Allen Geflüchteten die rasche Aufnahme einer Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen

Bayern

„Aktu­elle Studien zeigen, dass psychi­sche und psycho­so­ma­ti­sche Erkran­kun­gen bei arbeits­lo­sen Menschen signi­fi­kant häufi­ger auftre­ten als bei Erwerbs­tä­ti­gen. Ich appel­liere daher an die poli­ti­schen Entschei­dungs­trä­ger, allen Geflüch­te­ten im Zustän­dig­keits­be­reich der Bundes­re­pu­blik Deut­sch­land die rasche Aufnahme einer Beschäf­ti­gung auf dem deut­schen Arbeits­markt zu ermög­li­chen“, erklärt Dr. Andreas Botz­lar, 1. Vize­prä­si­dent der Baye­ri­schen Landes­ärz­te­kam­mer.

Gemäß der derzei­ti­gen Geset­zes­lage dürf­ten Geflüch­tete im Regel­fall nicht arbei­ten, während sie verpflich­tet seien, in einer Aufnah­me­ein­rich­tung zu wohnen. Außer­dem benö­tig­ten Asyl­be­wer­be­rin­nen und -bewer­ber sowie Gedul­dete stets eine Geneh­mi­gung der jeweils zustän­di­gen Ausländerbe­hörde, um eine Beschäf­ti­gung aufneh­men zu können. Immer wieder komme es dabei vor, dass solche Geneh­mi­gun­gen erst nach langen Verzö­ge­run­gen oder über­haupt nicht erteilt würden.

Für Botz­lar ein Unding. „Wer arbeits­los ist, erlebt dies meist als eine schwere seeli­sche Belas­tung, was neben psychi­schen Proble­men wie Rück­zug und Depres­sion auch soma­ti­sche Störun­gen wie Appe­tit­lo­sig­keit, Unter­ge­wicht oder eine Schwä­chung des Immun­sys­tems nach sich ziehen kann“, so der 1. Vize­prä­si­dent. Umge­kehrt fördere die Einbrin­gung in den Arbeits­pro­zess das Selbst­be­wusst­sein, erleich­tere das Knüp­fen von sozi­a­len Kontak­ten sowie die Inte­gra­tion und stärke sowohl das persön­li­che Wohl­be­fin­den als auch die Gesund­heit.

Abwärts­s­pi­rale in der Stati­o­nären Versor­gung verhin­dern
„Der Berufs­all­tag der Kran­ken­hau­s­ärz­tin­nen und -ärzte ist geprägt von einer stei­gen­den Arbeits­be­las­tung, die nicht nur auf die stetige Zunahme der büro­kra­ti­schen Anfor­de­run­gen zurück­zu­füh­ren ist, sondern vor allem auch auf eine unzu­rei­chende Perso­na­l­vor­hal­tung. Diese Situa­tion ist zunächst Folge der seit Jahren unzu­rei­chen­den Ausbil­dungs­ka­pa­zi­tä­ten, wurde durch die ruinö­sen kommer­zi­el­len Zwänge, denen Kran­ken­häu­ser infolge falsch verstan­de­nen Wett­be­werbs unter­wor­fen wurden, verschärft und treibt nun immer mehr Kolle­gin­nen und Kolle­gen in zuneh­mend ausge­prägte Teil­zeit­be­schäf­ti­gungs­ver­hält­nisse“, führt der 1. Vize­prä­si­dent weiter aus. Das wahre Ausmaß des Problems werde dabei durch den eben­falls rasant zuneh­men­den Mangel an Pfle­ge­per­so­nal sogar noch verdeckt. Wo es keine ande­ren Mita­r­bei­te­rin­nen und Mita­r­bei­ter mehr gebe, brau­che man am Ende auch keine Ärztin­nen und Ärzte – die Versor­gung der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten bleibe dabei aber endgül­tig auf der Strecke. Die Kran­ken­häu­ser benö­tig­ten deshalb unbe­dingt eine pati­en­ten- und aufga­ben­ge­rechte ärzt­li­che Perso­nal­ausstat­tung.

Belegt werde die Verschlech­te­rung der Arbeits­be­din­gun­gen auch durch eine aktu­elle bundes­weite Umfrage des Insti­tuts für Quali­täts­mes­sung und Evalua­tion (durch­ge­führt vom 20. Mai 2022 bis zum 19. Juni 2022) unter 8.464 ange­stell­ten Ärztin­nen und Ärzten, die zu etwa 90 Prozent in Akutkran­ken­häu­sern und Reha-Klini­ken arbei­te­ten. Etwa 25 Prozent der Befrag­ten erwö­gen eine Aufgabe ihrer ärzt­li­chen Tätig­keit. „Diese erschre­ckende Zahl ist auf die nach wie vor hohe Anzahl von Über­stun­den sowie die Über­las­tung durch zu viele Nacht- und Wochen­end­dienste zurück­zu­füh­ren, die letzt­lich Folge des enor­men kommer­zi­el­len Drucks auf die sowie seitens der Arbeit­ge­ber ist“, so Botz­lar. Laut Umfrage leis­te­ten 19 Prozent der Befrag­ten zehn bis 19 Über­stun­den pro Woche, wobei ein erheb­li­cher Teil der Arbeits­zeit durch admi­nis­tra­tive Tätig­kei­ten wie Daten­er­fas­sung und Doku­men­ta­tion verlo­ren gehe, im Mittel drei Stun­den pro Tag. Das Spit­zen­drit­tel der Befrag­ten habe den Aufwand sogar mit „min­des­tens vier Stun­den“ quan­ti­fi­ziert, während vor sieben Jahren die Antwort auf die iden­ti­sche Frage noch „min­des­tens zwei Stun­den“ gelau­tet habe. Erfolg­rei­cher Büro­kra­tie­ab­bau sehe anders aus.

Unter schlech­ten Arbeits­be­din­gun­gen litten insbe­son­dere die Ärzte an den Univer­si­täts­kli­ni­ken, wo neben ärzt­li­chen Behand­lun­gen auch Forschung und Lehre betrie­ben werden solle. Der Wunsch nach Spit­zen­me­di­zin müsse aber durch das Ange­bot guter Arbeits­be­din­gun­gen begleitet werden. Leider hätten die Bundes­län­der, welche die meis­ten Univer­si­täts­kli­ni­ken trügen (der Frei­staat Bayern ist Träger alle sechs bayerischen Univer­si­täts­kli­ni­ken), in den zurück­lie­gen­den Tarif­ver­hand­lun­gen den Bedarf für struk­tu­relle Verbes­se­run­gen der Arbeits­be­din­gun­gen grund­sätz­lich bestrit­ten und ihre Ärzte dadurch vor den Kopf gesto­ßen.

„Über­lange Arbeits­zei­ten rauben nicht nur Zeit für Fort­bil­dung und persön­li­che Entfal­tung, sie verun­mög­li­chen auch die Betreu­ung von Kindern oder pfle­ge­be­dürf­ti­gen Ange­hö­ri­gen und vor allem die notwen­dige Erho­lung und damit die eigene Gesun­der­hal­tung“, erläu­tert Botz­lar. Ange­sichts eines ohne­hin nicht mehr voll­stän­dig abwend­ba­ren Mangels an Ärzten dürfe man die vorhan­de­nen nicht unnö­tig verschlei­ßen oder sie in die Berufs­auf­gabe trei­ben.

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