Westfalen-Lippe: Gehle: Für interprofessionelle Zusammenarbeit, aber strikt gegen Aufgabe von Arztvorbehalt und Facharztstandard - Sorge vor Qualitätsverlust in der Patientenversorgung

Münster - Für eine „interprofessionelle Zusammenarbeit“ der Gesundheitsfachberufe hat sich der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL), Dr. Hans-Albert Gehle, ausgesprochen. „Die Ärzteschaft darf nicht in einen Abwehrkampf gegenüber anderen Berufsfeldern verfallen, aber eines ist absolut unerlässlich: Für mich ist die Gesamtverantwortung des Arztes Dreh- und Angelpunkt, wenn es um die kooperative Versorgung der Patientinnen und Patienten geht.“ Diese Verantwortung wolle die Ärzteschaft auch übernehmen, sagte Gehle vor der Kammerversammlung der ÄKWL. Die Ärzte seien „Kümmerer, die den Gesamtüberblick behalten müssen“. Der Kammerpräsident warnte davor, „irgendwann wegzukommen von der ganzheitlichen Betrachtung des Patienten und einem aufeinander abgestimmten Behandlungsprozess hin zu einem rein sequenziellen Abarbeiten einzelner Gesundheitsprobleme wie am Fließband einer Fabrik“.

Stattdessen seien eine Schärfung der Definition des Arztvorbehaltes, eine Konzentration des Arztes auf seine Kernkompetenzen und letztendlich eine Weiterentwicklung der Kooperation mit anderen Gesundheitsfachberufen mit interprofessionellen Teams notwendig, so Gehle vor dem Parlament der westfälisch-lippischen Ärzteschaft. „Das Zusammenwirken der Gesundheitsberufe und eine interprofessionelle Kooperation sind für uns Ärzte existenzielle Zukunftsthemen: Denn es geht entscheidend um die Frage, wie wir den Arzt-Beruf gerade in der unverzichtbaren Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen auch künftig so positionieren, dass das Qualitätsniveau der Patientenversorgung erhalten bleibt und nicht unterlaufen wird.“

Gehle verweist darauf, dass die Ärzteschaft mit einer evidenzbasierten, qualitätsgesicherten Medizin, der Schaffung von Strukturqualität durch Qualifikation, mit einem sechsjährigen Studium plus Weiterbildung plus berufslebenslanger Fortbildung für ein Qualitätsniveau und ein Versorgungslevel stehe, die auch unter den Bedingungen einer gewünschten und verstärkten Kooperation mit anderen Gesund-heitsfachberufen nicht unterschritten werden dürfe. Der für die medizinische Versorgung geltende Facharztstandard „ist im Übrigen ein Patientenrecht“, postuliert Gehle.

Es sei wichtig, dass sich die Gesundheitsfachberufe innerhalb ihres Kompetenzbereiches weiterentwickelten. Aber die Forderungen nach einer dauerhaften Übernahme heilkundlicher ärztlicher Aufgaben auf Pflegekräfte wie von dem Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Westerfellhaus, erhoben, „gehen für mich eindeutig in die falsche Richtung“, so Gehle. „Damit werden Bestandteile der Patientenversorgung ärztlicher Verantwortung entzogen, und das geht so nicht. Der Arzt muss den Gesamtüberblick und die Gesamtverantwortung über den kompletten Behandlungsprozess behalten. Die Patientenversorgung wird ansonsten nicht verbessert.“ Statt einer Übernahme ärztlicher Kernkompetenzen sollten Pflegekräfte ihre eigenen Fachkompetenzen in die interprofessionelle Kooperation einbringen. Genauso lehne er den Einstieg in Modellprojekte ab, die Apothekern das Impfen ermöglichen sollen.

Gehle abschließend: „Bei aller Wertschätzung der Qualifikation anderer Gesundheitsberufe, ganz gleich ob Pflege, Physiotherapeuten oder auch Apotheker – die Ausübung der Heilkunde gehört in ärztliche Hände. Eine Ausübung der Heilkunde durch Nichtärzte unterschreitet unser derzeit hohes medizinische Qualitätsniveau der Patientenversorgung und gefährdet die Patientensicherheit.“

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