Suizidprävention muss Vorrang vor der Beihilfe zur Selbsttötung haben

Nordrhein

Am 6. Juli will der Deutsche Bundestag über eine Neuregelung der Hilfe zur Selbsttötung abstimmen. Die Ärztekammer Nordrhein warnt vor einer übereilten Entscheidung einen Tag vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause. Sie fordert stattdessen, vorerst ein Gesetz zur Suizidprävention auf den Weg zu bringen.


„Ein Gesetz mit so weitreichenden Folgen für unsere Gesellschaft kann nicht in einem solchen Hauruck-Verfahren ohne gründliche öffentliche Debatte verabschiedet werden“, kritisierte der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke, mit Blick auf die anstehende Abstimmung. Eine gründliche Befassung mit den derzeit vorliegenden Gesetzentwürfen habe nicht erfolgen können, da erst Mitte Juni zwei Gesetzentwürfe zu einem neuen Entwurf fusioniert worden seien. Selbst auf der Webseite des Deutschen Bundestages seien nicht einmal die zur Abstimmung stehenden Gesetze richtig aufgeführt. Bevor das Parlament über die Hilfe zur Selbsttötung entscheidet, sollte zudem aus Sicht der Ärztekammer Nordrhein zunächst einmal die Suizidprävention ausgebaut werden.


Suizidgedanken, so Henke, hätten eine Vielzahl individueller und gesellschaftlicher Ursachen. Eine wesentliche Rolle spielten dabei psychische Störungen und Krisen. Der Wunsch, sich das Leben zu nehmen, verändere sich mit den Erfahrungen in zwischenmenschlichen Beziehungen. Deshalb gelte es zu verhindern, dass in Zukunft Unterstützung beim Suizid leichter zugänglich sei als Angebote der Suizidprävention.


Zwei fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe zur Suizidhilfe stehen am Donnerstag (6.7.2023) zur Abstimmung im Deutschen Bundestag. Eine
Gruppe von Abgeordneten um Lars Castellucci (SPD) will die sogenannte geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung zum Beispiel durch
Sterbehilfevereine grundsätzlich unter Strafe stellen. Um das Recht auf selbstbestimmtes Sterben zu gewährleisten, wie es das  Bundesverfassungsgericht fordert, soll es aber Ausnahmen geben. Menschen, die freiverantwortlich und frei von sozialem Druck aus dem
Leben scheiden wollen, sollen Zugang zu einem tödlich wirkenden Medikament erhalten, wenn sie sich zuvor zweimal von einer Fachärztin
oder einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie haben untersuchen lassen und sich darüber hinaus einer ergebnisoffenen Beratung bei einem weiteren Arzt oder einer Beratungsstelle unterzogen haben.


Ein zweiter Gesetzentwurf um die Abgeordneten Renate Künast (Grüne) und Katrin Helling-Plahr (FDP), der erst vor Kurzem aus zwei getrennten
Entwürfen zusammengeführt wurde, vertritt einen liberaleren Ansatz. Er will das Recht auf einen selbstbestimmten Tod sichern und klarstellen,
dass Hilfe zur Selbsttötung straffrei und erlaubt ist sowie sichere Zugangsmöglichkeiten zu tödlichen Medikamenten schaffen. Der Gesetzentwurf differenziert dabei zwischen dem Suizidwunsch sterbenskranker Patientinnen und Patienten und dem von Menschen, die aus anderen Gründen nicht mehr leben wollen. Um dem staatlichen Schutzauftrag gerecht zu werden, sieht der Entwurf eine Beratungspflicht durch eigens zu schaffende Beratungsstellen oder Ärztinnen und Ärzte vor.

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