Gebührenrahmen in Gefahr?

Deutsches Ärzteblatt 100, Heft 13 (28.03.2003), Seite A-8689

"Gebührenrahmen" bedeutet nach der amtlichen Definition "Rahmen zwischen dem Einfachsatz und Höchstsatz". "Regelspanne" bedeutet die Spanne zwischen dem Einfachsatz und dem 2,3fachen Satz bei den persönlichen ärztlichen Leistungen (bei den technischen Leistungen 1,8facher Satz). "Im Normalfall", so der Verordnungsgeber, "darf eine Gebühr nur innerhalb der Regelspanne berechnet werden" (vgl. Amtliche Begründung zur 3. ÄndVO vom 9. Juni 1988). Wo liegt der Mittelwert, nach dem eine ärztliche Leistung mittleren Schwierigkeitsgrades und durchschnittlichen Zeitaufwandes berechnet werden sollte? Zwischen Bundesärztekammer und Verordnungsgeber bestand Einvernehmen darüber, dass hierfür die Obergrenze der Regelspanne, der so genannte "Schwellenwert", anzusetzen ist.

Die Einführung von Schwellenwerten bei der GOÄ-Reform 1982 wurde von den privaten Krankenversicherungen vehement befürwortet, weil damit zu rechnen war, dass sich der Großteil der Liquidationen auf diesem Niveau und nicht oberhalb der Begründungsschwelle einpendeln würde. In der Tat zeigte sich in einer Stichprobe des Verbands der privaten Krankenversicherung e.V. bereits im Jahr 1984, dass von den persönlichen Leistungen 83,7 Prozent und von den medizinisch-technischen Leistungen 88,7 Prozent genau zum jeweiligen Schwellenwert abgerechnet wurden. Im Gegenzug war allerdings auch - insbesondere im ambulanten Bereich - eine deutliche Zurückhaltung bei der Berechnung von Höchstsätzen nach GOÄ zu beobachten.

Im Zuge einer konzeptionellen Vorbereitung zur Weiterentwicklung der GOÄ schlägt der Verband der privaten Krankenversicherungen e.V., Köln, in seinem Standpunkte-Papier vom September 2002 jedoch eine neue Honorardifferenzierung mit dem Ziel der Vergütungsabsenkung vor. Dabei sollen die ärztlichen Leistungen in "Standardleistungen" und "anspruchsgerechte Leistungen" aufgeteilt werden. "Standardleistungen" mit durchschnittlichem Zeitaufwand sollen künftig nicht innerhalb der gesamten Bandbreite bis zum 2,3fachen beziehungsweise 1,8fachen Steigerungssatz (Multiplikator), sondern nur noch höchstens bis zum "Mittelwert der Regelspanne" abgerechnet werden dürfen. Wer seine "Standardleistungen" höher abrechnet, muss im Zweifelsfall dann schon bei wesentlich geringeren Streitwerten die Beweislast tragen.

In diesem Konzept der Honorardifferenzierung ist der Gebührenrahmen nur noch Makulatur, und der freiberufliche Arzt, der die Gebühr für seine Leistung nach "billigem Ermessen" (§ 5 Absatz 2 GOÄ) bestimmen darf, ein Störfaktor. Über dem "Mittelwert der Regelspanne" sollen nur noch die ärztlichen Leistungen liquidiert werden dürfen, die den typischen Privatpatientenansprüchen gerecht werden. Was das ist - kürzere Wartezeiten und anderer besonderer Service - und wer in den Genuss eines höheren Honorars kommen soll - nur der "Beste" -, darüber will die private Krankenversicherung künftig selbst das Sagen haben.

Deshalb Vorsicht: Wer sich heute noch als "auserwählter" Top-Spezialist geehrt fühlen mag, wird sich morgen schon vielleicht darüber ärgern, dass er sich die Spielregeln von der Versicherung diktieren lassen muss.

Dr. med. Regina Klakow-Franck
(in: Deutsches Ärzteblatt 100, Heft 13 (28.03.2003), Seite A-8689