Bevölkerung macht deutlich, dass die damit einhergehende Wandlung des Morbiditätsspektrums und die Ausweitung der Multimorbidität eine erhöhte Zahl an Ärzten zwingend notwendig macht, um den Behandlungserfordernissen gerecht werden zu können. Darüber hinaus zeigt die Beschäftigung mit dem medizinischen Fortschritt, dass dieser notwendig zu höherem Behandlungsaufwand im Gesundheitswesen führt und damit zwangsläufig einen erhöhten Ärztebedarf induziert.
  11. Die Zahl der Allgemein-/Praktischen Ärzte hat im Zeitraum 1995 bis 2002 in den alten Bundesländern um etwa 0,2 % und in den neuen Bundesländern um 5,7 % abgenommen. Bedingt durch die Altersstruktur der Allgemein-/Praktischen Ärzte sowie der hausärztlich tätigen Internisten sind in nächster Zeit viele Abgänge zu erwarten, bis zum Jahre 2010 werden aller Voraussicht nach knapp 23.000 Hausärzte ausscheiden. Eine Analyse ergibt, dass auch über das Jahr 2003 hinaus, nach dem Auslaufen des Initiativprogramms, Anreize gegeben werden müssen, damit genügend Allgemeinmediziner weitergebildet werden, denn die Masse der Abgänge ist erst ab dem Jahre 2005 zu erwarten.
  12. Dringender Handlungsbedarf kristallisiert sich in den neuen Bundesländern heraus. Die Altersstruktur der dortigen Hausärzte legt den Schluss nahe, dass es in den neuen Bundesländern nicht fünf vor, sondern bereits fünf nach zwölf ist, da in den nächsten zehn Jahren sehr viele ältere Ärzte in den Ruhestand gehen werden (etwa 35 - 40 % aller dortigen Hausärzte) und zugleich kein Nachwuchs in Sicht ist, der die entstehenden Lücken schließen könnte. Die verbleibenden Ärzte werden nicht ausreichen, um die hausärztliche Versorgung sicherstellen zu können. Die hausärztliche Versorgung in den neuen Bundesländern wird daher in naher Zukunft zusammenbrechen, wenn keine geeigneten Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
  13. Die Situation bei den Kinderärzten stellt sich bei detaillierter Analyse nicht dramatisch dar, da der Kinderarztrückgang mit einem Absinken der Kinderzahlen zusammenfällt. Bis 2010 wird die Zahl der Kinderärzte sowie die Zahl der Kinder und Jugendlichen voraussichtlich um 9 % zurückgehen, wobei sich die Betreuungsrelation Kinder je Vertragsarzt noch verbessern wird. Allerdings wird in den neuen Bundesländern das Problem bestehen, eine flächendeckende Versorgung mit niedergelassenen Kinderärzten zu gewährleisten.
  14. Die Zahl der arbeitslos gemeldeten Ärzte ist seit dem Erreichen des Höhepunktes im Jahre 1997 kontinuierlich rückläufig. Die Stellenangebote haben sich seit Januar 1999 verdoppelt. Daher wird das Phänomen der Arbeitslosigkeit bei Ärzten gänzlich verschwinden.
  15. Eine Analyse der Zuwanderung ausländischer Ärzte hat ergeben, dass diese im Rahmen der allgemeinen Arztzahlentwicklung stattgefunden hat, wobei in den letzten fünf Jahren verstärkt Ärzte aus Osteuropa speziell der ehemaligen Sowjetunion und des ehemaligen Jugoslawiens nach Deutschland gekommen sind. Osteuropa ist folglich ein Reservoir aus dem entstehende mögliche Lücken in der ärztlichen Versorgung geschlossen werden könnten, sind Ärzte aus diesen Ländern doch überproportional bereit, nach Deutschland zu ziehen und hier zu arbeiten. Dabei ist allerdings zu beachten, dass ein Ärzte-Zuzug aus diesen ohnehin schon ärztlich nicht gerade gut versorgten Ländern die dortige Versorgungslage verschärfen würde.
  16. Laut Statistik haben gibt es keine messbare Zahl an Auswanderungen von (approbierten) deutschen Ärzten, der Wanderungssaldo ist vielmehr positiv.
  17. Etwa ein Fünftel der Absolventen beginnen nach der Absolvierung des Studiums nicht mit dem ärztlichen Praktikum, wollen somit nicht ärztlich tätig werden. Alarmierend dabei ist, dass diese Zahl in den letzten Jahren drastisch angestiegen ist.
  18. Summa summarum kann festgestellt werden, dass die deutsche Ärzteschaft überaltert und zugleich ein Nachwuchsproblem bekommt. Bedingt durch die Altersstruktur werden immer mehr Vertragsärzte in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Da die Bevölkerungszahl ebenfalls rückläufig ist, bleibt die Einwohner/Vertragsarzt-Relation konstant. Ausnahmen ergeben sich im Bereich Allgemeinmedizin. Dort wird es zu Versorgungsengpässen - in erster Linie in den neuen Bundesländern - kommen, wenn nicht gegengesteuert wird.

Auf Grund der Nachwuchsentwicklung werden in naher Zukunft Engpässe im Krankenhausbereich auftreten, da viele Arzt-Positionen nicht mehr besetzt werden können. Dies wird zunächst nur die ländlichen Gebiete betreffen zunehmend aber auch die größeren Städte. Insgesamt impliziert dies, dass die Medizinerausbildung praxisnäher und die Arbeitsbedingungen der Ärzte, sowohl im Krankenhaus-Bereich als auch im ambulanten Sektor, attraktiver gestaltet werden müssen (insbesondere angemessene Vergütung, weniger Regulierungen und Bürokratismus), damit sich junge Menschen wieder stärker für den Beruf des Arztes interessieren. Geschieht dies nicht, wird es auf breiter Front zu Versorgungsengpässen in Deutschland kommen. Letztlich ist damit die ärztliche Versorgung der Bevölkerung in Gefahr.

Abbildung 8: Entwicklung der Zahl der Studierenden im Fach Humanmedizin
(Stand: 31.12.2002) [PDF]


Abbildung 9: Entwicklung der Zahl der Absolventen im Fach Humanmedizin
(Stand: 31.12.2002) [PDF]


Abbildung 10: Entwicklung der Zahl der Neuzugänge an Ärzten im Praktikum
bei den Ärztekammern (Stand: 31.12.2002) [PDF]


Abbildung 11: Der "Verlust" an Medizinstudenten im Verlauf des Studiums
(Stand: 31.12.2002) [PDF]